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Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

470-472

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Helzle, Eugen

Titel/Untertitel:

Der Schluß des Markusevangeliums (Mk 16,9 - 20) und das Freer-Logion (Mk 16, 14 W), ihre Tendenzen und ihr gegenseitiges Verhältnis 1960

Rezensent:

Helzle, Eugen

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469

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

470

In der Auswahl gerade dieser drei Traditionen zielt die Untersuchung
schon auf die beiden, weiteren Teile hin. Der zweite Teil
(B. Der Hymnus in Kol. 1) wählt Kol. 1, 15—20 zum Ausgangspunkt.
Anknüpfend an Ernst Käsemanns Analyse wird ein vorpaulinischer
(Käsemann: vorchristlicher) Hymnus von seiner Paulinischen Kommentierung
und Umakzentuierung abgehoben, und im Zusammenhang mit
verwandten Texten, insbesondere 1. Kor. 8,6; Hebr. 1, 1 ff.; Joh.
1, 1 ff., erklärt. Christus ist der Schöpfungemittler und erhält das All;
aus dieser seiner kosmischen Stellung heraus ist er als wahrer Mensch
auf Erden erschienen zur Rettung und Erneuerung des Alls. Vielfältig
sind die Beziehungen zu den im ersten Teil behandelten, alexandrini-
schen Vorstellungen; andererseits ist die zentrale Einwirkung des urchristlichen
Kerygmas nicht zu übersehen. Der in Kol. 1, 15—20 und in
den verwandten Texten belegte Vorstellungskreis ist nach Alter
(1. Kor. 8,6!) und Verbreitung von größter Bedeutung. Die reflektierte
Vorstellung von einer Gottheit Christi, wie auch die von der
Kirche als dem Leibe Christi und als einer himmlischen Größe lassen
sich von ihm aus gut erklären. Somit werden kosmische Christologie
und Soteriologie des hellenistischen Urchristentums auf vorgnostische,
nämlich iüdisch-alexandrinische Anschauungen als ihre ansatzhaften
Vorstufen zurückgeführt, auf Gedanken eines jüdischen Schöpfungsund
Schöpferglaubens in hellenistischem Sprachgewandt

Der dritte Teil (C. Die Stellungnahme des Paulus) möchte
sodann die von Paulus (oder „Paulus") vorgenommenen Akzentuierungen
verdeutlichen: Paulus benutzt die Christologie des Hymnus mit
deutlicher Zurückhaltung, geleitet von dem aktuellen Interesse der
Abwehr der kolossischen Iirlehrer. Souverän setzt er die Akzente:
Er vertieft und modifiziert, indem er Kreuz und Parusie in den Vordergrund
rückt und die Gabe des Heils in der anschließenden Paränese
zur Aufgabe macht.

Heid rieh, Peter: Maimunizitate bei Meister Eckhart. Diss. Rostock
1959. IX, 122 S.

Die Arbeit untersucht das Verhältnis der zahlreichen Maimunizitate
in den lateinischen Werken Eckhaus zum arabischen Original
und der lateinischen Übersetzung des „Führers der Unschlüssigen".

Das arabisch geschriebene religionsphilosophische Hauptwerk
Musa Maimunis (gest. 1204) „Führer der Unschlüssigen" muß bald
nach seinem Erscheinen ins Lateinische übersetzt worden sein. Von den
ersten Jahrzehnten des 13. Jhdts. an läßt sich in der christlichen
Scholastik der Einfluß dieses Buches feststellen, er beginnt bei
Alexander von Haies und Wilhelm von Auvergne. Besonders intensiv
haben sich die Dominikanergelehrten Albert v. Boilstädt und Thomas
v. Aquino mit Maimunis „Führer" auseinandergesetzt. Sie fanden im
„Führer" einen Versuch, biblischen Glauben und Philosophie zu vereinen
, und konnten z.T. auf Maimunis Lösungen zurückgreifen; andere
Lehren Maimunis, etwa seine Ablehnung der Analogielehre, wurden
von ihnen auf Grund der christlich-theologischen Überlieferung bekämpft
. Unter den Philosophen nach Thomas hat besonders Ägidius
v. Rom Maimunis Thesen einer Kritik unterzogen. Auf dem Hintergrund
kritischer Auseinandersetzung der christlichen Scholastik mit
dem Werk Maimunis wird die Maimunibenutzung Eckharts in ihrer
Besonderheit deutlich.

Nach Maimuni ist es unzulässig, Gott Attribute beizulegen, da
solche Attribute entweder Tautologien darstellten oder unerlaubte
Akzidentien in Gott annehmen ließen. Die in den hl. Schriften vorkommenden
Attribute sind als Wirkungsattribute aufzufassen, die
über das Wesen Gottes nichts aussagen. Von Gott ist uns nur faßlich
, daß er „notwendige Existenz" ist. Auch die biblischen Namen
Gottes sagen nichts über das Wesen Gottes — mit Ausnahme des
Tetragramms, dessen Bedeutung wir freilich nicht kennen. Maimuni
betont, daß göttliches und geschöpfliches Sein homonym sind, Aussagen
über das Wesen Gottes daher unmöglich sind. Daß so eine trini-
tarische Theologie nicht vertreten werden kann, hat Maimuni gesehen;
seine christlichen Kritiker haben darum gegen ihn die Lehre von der
Analogie des Seins verteidigt.

Eckhart zitiert Maimunis Sätze zur Lehre von den Attributen und
Namen Gottes so ausführlich, daß man annehmen muß, er mache sich
Maimunis Ansicht zu eigen. Der Schein trügt hingegen. Die lateinische
Übersetzung des „Führers", die dar wie wugud mit essentia
(oder substantia) wiedergibt, macht es schwer verständlich, daß Maimuni
W e s e n s attribute bekämpft; Eckart Ist ständig verleitet, vermeintlich
mit Maimuni Gott als „notwendiges Wesen" anzusehen.
Andere Formulierungen Eckharts, die den Verdacht nahelegen. Eckhart
trenne sich unter Maimunis Einfluß von den überlieferten Lehren der
christlichen Dogmatik, erklären sich als „locutiones emphaticae", die
als Anreiz zur Frömmigkeit, „Valens ad informationem morum, ad
contemptum mundi, ad amorem dei et ipsum solum amandum" gedacht
sind, aber nicht als systematische Lehraussagen. Der „Bruch im Denken
" Eckharts, der unvermittelt jüdische Lehren neben christliche
Dogmatik gestellt haben soll, erweist sich so als vermeintlich.

Abgesehen von der Gotteilehre ist Maimunis „Führer" für Eckhart
eine Fundgrube geistreicher (aggadischer) Exegesen, die er besondere
bei der Auslegung des Schöpfungsberichts verwendet. Eckhart übernimmt
auch Maimunis Hermeneutik.

Aus Maimunis Ethik bezieht sich Eckhart vornehmlich auf anthropologische
Aussagen des „Führers". In der Anthropologie, der Lehre
von den Engeln und den beseelten Himmelskörpern steht Eckhart
Maimuni näher als in der Gotteslehre. Er folgt dem jüdischen Philosophen
weiter, als es christliche Philosophen und Theologen seiner
Zeit taten, ohne jedoch die vom christlichen Dogma gesetzten Grenzen
zu überschreiten. Eckhart ist an den Aussagen Maimunis viel
stärker religiös-praktisch interessiert als an einer abwägenden Auseinandersetzung
mit dem System Maimunis.

Helzle, Eugen: Der Schluß des Markusevangeliums (Mk 16,9—20)
und das Freer-Logion (Mk 16, 14 W), ihre Tendenzen und ihr gegenseitiges
Verhältnis. Eine wortexegetische Untersuchung.
Phil. Diss. Tübingen, 1959. IV, 212 S.

1. Fragestellung und Methode

Ausgehend vom Nachweis der „Unechtheit" hat man den Mks
(= Markusschluß = Mk 16, 9—20) als „schlechte und späte Kompilation
" (E.Norden, Agnostos Theos 1913, S. 273 A. 1) und das F
(= Freer-Logion) als Zeugnis aus dritter Hand gewertet. Demgegenüber
mußte eine Neuorientierung als Ausgangspunkt für die Auslegung
gewonnen werden. So sehr am Ergebnis der späten Abfassung
— für den Mks wohl die Zeit nach 100, für das F etwa die Mitte bis
Ende des zweiten Jahrhunderts — festzuhalten ist, so wenig besagt
das etwas Negatives; in beiden Texten liegt vielmehr „altes" Gemeindegut
des zweiten Jahrhunderts vor.

Die Interpretation gehen wir mit der philologischen Methode an,
d. h. wir untersuchen in sprachlicher Kleinarbeit jedes Wort, vergleichen
es mit anderem einschlägigen Material (besonders im NT)
und versuchen so, den Hintergrund beider Texte zu erhellen. Dieses
Vorgehen soll durch den Untertitel der Arbeit „Eine wortexegetische
Untersuchung" angedeutet werden.

2. Der Markusschluß

Für den Mks läßt sich die bereits früher gesehene Abhängigkeit
von der lukanischen Tradition durchgängig aufzeigen. Das gilt selbst
für zwei Stellen, die auf nichtlukanische Perikopen zurückgehen, nämlich
für die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena
(Mks v. 9), die verkürzt nach dem vierten Evangelium geboten wird
(Joh 20, 11—18), wobei aber die Gestalt der Maria unverkennbar mit
einer Wendung aus dem Lukasevangelium (8, 2) charakterisiert wird;
ebenso für den Missionsbefehl (Mks v. 15), dem Resume aus Mt 28,
18 ff., der zwar in der sprachlichen Formulierung keine Anspielung auf
Lukas zeigt, wohl aber in der Darstellung des Missionsmotivs, das nach
lukanischem Vorbild entgegen Mt 28,20 mit der Parusie de6 Herrn
überhaupt nicht mehr verbunden ist. — Auch in dem ausgeprägten
Wunderglauben (Mks v. 17 f.) zeigt sich der Mks von der Lukastradition
abhängig, was besonders bei der Glossolalie deutlich wird, wo nicht
die kritische Wertung des Paulus (bes. 1. Kor. cc 14. 15), sondern die
positive des Lukas belegt ist, der damit bereits in der Mission arbeitet
(vgl. Ag 19, 6 f.).

Wenn die eine oder andere Wendung des Mks zunächst auch an
die paulinische Theologie erinnern könnte, so wird gerade hier der
weite Abstand von Paulus deutlich. So prägt de;- Mks den paulinischen
Begriff des motevov in einem mehr vordergründigen Sinn zum
moxevoas um, macht also aus dem „Glaubenden" einen „Gläubigen",
der einmal zum Glauben gelangt ist, und zeigt sich darin abermals der
zwischenzeitlichen „Kirchen"-Theologie des Lukas verpflichtet. Noch
deutlicher wird das, wenn er sagt, daß die Missionsarbeit durch die
Jünger vom „Mitwirken des Herrn" (Mks v. 20) begleitet ist. Zunächst
denkt man zwar an die „Mitarbeiter Gottes" bei Paulus in 1 Kor 3, 9.
Während sich aber dort die Missionare als Mitwirkende mit dem alleinwirkenden
Gott wissen, spricht der Mks nur vom bestätigenden Mitwirken
des Kyrios bei der weithin selbständigen Mission der Gemeinde.
Das Motiv erinnert abermals an Äußerungen der lukanischen Theologie
, in der das verselbständigte Tun der Gemeinde breit belegt ist.

Auch für die Zeitanschauung liegt da6 erstmals von Lukas gegebene
Zeitschema der zwischenzeitlichen Kirchenepoche im Mks zugrunde
. Auferstehung, Himmelfahrt und Thronbesteigung des Herrn
werden vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der in der Zwischenzeit
lebenden Gemeinde apologetisch verteidigt (besonders mit dem Motiv
des „Unglaubens" Mks v. 11.13. 14) und missionarisch verbreitet. In
der Betonung der gegenwärtigen Erfüllung überbietet dabei der Mks
noch die lukanische Theologie, wenn die eschatologische Erwartung zur
Mi6sionspredigt vom „letzten Gericht" verblaßt, in dem der einzelne
ganz individuell da6 Heil erhofft oder das Verderben zu befürchten hat
(Mks v. 16).