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Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

467-468

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Haufe, Günter

Titel/Untertitel:

Jesu persönliche Zukunftserwartung und der Ursprung der ältesten christlichen Osterterminologie 1960

Rezensent:

Haufe, Günter

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

468

Systems ist der II. Teil der Arbeit gewidmet („Das System der Heilsgeschichte
"). Zugleich erfahren auch Rothes kirchengeschichtliche Arbeiten
hier ihre Einordnung: sie haben ihre Formprinzipien in den von
der spekulativen Geschiditskon6truktion bereitgestellten Deutungskategorien
. Ein III. Teil („Standortbestimmung und Gegenwartsanalyse")
ist Rothes Ethik sowie 6einem kirchenpolitischen Wirken gewidmet.
Beide ruhen auf einer geschichtstheologisch begründeten Standortbestimmung
der Neuzeit und der eigenen Gegenwart: die von der
Kirche 6ich emanzipierende moderne Welt wird von Rothe gedeutet als
Wirkung und Stadium der weltverwandelnden, welterlösenden Christentumsgeschichte
.

Bornkamm, Karin: Luthers Auslegungen des Galaterbriefes von
1519 und 1531. Diss. Tübingen 1959. 348 S.

Die Arbeit sucht an Hand der beiden in sich geschlossenen, dem
gleichen Text zugewandten Auslegungen einen Einblick in das Verhältnis
der früheren und späteren Theologie Luthers zu gewinnen. In
Gegenüberstellung zur wichtigsten exegetischen Tradition — Augustin,
Hieronymus, Ambrosiaster, Glossa, Lyra, Faber — und die exegetischen
Sinneinheiten möglichst beibehaltend wird der Vergleich an folgenden
Problemkreisen durchgeführt: Luthers Verständnis des Apostolates
(Kap. I und V), der Gedankenkreis der Rechtfertigung, der Luthers Verständnis
des Heilsgeschehens in sich schließt (Kap. II), Erscheinung und
Überwindung der Anfechtung (Kap. III), Inhalt und Erfüllung des Gesetzes
(Kap. IV). Es ergibt sich, daß das Gemeinsame bei weitem überwiegt
, gedankliche und sprachliche Differenzen erweisen sich als sachgemäße
Weiterentwicklungen.

Als beherrschend für das Verständnis des Kommentars von 1519
zeigt sich Luthers Ansatz im hermeneutischen Fragenbereich, das
augustinische Begriffspaar litera - Spiritus zieht sich — in wechselnder
Bedeutung — durch die gesamte Auslegung hindurch. Alle einzelnen
Problemkreise sind von hier aus durchgedacht: die Autorität des Apostolates
ist verknüpft mit der Echtheit der apostolischen Verkündigung,
deren Wahrheit nur dem Hörenden offenbar wird; die Rechtfertigung
ist entfaltet als geistliches Verstehen — das Ineinander von systematischer
und hermeneutischer Verwendung der Begriffe litera und Spiritus
wie ihre christologische Interpretation wird hier besonders sichtbar —,
Luthers Verständnis des Werkes Christi fügt sich ein; mit der Konzentration
auf das Wort ist die Anfechtbarkeit des Glaubens gegeben;
die Heiligung entspringt dem Akt des Verstehens, Forderung und Erfüllung
des Gesetzes spiegeln Luthers Verständnis der im Hören
empfangenen Gerechtigkeit, ebenso der von ihm geltend gemachte Maßstab
für das glaubende Handeln.

1531 ist die Thematik breiter, die Themenfolge lockerer, die
Sprache reicher und z. T. eigenständiger. Auffällig ist zunächst die
weite Teile der Vorlesung beherrschende Durchbildung der eigenen
christologischen Aussagen, verbunden mit dem Bemühen, sie im Rahmen
des altkirdilichen Dogmas zu entfalten und mit traditionellen Begriffen
zu fassen. Hinzu tritt, veranlaßt durch die Auseinandersetzung
mit den Schwärmern, die stärkere Betonung vergewissernder Elemente
— des ordentlichen Amtes, des Schriftprinzips, der reinen Lehre, der
Sakramente, der Kirche — und das Einbeziehen der ganzen Breite weltlichen
Handelns in Luthers Ausführungen über das Gesetz. Innerhalb
der einzelnen Fragenkreise ergeben sich von hier aus Akzentverschiebungen
: die Rechtfertigung wird vorwiegend entfaltet als Einbezogen-
werden des Glaubenden in die Geschichte Christi (Christus als maxima
personal); als Maßstab des Handelns erscheinen an Stelle des Liebesgebotes
weitgehend die vom Schöpfer gesetzten Ordnungen; die Überwindung
der Anfechtung bildet das Grundmotiv der gesamten Auslegung
, wobei Amt, Kirche und Schrift eine größere Rolle spielen als
1519. Die Einzelinterpretation zeigt jedoch, daß der 1519 zwischen
Wort und glaubendem Verstehen gespannte Rahmen, der alle Aussagen
■mschloß, 1531 an keiner Stelle gesprengt wird; auch die schon häufig
festgestellten dogmatischen Verfestigungen in der Theologie des späteren
Luther ordnen sich ihm ein. Die weitgehend zu beobachtende
Ablösung des hermeneutischen Denkansatzes durch eine stärker christo-
logisch bestimmte Durchführung der einzelnen Themenkreise läßt erkennen
, wie eng für Luther Hermeneutik und Christologie ineinander
liegen.

Haufe, Günter: Jesu persönliche Zukunftserwartung und der Ursprung
der ältesten christlichen Osterterminologie. Diss. Leipzig
1959. VI, 263 S.

Das 1. Kapitel bietet eine kritische Untersuchung sämtlicher synoptischen
Leidensweissagungen Jesu. Es kommt zu dem Schluß, daß nur
eine unbestimmte Ankündigung vom Viel-Leiden und Verworfenwerden
des Menschensohnes auf Jesus selbst zurückgeht (vgl. Mk. 8,31a;
Lk. 17,25); eine ausdrückliche Todesvoraussage Jesu fehlt. Das 2. Kapitel
untersucht die Auferstehungsweissagungen. Religionsgeschichtliche

wie innerneutestamentliche Kritik führen zu dem Ergebnis, daß sie
sekundäre Bildungen auf Grund des Osterkerygmas sind. Die von
ihnen unabhängigen Parusieweissagungen dagegen dürfen als ursprünglich
gelten. Ein kurzes 3. Kapitel entfaltet das damit gegebene doppelte
Problem: a) auf welche Weise hat dann Jesus seinen Übergang in die
himmlische Menschensohnexistenz erwartet?, und b) woher stammt
dann die alte Osterterminologie von der „Auferweckung" Jesu?

Die erste Frage wird vom 4. Kapitel mit der sog. Entrückungs-
hypothese beantwortet. Sie hat ihren religionsgeschichtlichen Grund in
dem jüdischen Dogma, daß nur solche historische Personen als eschato-
logisch bedeutsame Gestalten inthronisiert werden und am Ende der
Tage wiederkehren können, die zuvor auf dem Wege der Entrückung
in die himmlische Welt eingegangen 6ind (speziell für den Menschensohn
vgl. Henoch Kap. 71). Daraus folgt: hat sich Jesus für den kommenden
Menschensohn gehalten, so muß er seine Entrückung aus der
Tiefe seines Leidens erwartet haben. Ein Anhaltspunkt dafür könnten
Mk. 2, 20 sein und Mk. 1 5, 34, wo Jesus am Kreuze an Gottes Plan
verzweifelt, da die erwartete Entrückung nicht erfolgt. Wer die Ent-
rückungshypothese ablehnt, muß auch das messianische Selbstbewußtsein
Jesu ablehnen, da er Jesu Übergang in die himmlische Menschensohnexistenz
nicht begreiflich zu machen vermag

Die zweite Frage versucht das 5. Kapitel zunächst dadurch zu klären
, daß es die Auferweckungsterminologie mit der Erhöhungsterminologie
vergleicht und zeigt, daß die erste eine völlig selbständige Terminologie
neben der zweiten ist und wie diese ihren speziellen theologischen
Sinn besitzen muß. Weiter wird nachgewiesen, daß die Auferweckungsterminologie
weder der Vorstellung vom leeren Grabe
— diese ist jünger — noch den Ostererscheinungen — diese trugen nur
den Charakter der Damaskus-Vision — entspringt. Endlich wird gezeigt
, daß der spezielle theologische Sinn der Auferweckungsterminologie
in der in der urchristlichen Naherwartung begründeten Überzeugung
liegt, daß das Ostergeschehen der erste Akt des Endgeschehens,
die „Auferweckung" Jesu der Anfang der allgemeinen Totenauferwek-
kung sei. Wo die urchristliche Naherwartung verblaßt und die Auferweckungsterminologie
nicht als bloße Formel weitertradiert wird, tritt
an die Stelle der letzteren entweder eine andere, nichteschatologische
Terminologie (vgl. z. B. das „Hinübergehen"' Jesu im Joh.-Ev.) oder
die Überzeugung, Jesus sei noch gar nicht auferstanden, sondern werd«
erst in der eschatologischen Totenauferstehung aller mitauferweckt
werden (vgl. die kleinasiatischen Judenchristen nach Ignatius, Epipha-
nius und dem Freer-Logion).

Hegermann, Harald: Schöpfungsmittler und neue Welt. Exegetische
Studien zur Theologie des hellenistischen Urchristentums vor
und neben Paulus. Habil.-Schr. Halle 1957. 247 S.

Die Werke Philos von Alexandrien zeugen nicht nur von seinen
eigenen Lehranschauungen, sondern weithin auch von solchen seiner
geistigen Vorgänger und Zeitgenossen, und die letzten verdienen
zweifellos die größere Aufmerksamkeit. Denn während Philo selbst in
seiner Zeit möglicherweise ein Einzelgänger ohne großen Einfluß war.
repräsentieren die Kreise, die hinter Philo sichtbar werden, in gewissem
Maße das alexandrinische Judentum der neutestamentlichen Zeit, von
dem entscheidende Wirkungen in die griechisch sprechende Diaspora
jener Zeit ausgegangen sind. Die Auswertung der Werke Philos als
Quelle für die Kenntnis der Kreise hinter Philo ist somit eine wichtige
und noch keineswegs erledigte Aufgabe, deren Inangriffnahme auch
dem besseren Verständnis des vielumstrittenen Philo dient und wertvolles
Material erschließen kann für das Verständnis der Entstehung
des hellenistischen Urchristentums. Die vorliegende Arbeit möchte in
ihrem ersten Teil (A. Philo und sein Kreis) zur Erledigung dieser
Aufgabe beitragen. Die wichtigsten Ergebnisse: t. Die zeitgenössischen
Mysterienreligionen sieht Philo mit seinen Kreisen als eine geschlossene
Bewegung, die scharfe Ablehnung verdient; man bekämpft sie mit ihren
eigenen Schlagworten, indem man die Mysterienbegriffe in den Dienst
der jüdischen Predigt von Frömmigkeit und Tugendstreben stellt. 2. In
diesem Sinne verkündet eine exegetische Tradition der Kreise hinter
Philo das Hcilsgeschchen am Sinai — und in abgeleitetem Sinne im ganzen
AT — als das eine, wahre Mysterium, das die geheime Herrlichkeit
des Gottesvolkes begründet: Israels politeuma ist im Himmel. 3. Der
Kern des „Mysteriums" am Sinai ist die Epiphanie des Logos, der göttlichen
Dynamis; eine weitere exegetische Tradition, die Deutungstradition
zum Hohepriestergewand, beleuchtet diese Logosvorstellung
näher. Es liegt eine stoisch-dynami6tische Allgottvorstellung in jüdi6ch-
theistischer Umgestaltung vor. Der Logos ist die weltschaffende, welterhaltende
göttliche Dynamis, die oberste Gotteskraft, der Schöpfungsmittler
, durch den alle Dinge sind. 4. Eine dritte exegetische Tradition
dieser Kreise deutet die Gottes- und Engelcrscheinungen des AT nebst
verwandten Texten auf die Logosgcstalt; hier gewinnt der Logos
engelartig-personhaftc Konkretheit und eminente heilsgeschichtlichc
Bedeutung.