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Ausgabe:

1960

Spalte:

464-466

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Berndt, Bruno

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der Person und Verkündigung Jesu für die Vorstellung vom Reiche Gottes bei Albrecht Ritschl 1960

Rezensent:

Berndt, Bruno

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463

Theplogifidie Literaturzeitung 1960 Nr. 6

464

Thielicke, Helmut: Über die Dringlichkeitsstufen in der kirchlichen
Verkündigung.
Pastoralblätter 100, 1960 S. 68—70.

Thomas, Klaus: Neue Wege der Krankenseelsorge in der Ökumene.
Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 55—57.

Thurneysen, Eduard: Fürsorge — Seelsorge. Vortrag, gehalten
an der Generalversammlung des Schweizerischen Evangelischen Verbandes
Frauenhilfe in Basel am 22. 9. 1959. Zollikon: Evang. Verlag

[1959]. 20 S. 8°. DM 1.80.
Voigt, Gottfried: Die Sprache der Predigt.

Pastoralblätter 100, 1960 S. 131 —142.
Wagner, Heinz: Neue Wege der Verkündigung.

Die Zeichen der Zeit 13, 1959 S. 449—455.

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Bäumler, Christof: Der Begriff der Geschichte in der Theologie
Karl Barths. Diss. Tübingen 1959. 167 S.

Der Begriff der „Geschichte" wird in der gegenwärtigen theologischen
Auseinandersetzung sehr verschieden verwendet. Dabei ist die
Verwendung dieses Begriffes von dem, was man gemeinhin unter Geschichte
versteht, oft so entfernt, daß man gelegentlich von „Irreführung
" und „Falschmünzerei" reden zu müssen meinte, die manche
Theologen der Gegenwart mit den Begriffen „Geschichte" und „geschichtlich
" trieben.

In der vorliegenden Arbeit wird versucht, dem Gebrauch des Wortes
Geschichte bei Karl Barth nachzugehen. Die entscheidende These
der Untersuchung lautet: „Geschichte" ist bei Barth ein theologischer
Begriff, der von der Christologie her bestimmt wird.

Im darstellenden ersten Teil der Arbeit wird diese These entfaltet
und aus den Veröffentlichungen Karl Barths, vor allem aus den
bis 1958 erschienenen Bänden der „Kirchlichen Dogmatik", ausführlich
begründet. Nach einer kurzen Besinnung auf den ursprünglichen, durch
das Wort „Urgeschichte" gekennzeichneten Ansatz Karl Barths, wird
das eigentliche Problem herausgearbeitet. Barth kennt zwar nur einen
Begriff von Geschichte. In ihm sind aber eine historische und eine
praehistorische Komponente miteinander verklammert. Wie erfolgt
diese Verklammerung? Wird eine Ontologie entworfen, die die gesamte
Wirklichkeit einschließlich der historischen und der praehistori-
schen Komponente der Geschichte umfaßt? Karl Barth's Antwort auf
diese Frage lautet: Geschichte ist als theologischer Begriff nur von der
Versöhnung her zu verstehen.

In fünf Punkten wird diese Behauptung auseinandergelegt:

1. Schöpfung zielt auf Geschichte.

2. Die Geschichte des Gnadenbundes.

3. Jesus Christus ist das Geheimnis der Geschichte.

4. Überprüfung des gewonnenen Ergebnisses an den Begriffen
von Raum und Zeit.

5. Der Zusammenhang des Begriffes „Geschichte" mit der Tri-
nitätslehre m der Theologie Karl Barths.

Das eigentliche Gewicht dieses Abschnitts liegt bei Punkt 3, der
Folgendes beinhaltet:

a) Jesus Christus faßt als vere Deus vere homo Heilsgeschichtc
und Weltgeschichte zusammen.

b) Wie die Rangordnung vere Deus — vere homo, so ist auch
die Rangordnung Heilsgeschichte — Weltgeschichte unumkehrbar
.

c) Die Überwindung der Distanz zwischen Heilsgeschichte und
Weltgeschichte ist letzten Endes nur von der Versöhnung
her zu verstehen.

In einem zweiten Teil der Arbeit geht es um die Auseinandersetzung
mit diesem Geschichtsbegriff. Zunächst wird festgestellt, was
Friedrich Gogarten, der in seiner Schrift „Gericht odeT Skepsis" im
Jahre 1936 die schärfste Kritik an Karl Barth in dieser Sache geübt
hatte, 6elbst unter' Geschichte versteht. Auch für ihn gibt es nur
eine Geschichte, die zwei Aspekte hat: den des Glaubens oder den
der Vernunft. „Geschichte" ist für Gogarten also ein formales Existen-
tial, das inhaltlich vom Glauben oder von der Vernunft bestimmt wird.

Von dieser Position aus wird an Karl Barth die Frage gerichtet,
ob nicht sein Verzicht auf eine ontologische Klärung des Begriffes Geschichte
zur Folge habe, daß er eine christlich verkleidete Identitätsphilosophie
, einen geschichtsloscn Monismus vortrage. Neben Friedrich
Gogarten kommen als Wortführer dieser Anfrage, wenn auch teilweise
von ganz anderen Voraussetzungen als Gogarten ausgehend, Albrccht
Oepke, Paul Althaus, Helmut Thielicke und Gustaf Wingren zu Wort.

Um diese kritischen Anfragen richtig beantworten zu können, wird
Karl Barths theologische Methode im Anschluß an seine Arbeit „Fides
quaerens intellectum" kurz dargestellt und durch einen Exkurs über
•eine Exegese von Joh. 1,14 ergänzt. Von da her erfährt die gegen
Barths Geschichtsbegriff vorgetragene Kritik eine starke Modifizierung.

Im zusammenfassenden Schlußabschnitt wird festgestellt:

1) Barth geht bei der Erstellung seines Geschichtsbegriffcs nicht

von der abstrakten Idee eines „Gottes an sich", sondern von der
Christologie aus.

2) Barths eigentümlicher, weniger logisch entfaltender als vielmehr
meditativ darstellender Denkstil gibt auch seinem Begriff
von der Geschichte etwas Schwebendes.

3) Dabei ist auch bei der Betrachtung seines Geschichtsbegriffs sehr
zu beachten, daß Barth Jesus Christus niemals als den Mittelpunkt
eines geschlossenen Systems ansieht. Die offene Situation
der Verkündigung verbietet abstrahierende Festlegungen.
So wird Geschichte geradezu zu einer Grundkategorie der Theologie
Barths.

4) Ist der Theologe, der sich über seine Begrifflichkeit Rechenschaft
ablegen muß, Wissenschaftler und Prediger zugleich, so
muß man von Barth sagen, daß der Prediger den Wissenschaftler
bestimmt.

5) Der historischen Komponente in der Geschichte wird Barth
nicht ganz gerecht, weil er zu gerne die Grenze des Glaubens
zum Schauen hin überschreiten möchte.

B e r n d t, Bruno: Die Bedeutung der Person und Verkündigung Jesu
für die Vorstellung vom Reiche Gottes bei Albrecht Ritschi. Diss.
Tübingen 1959. 191 S.

Ritsehl hat im Gegensatz zur traditionellen Deutung des Opfertodes
Christi als Satisfaktion seine Erlösungslehre ausschließlich im Bereich
der Verkündigung Jesu verankert. Dieser Schritt wird zweifach
gerechtfertigt:

a) die Verknüpfung der Erlösungslehre mit dem Opfertode Christi
führt zu einem Rechtsverhältnis zwischen Gott und Mensch,
was Ritschi ablehnt;

b) die traditionelle Erlösung6lehre enthält keinen direkten Bezug
zur Welt.

Beide Mängel will Ritsehl dadurch abstellen, daß er im Rahmen
der Verkündigung Jesu die Sündenvergebung als Verzeihung versteht
und dabei gleichzeitig die herkömmliche Abfolge Versöhnung — Rechtfertigung
genau umkehrt; gleichzeitig verspricht er sich von dieser
Neuerung eine Überwindung des Individualismus zu Gunsten einer
echten Gcmcinschaftsvorstcllung. Hier setzt die Kritik von Fr. H. R.
v. Frank ein.

Durch die Lehre vom Reich Gottes soll nun der andere Mangel
, beseitigt werden und die sittliche Selbsttätigkeit in Befolgung des
Sittengesetzes die Herrschaft über die Welt demonstrieren. Hier setzt
die Kritik von Joh. Weiß ein.

Mit Hilfe dieser beiden Brennpunkte (Erlösung und Reich Gottes)
hat Ritsehl die doppelte Bestimmung des Christentums ausgedrückt:
sie ist „eminent sittliche Religio n".

Im Hauptteil der Arbeit werden dann Ritschis Lehren von der Erlösung
, vom Reiche Gottes und von Christus als dem Offenbarer Gottc*
und dem Versöhner der Gemeinde im einzelnen dargelegt; exegetische,
systematische und theologiegeschichtliche Fragen werden entsprechend
ihrer Wichtigkeit mehr oder weniger ausführlich behandelt.

In der Kritik wird Ritschis Position zunächst an den theologischen
Konzeptionen von R. Bultmann, M. Dibelius und derjenigen der konsequenten
Eschatologie gemessen. Weiter werden Rit6chl6 Gedanken
mit den gegenwärtigen Bemühungen hinsichtlich eines neuen Verständnisses
der Verkündigung Jesu verglichen, um das sich G. Bornkamm.
E. Fuchs, E. Käsemann, N. A. Dahl, E. Hcitsch, H. Diem und H.-E.
Tödt in seiner Heidelberger Dissertation über die „Hoheirs- und
Niedrigkeitsvorstellungen in den synoptischen Menschensohnsprüchcn"
bemüht haben.

Insgesamt werden Ritschis Intentionen bejaht; doch wird seine
Grundthese von der Einheit der Lebens- und Todesabsicht Jesu durch
die von Tödt herausgearbeitete doppelte Grundlage der neutestament-
lichen Christologie (Vollmachts/Mcnschcnsohn- und Präexistcnz/Nie-
drigkeitschristologie) total verändert und so u. a. jeglicher philoso-
phisch-erkenntnisthcoretischcr Einfluß auf theologische Fragestellungen
unterbunden. _