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Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

455-456

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Miskotte, Kornelis Heiko

Titel/Untertitel:

Zur biblischen Hermeneutik 1960

Rezensent:

Beintker, Horst

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455

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

456

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

M i s k o 11 e, Kornelis Heiko: Zur biblischen Hermeneutik. Aus dem
Holländischen übers, v. H. S t oe v e s a n d t. Zollikon: Evangelischer
Verlag [1959]. 56 S. 8° = Theologische Studien, hrsg. v. K.Barth
und M. Geiger, H. 55. DM 4.<fe

Eine Zusammenfassung *ermag oft mehr zu 6agen als ein
voluminöser Band. Dem Leidener Ordinarius für Systematik
K. H. Miskotte ist der Überblick über die Ergebnisse des Ringens
um das rechte Verständnis der Heiligen Schrift in diesem Sinne
gelungen, wenn auch nicht immer vollständig genug in der Ausführung
. Es bleibt manches als Andeutung stehen und der sachvertrauten
Ergänzung überlassen. Vier Vorträge (ursprünglich
Rundfunkvorträge im Rahmen eines theologischen Rundfunklehrganges
, der in Holland als ständige Einrichtung besteht) behandeln
die Biblische Hermeneutik, die Miskotte als „das wahre
Quellgebiet" auch für „erkenntnistheoretische Einsichten", als
eine Art theologische „Erkenntnislehre" (3) bezeichnet. In einer
angefügten Predigtskizze „Abermals einen Tag" (42—56) zu
Luk. 4,21 und Hebr. 4,7 kommt als „Skizze einer Lehrpredigt
" die Aufgabe rechten Verstehens noch einmal zur praktischen
Darlegung, konzentriert um das „Heute der Gnade" (53).

Ein ständiger Orientierungsort ist — erfreulich genug! —
Luthers hermeneutischer Ansatz. Der erste Vortrag skizziert
die Geschichte der Hermeneutik im 18. und 19. Jahrhundert
(Hamann, Herder, W. v. Humboldt, Schleiermacher, Dilthey) und
ihre allgemeine Bedeutung: „es ist kein Zufall, daß die Blüte der
Hermeneutik ihren Ursprung in der Theologie hat, namentlich in
der reformatorischen" (4). Luthers Sendbrief vom Dolmetschen,
die Vorreden zur Heiligen Schrift, die „noch heute dringend zu
empfehlen sind" (6) (!) und besonders das berühmte Vermächtnis
Luthers, das mit dem „Wir sein pettler. Hoc est verum"
schließt, werden einer Exegese unterzogen, bei der Bultmann und
E. Fuchs mitgehört sind, und von da wird als „erste hermeneu-
tische Regel" das „scriptura scripturae interpres" herausgestellt:
„Nichts kann recht verstanden werden, wenn wir nicht die
Worte, Bilder, Gedanken, Wendungen hören aus diesem bestimmten
Raum, dieser Sphäre, diesem Lebensganzen im Sprachganzen,
in ihnen und auf sie hin. Hermeneutik, angewandt auf eine
Schriftstelle, muß der Schrift entlehnt sein, muß aus dem Bereich
ihres Lebens, ihres Lichtes, ihrer sonderlichen Wahrheit hervorgehen
. Ihre fremdartige und doch evidente Voraussetzung ist:
dieser Raum ist ein Sonderfall, wie Gott selbst sich zu einem —
Sonderfall gemacht hat" (10). — Daß diese Interpretationsregel
keine Tautologie, kein „Zirkelschluß" ist, zeigt überzeugend der
zweite Vortrag. Von einem Zirkel ist keine Rede, weil „Schrift"
und „Schrift" in dieser Regel — die Schrift wird dann „schriftgemäß
ausgelegt, wenn die Auslegung in Übereinstimmung mit
der Schrift ist" — zweierlei Sinn hat: „1.) die einzelne Sdirift-
stelle, 2.) die Totalität" (11). Die Totalität der Schrift findet
man aber nicht durch „Addition", sondern durch Suche der
„Dominante des Ganzen" (ebd.). Das ist „die Wahrheit
, auf die sowohl Teil als Ganzes bezogen sind und von der
eie je nach ihrer Art Zeugnis geben".

Im dritten Vortrag — wir können nur das Wichtigste angeben
— geht es einerseits um K. Barths Kirchliche Dogmatik
„als Hermeneutik" und andererseits um „Konturen und Strukturen
der Schrift, wie die moderne Bibelwissenschaft 6ie an den
Tag gebracht hat". Beides findet der Verf. als in den Spitzenleistungen
systematischer und exegetischer Theologie zusammenstimmend
und exemplifiziert es an Barths KD III, 1 und G. v.
Rads Theologie des AT, Bd. I. Der vierte Vortrag führt die
„Theorie der Kunst des Dolmetschens, die nicht nur auf die
Schrift angewandt wird, sondern ihr auch entlehnt ist — ihr, d.h.
dem Skopus ihrer Totalität, den Strukturen ihrer Denkform und
der ihr eigentümlichen Sprache..." (31), auf einige exegetische
und dann dogmatische Hauptfragen angewandt, knapp vor. Allerdings
ist der Verf. dabei ganz von K. Barths theologischer Denkweise
bestimmt, der es in einzigartiger Weke vorbehalten sei,
den v e s t i g i a der Offenbarung Gottes zu folgen. Die „Macht
von Barths Kirchlicher Dogmatik" bestehe in dem „rechten Gebrauch
der Schrift". Was die Väter in der Dogmatik so nicht

konnten, Barth bringt „hermeneutische Konsequenz" auf (36):
in der Gotteslehre, in der Lehre vom Menschen, von der Prädestination
, in der Lehre von der Sünde. Barths Dogmatik sei
„eigentlich nur dadurch neu", daß sie „strikt und 6treng, exklusiv
und treu auf einer biblischen Hermeneutik beruht" (38).
„Mitif solcher Konsequenz ist das noch niemals in der Geschichte
der Kirche unternommen worden wie bei Barth" (39).

Der Standpunkt des Verfs. bekommt so — u. E. übertreibende
— Konturen. Allerdings werden wir die Hermeneutik
Barths genauer zu beachten haben, als es mancherorts erfolgt,
aber in der Kürze der fast nur als Aussage zu bewertenden Schrift
überzeugt Miskotte letztlich nicht. Die Auslegung des Vermächtnisses
von Luther scheint mir nicht frei von einem angetragenen
modernen Verständnis in der Offenbarung6frage. Als Ganzes ist
dies Heft zur Einführung in das Gegenwartsproblem biblischer
Hermeneutik recht brauchbar und dürfte mit Dankbarkeit bei den
im weiteren Sinne Interessierten Aufnahme finden.

Greifswald Horst Be i n I k e r

Come, Arnold B.: Human Spirit and Holy Spirit. Philadelphia:
Westminster Press [1959]. 208 S. 8°. Lw. $ 4—.

This book is a study of the Doctrine of the Holy Spirit
written from a new Standpoint, for it does not approach its main
theme until the second-last chapter. After two preliminary chap-
ters, the author embarks on a study of human 6pirit which he
develops 6lowly and somewhat deviously through the five central
chapters of the book. Only then is God as Spirit made the
direct theme of study.

The epistemological approach here represented is quite a
legitimate one for Christian theology, inasmuch as the coneep-
tion of man developed is no humanistic one, but is drawn from
the Christian revelation itself, worked out so that its logical
implications are disclosed, the results being from time to time
checked by an intelligent reference back to the Biblical sources.
The outlook is that of a discerning biblicism, which doe6 not
scorn the Christian insights of Kierkegaard, and acknowledges
the Stimulus of modern secular anthropology and psychology.
In these earlier chapters the Biblical coneeption of man as a
spiritual body-soul unity is expounded, fant through a consid-
eration of the various relevant Hebrew terms, and then through
a study of the New Testament, and especially of the Pauline
terminology, whose affinity, contrary to appearance, is seen to
be less with Greek thought than with the Hebrew outlook.

Though there is, as stated, something new in this approach,
we are reminded by Dr. Come of Calvin's doctrine that our
knowledge of God has always its correlative in our knowledge
of ourselves; and he indicates his sympathy, though not his
entire agreement, with Bultmann's assertion of the importance
of our selfunderstanding as counterpart to our existential under-
standing of God. It remains to be 6aid that this new Standpoint
does appear to yield a fresh insight into God's personal approach
as Spirit to man, a truth which might not have been 60 clearly
brought out if the customary direct handling of the Biblical
material on the Divine Spirit had been employed, as so offen in
the past.

In a chapter called "Spirit as Life with God and Neighbour",
the author describes how man was created, and exi6ts for, a Iife
in communion with other men, and with God, from confronta-
tion with whom he cannot escape. It i6 God's nature, as Spirit,
to deal with His children in a fully personal manner, never in-
vading them with an impersonal grace, nor breaking down the
frontiers of their personality. In the last chapter the relationship
of God to man as Spirit to 6pirit is rather 6trangely described
as a "Commonwealth of Spirit", this term being chosen rather
than "fellowship", "communion" or "partieipation" to describe
the gracious covenant-relationship of God with His people who
are bound to Hirn by faith. There is at this point a penetrating
criticism of elements in the thought of Paul Tillich and L. S.
Thornton, both of whom Dr. Come accuses of finally describing,
contrary to their own intention, the rclations of God to
redeemed humanity in term6 implying a sub-personal relationship
.