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1960 Nr. 6

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

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Leben und Denken, „eine Erklärung seines Wesens, seiner Methode
, seiner Art, und über dieses einen Bericht von seiner Zeit",
insbesondere ,,ein großes Zeugnis für die 6chlesische barocke
Welt, in welcher der Schuster Jacob Böhme ein zentraler Punkt
gewesen ist". „Sie gehören zu den besten Quellen, die wir über
ihn besitzen; es sind im Gegensatz zur Franckenbergischen Vita
und den Koberschen Angaben eigenhändige, .primäre Quellen' ".
An mancherlei Beispielen werden die6e Sätze sehr anschaulich und
lebendig erläutert. Bemerkenswert ist dabei der Hinweis auf die
Bedeutung des geistlichen „Prozesses" Böhmes für seine theoso-
phische Erkenntnis und die allerdings fragliche abschließende
Feststellung, daß Böhmes Briefe „pansophische Traktate sind,
die ins Biblische hinüberlenken, bis sie von Brief zu Briefe ausgesprochener
theosophische Traktate werden". Nur August Faust
war von der Notwendigkeit überzeugt, die Frage der handschriftlichen
Überlieferung und der Zuverlässigkeit der Texte von 1730
zu erörtern. Er hat auch die Abbildungen auf den Kupfern in
seine Betrachtungen einbezogen; aufschlußreiche Bemerkungen
finden sich z.B. über die Art der Darstellung des heliozentrischen
Weltbildes Böhmes oder über die Anregungen, die von den symbolischen
Figuren auf Philipp Otto Runge ausgegangen 6ind.

Es erscheint geboten, auf eine Anzahl von Irrtümern hinzuweisen
. Manche falsche Datierungen insbesondere hätten sich
vermeiden lassen, wenn die gründlichen Untersuchungen Grunsky6
oder die des Rezensenten aufmerksamer berücksichtigt worden
wären. — Die Gesamtausgabe von 1730 wurde von Ueberfeld besorgt
(nicht von Gichtell). Die Morgenröte ist am 27. Januar
(nicht am Neujahrstage) 1612 begonnen worden. Die Zweite
Apologie gegen Tilke schließt ebenso wie ihre Zuschrift mit dem
Darum vom 3. (nicht vom 5.) Juli 1621. Verwirrung kommt in
die feststehende Zählung der „Büchlein" des Weges zu Christo,
wenn als deren zweites nicht das ausdrücklich so genannte
„Andere Büchlein", das Vom heiligen Gebet, gerechnet wird,
sondern das „2. Büchlein" der hier zu einer Schrift vereinigten
beiden Bußtraktatc. Das Gebetbüchlein wurde im Jahre 1624 geschrieben
und kann daher nicht dem am 1. Juni 1622 abgeschlossenen
Traktat Von wahrer Buße zeitlich „an die Seite gerückt"
werden. Die Signatura ist im Februar 1622 beendet worden (im
32. Sendbrief wird von ihr nicht „ak von einem eben vollendeten
" Werk gebrochen). Mit dem Mysterium Magnum hat Böhme
bereits im September 1622 begonnen; es ist keineswegs sein
..letztes vollendetes" Werk, sondern es folgen noch fünf andere,
wenn auch nicht 60 umfangreiche, die er zum Abschluß gebracht
hat. Die „bis anhero der Welt noch unbekandten. . . Send-schrei-
ben" Böhmes herauszugeben, schreibt Franckenberg im Vorwort
der 1658 erschienenen Sammlung, habe ihm nicht geringe Mühe
und Unkosten verursacht. Demgegenüber berichtet Pcuckert,
leider ohne nähere Angaben: „Wir kennen von ihm (Franckenberg
) eine erste Sammlung unserer Sendbriefe aus dem Jahre
1639". Der erste Sendbrief Böhmes, das dürfte jetzt außer Frage
stehen, ist am 18. Januar 1619 (nicht 16181) geschrieben; der
Adressat hieß Carl Ender von Sercha und wohnte zu Leopoldshain
(er kann also nicht Carl von Ender oder gar. wie es einmal
heißt, Carl von Endern auf Gersdorf genannt werden). Böhmes
Anmerkungen zu dem Kaymschcn Buche sind im 8. Sendbrief vom
Jahr 1620 (nicht 1621) enthalten, und seine Bitte um Geheimhaltung
seiner Erkenntnis hat er nicht an Kaym, sondern im
[V Sendbrief an Koschwitz gerichtet. Zu berichtigen sind ferner
folgende Daten: 12. Sendbr. vom 15. August 1622 (nicht 10. Mai
1^21), 23. Sendbr. vom 14. Februar 1623 (nicht 1622), 40.
Sendbr. vom 19. (nicht 20.) Februar 1623, 44. Sendbr. vom
2-April 1624 (nicht Herbst 1623). 55. Sendbr. vom 20. (nicht 4.)
APril 1624.

Zu einem bedenklichen Urteil Peuckert6 muß endlich noch
Stellung genommen werden. Der Weg zu Christo ist als einziges
"<rk Böhmes zu seinen Lebzeiten im Januar 1624 erschienen
und umfaßte die Traktate Von der Buße, Von der Gelassenheit
und Vom übersinnlichen Leben. Die Publikation erregte den
Grimm des Obcrpfarrcrs aufs höchste. Auf sein Betreiben vor
den Rat der Stadt gefordert, sagte Böhme am 26. März 1624 aus,
•>er habe das Buch zum ewigen Leben verfertiget, habe solches
nicht trucken lassen, sondern es habe es einer vom Adel, Hans
Sigismund von Schweinhaus, trucken lassen". Und in seiner I

schriftlichen Verantwortung an den Rat zu Görlitz vom 3. April
1624 erklärte Böhme: „Daß aber der Herr Primarius so heftig
daTwieder donnert..., auch fürgiebet, ich hätte die gantze Stadt
Görlitz 6amt dem Fürstenthum Lignitz damit vergiftet, und dasselbe
ausgesprenget... Darauf gebe ich zur Antwort, daß 6ich
solches mit nichten also verhalte ... Dann erstlich habe ich das
Büchlein selber nicht drucken las«*n; zum andern habe ichs nicht
selber ins Fürstenthum Lignitz äjgesprengct; sondern der Patron
welcher es drucken lassen, Hlft es seinen Freunden und Be-
kanten geschicket." Man wird diese Worte so verstehen müssen,
wie Jecht es getan hat, daß der Weg zu Christo ohne Wissen,
„hinter dem Rücken" Böhmes gedruckt worden ißt und, wie Jecht
hinzufügt, auch „ohne Willen" Böhmes; denn wir wissen aus
seinen Briefen, daß er jeglichen Druck seiner Schriften ausdrücklich
abgelehnt hat. Nun schreibt Böhme in dem ungedruckten
Teil eines Briefes vom 27. Dezember 1623: „Mein Büchlein von
der Buße und das von warer gelassenheit werden in etlichen Tagen
von der presse kommen." Hieraus hat der Rezensent entnommen
, daß Böhme nachträglich, nämlich nicht lange vor dem
Erscheinen des Buches von dem Druck Kenntnis erhalten und ihn
anscheinend auch gebilligt habe. Peuckert aber geht weiter; im
Hinblick auf die Briefstelle bemerkt er zu den Erklärungen Böhmes
in Band 4, Seite [ll]: „Das hört sich doch ganz so an, als
habe Böhme von dem Druck der Schriften wenig oder nichts gewußt
"; und in Band 7, Seite [l l]: „Nun wissen wir aber. . „ daß
Böhme nicht ganz so schuldlos war, wie es biß noch vor kurzem
schien. Er habe, behauptete er vor dem Rate, von dem Drucke
nichts gewußt (! D. Rez.), den habe Schweinichen, ihn vollkommen
übereilend, vorgenommen." Peuckert schließt also aus der
Briefstelle offenbar, daß Böhme nicht erst nachträglich, sondern
von Anfang an um den Druck gewußt und ihn gutgeheißen hat.
Denn anders kann es nicht verstanden werden, wenn Peuckert
mit Bezug auf die angeführten Zeugnisse Böhmes von einer
„Verschleierung" des Tatbestandes (Band 7, Seite [10]) und sogar
von einem Verschulden spricht. Daß Böhme später von dem
Druck erfuhr, darüber brauchte er sich nicht zu äußern; denn es
war für das Geschehene ohne Bedeutung und für den Rat der
Stadt ohne Interesse. Worauf es dem Rat ankam, war die Feststellung
, wer den Druck veranlaßt und damit die angebliche
„Vergiftung" der Gemüter in Görlitz und Liegnitz hervorgerufen
habe, und da6 war nach Böhmes schlichten und klaren Worten
nicht der Verklagte. Man wird Böhme nicht für einen Heiligen
halten wollen (was einige Verehrer getan haben) und man wird
einräumen müssen, daß er in seinen Schriften mit dem orthodoxen
Kirchenglauben und mit den „Maul-" und „Titelchristen" nicht
gerade glimpflich umgegangen ist, aber die Haltung dieses aufrechten
Kämpfers und das Wort dieses wahrhaften Christen, noch
dazu wo er vor Gericht steht, solchermaßen zu verdächtigen,
dies wird schwerlich zu verantworten sein.

Es sei jedoch diese Besprechung nicht mit kritischen Bemerkungen
abgeschlossen, sondern mit dem sie weit überwiegenden
Dank an die Herausgeber und den Verlag, daß sie der Wissenschaft
das noch immer unentbehrliche Quellenwerk von 1730 in
der faksimilierten Neuausgabe wieder zugänglich gemacht haben.

Göttingrn Wnrncr Budileck»

Bremer, J. M.: De plaats van de geschieden)« in de filosofie van
Plotino».

Bijdragen - Tijdschrift voor Filosofie en Theologie 20, 1959 S. 371

bis 397.

C o r e t h, Emerich: Schellings Weg zu den Weltaltem - Ein problemgeschichtlicher
Durchblick.

Bijdragen - Tijdschrift voor Filosofie en Theologie 20, 1959 S. 39«
bis 410.

Schoeps, Haiu-Joachim: Was ist der Mensch? - Die Antwort Sören
Kierkegaards.

Universitas 15, 1960 S. 185—192.
Siegmund. Georg: Gottesglaube und seelische Gesundheit. '

Universitas 15, 1960 S. 201—209.
Vandenbusiche, Franz: De verhouding tussen godsdienst en

metafysica volgens Max Scheler.

Bijdragen - Tijdsdirift voor Filosofie en Theologie 20. 1959 S. 411
bis 427.