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Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

446-448

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Schulte, Raphael

Titel/Untertitel:

Die Messe als Opfer der Kirche 1960

Rezensent:

Stählin, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

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es doppelt schwer, wenn er, der Meister der politischen Geschichte
, Luther im Entscheidenden theologisch versteht
und würdigt: ,,Luthers Tat war es, das Mysterium der urchristlichen
Predigt mit ursprünglicher Kraft zu erneuern, die paradoxe
Lehre von der totalen Verderbnis de6 Menschengeschlechtes
und seiner Erlösung durch den Gottessohn, der in die Welt gekommen
ist, die Sünder und Elenden selig zu machen, nicht aber
die Selbstgerechten und Satten" (so S. 48, in einer 6charf
charakterisierenden Gegenüberstellung von Reformation und
Renaissance). Ritters überall durchklingendes freudiges Ja zu
Luthers reformatorischer Tat schließt die Kritik nicht aus: „Es
gibt auch gefährliche Einseitigkeiten in 6einer Theologie, zumal
in seiner Lehre von Kirche und Staat, ja selbst (wie ich meine)
in seinem Bibelverständnis, die wiT suchen sollten zu überwinden
." Aber — so fährt er dann fort —, „wer das Kernstück seiner
Lehre, sein Verständnis Gottes und des Menschen, preisgibt, der
gibt den ganzen Luther preis" (S. 60). ,

Gegenüber der ersten Auflage ist das Buch auch um einige
Anmerkungen vermehrt. Und es erscheint jetzt nicht mehr wie
1941, bei Köhler und Amclang, Leipzig, im kriegsbedingten
Aschenbrödel-Kittel, sondern in dem vornehmen Gewände eines
schönen Bandes. Wir sind froh, es bereichert wieder zu haben.

Erlangen Paul Althaus

Nijenhuis, W.. Dr.: Calvinus occumcnicus. Calvijn en de eenheid
' der Kcrk in het licht van zijn briefwisseling. With a summary.

's-Gravenhage: Nijhoff 1959. VIII, 321 S. gr. 8° = Kerkhistorische

Studien. Deel VIII. hfl. 25.-.

Als Wilhelm Niesei kürzlich über die bedeutendste Literatur
der letzten 50 Jahre zum Thema Calvins Theologie und Kirche in
La Revue Reformee (St-Gcrmain-en-Laye 1959/2) zu berichten
hatte, wies er schon auf diese holländische Neuerscheinung hin.
Sie ist aktueller und bedeutsamer als Rudolf Schwarz' geglückte
Brief-Auswahl 1909 in zweibändiger deutscher Übersetzung.
Denn mit Recht verweist der Autor darauf, daß eine systematische
Auswertung dieses einmaligen Reformationsgutes noch
nicht erfolgt sei. Ich selbst habe lediglich die Farbe zu meiner
kleinen Calvin-Biographie aus dem gleichen Briefgut gezogen.

Verf. widmet 6cin Buch Dr. Visser 't Hooft. Seine eminent
historisch fundierten Untersuchungen lassen jeweils aktuelle Ergebnisse
zu Tage treten für ökumenisches Verhalten heute noch.
Es bleibt allerdings das erstaunlichste Ergebnis dieser Studie, daß
schrittweise deutlicher wird, wie Calvin als 2. Generation das
auscinanderfallende Lager der Nationalkirchen der Reformation
unsäglich zähe zusammenzuhalten und wieder ein wenig näher
zu bringen sich abgemüht hat. Daß im Consensus Tigurinus 1549
(veröffentlicht erst 1551), also in der Überwindung des Zwingli-
schen Humanismus durch Calvins biblischen Realismus in der
Abendmahl6fragc, nur eine Vorstufe für Calviru; 6tets anvisierte
Einigung auch mit Luthers Theologie erreicht war, wird in diesem
schier unerschütterlichen Festhalten an der Ehrfurcht vor
diesem Luther als „Erschüttcrer des Papsttums", mit dem Calvin
6°gar ,,dic Hölle zu teilen" 6ich bereit erklärt hat, dokumentiert.
Als der ungestüme alte Luther zwei Jahre vor seinem Tod noch
einmal gegen Zürich lospoltcrte, war Calvins Mühe zwar größer
geworden, seine Intention aber blieb unerschüttert die gleiche.

Die Arbeit dieses Holländers ist weithin auf Calvin-Zitaten
aus Briefen, Widmungsschreiben und Kampfschriften aufgebaut.
Sie arbeitet behutsam in der Auswertung und überrascht durchgehend
mit ihrem genauen historischen Verfolg der zur Debatte
stehenden Frage oder des mit ihr befaßten Personenkreises. So
yie die Skandinavier uns zur Stunde noch mit der Gründlichkeit
ihrer Lutherstudien übertreffen, gilt das Gleiche vollauf von diesem
Beitrag zur Spätrcformationsgeschichte, die ja nun einmal in
ihrem Beieinander der Evangelischen Kirchen Deutschlands, der
Schweiz, Englands, Frankreichs und Ungarns bis heute noch nicht
zum Ausgleich und zur vollen gegenseitigen Anerkennung gekommen
ist. Ob seiner mannigfachen Vorzüge und seiner Thematik
verdiente dieses Werk eine Ausgabe in deutscher Übersetzung.

Wichtig ist auch der Nachweis, daß Calvin bei aller Sorge
um die innere Integrität seiner Muster-Gemeinde und Stadt-
Kirche Genfs nach außen von erstaunlicher Weitsicht für andere
Kirchcngcbildc war, denen er in Fragen der Zucht, Zeremonien

und sogar theologischen Eigenprägungen weithin Anerkennung
ihrer eigenen Wege zugestand. Hinter Calvin steht eben in seinem
Handeln und in seiner denkerischen Arbeit die in Jesus
Christus vorgegebene Einheit der Kirche, wie sie auch der nach
ihm benannte Kirchen-Weltbund erst neulich wieder in Sao Paolo/
Brasilien bezeugen wollte.

Allerorten stützt sich das Buch auf neuste Einzelstudien
anderer und kann daher neben dem letzten bedeutenden zusammenfassenden
Werk des Straßburgers WSäel gut bestehen.Mfjl<(ct
Wir entnehmen dem Werk des Verfs. vor allem den Beweis, daß
Calvin in seinem ökumenischen Grundanliegen nicht auf Kompromissen
oder unklaren Formulierungen (wie 6ie bisweilen Bucer
anbot) weiterbauen wollte, sondern, daß Calvin die Wahrheit des
Wortes Gottes und der Vernunft als letzten Maßstab in jedem,
auch dem schmerzlichsten Falle anerkannt wissen wollte.

Berlin Günter Gloede

B a 1 m a s, Enea: Le poesie „economiche" di Barthelemy de Laffemas.

Protestantesimo XV, 1960 S. 14—23.
Ell wein, Eduard: Die Christusverkündigung in Luthers Auslegung

des Johannesevangeliums.

Kerygma und Dogma 6, 1960 S. 31—68.
Fraenkel, Peter: Revelation and Tradition. Note6 on Some Aspects

of Doctrinal Continuity in the Theology of Philipp Melanchthon.

Studia Theologica XIII, 1959 S. 88—133.
Maßner, Joadiim: Der Villacher Katediismus Johann Hausers — Ein

Beitrag zur Geschichte. des frühen Protestantismus in Innerösterreich.

,.900 Jahre Villach — Neue Beiträge zur Stadtgeschichte" Villach 1960

S. 3 81—409.

Mi egge. Giovanni: Tre anni di storia Valdese.
Protestantesimo XV, 1960 S. 23—28.

Richter, Julius: Luthers Gedanken über „gerechten Krieg".
Evangelische Theologie 20, 1960 S. 125—142.

Staedtke, Joachim: Voraussetzungen der Schweizer Abendmahlslehre
.

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 19—32.

L1TVRGIEW1SSENSCHAFT

Schulte, Raphael, Dr. P.: Die Messe als Opfer der Kirche. Die Lehre
frühmittelalterlicher Autoren über das eucharisti6che Opfer. Münster/
Wcstf.: Aschendorff [1959]. XVI, 198 S. gr. 8° = Liturgiewissenschaftliche
Quellen und Forschungen, hrsg. v. O. Hciming. H. 35. Kart.
DM 17.80.

Das Vorwort gibt Bericht über Veranlassung und Zweck
dieser Untersuchung. Auf Grund einer Anregung von Karl
Rahner SJ will der Verfasser (Benediktiner der Abtei Gerleve)
als Voraussetzung einer dogmatischen Erörterung zunächst
dogmengeschichtlich untersuchen, wie die Lehre von der Messe
als einem Opfer der Gesamtkirche bei den verschiedenen Theologen
gemeint ist, und legt das Ergebnis einer ersten Untersuchung
dieser Fragestellung für die Zeit des frühen Mittelalters
vor. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile, die sich mit dem
„spanischen Raum" (Isidor von Sevilla, der spanisch-westgotischen
Liturgie und den spanischen Autoren nach Isidor), dem
„britischen Raum" (Beda) und dem „fränkischen Raum" (den
karolingischen Meßerklärungen, Hrabanus Maurus und Walafried
Strabo, Amalar von Metz und einigen anderen Theologen der
karolingischen Schulen) beschäftigen. Das ganze Schrifttum jener
zeitlichen und räumlichen Gruppen ist daraufhin durchgesehen,
in welchem Sinn von der Messe als einem von der ganzen Kirche
dargebrachten Opfer gesprochen wird, weil sich nur in einer so
gründlichen und umfassenden Untersuchung zeigen kann, ob die
an einzelnen Stellen ausgesprochenen Ansichten Gemeingut der
Zeit oder Privatmeinung der einzelnen Theologen waren.

Dabei ist durchweg und ausdrücklich vorausgesetzt, daß
Christus mit der Stiftung der Eucharistie seiner Braut, der Kirche,
sein eigenes Opfer hinterlassen und „übertragen" hat, so daß die
Messe immer zugleich das Opfer Christi selbst und da6 Opfer
seiner Kirche ist (S. 1 f.). Der Verfasser beklagt, daß in der
Auseinandersetzung mit der Reformation der ganze Nachdrude
auf das Opfer Christi gelegt worden und enst heute wieder der
Gedanke des Opfers der Kirche ins Licht getreten sei. Die
dogmengeschichtliche Untersuchung will also dazu helfen, die