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Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

439-440

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Chevallier, Max-Alain

Titel/Untertitel:

L' ésprit et le Messie dans le Bas-Judaïsme et le Nouveau Testament 1960

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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439

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

440

keit kommt. Der Lohn des ewigen Lebens wird also auf Grund
der Gnade gegeben. So trägt Christi Tod sittliche Impulse in diese
Welt: er gibt Hoffnung, das ewige Leben durch dankbares Mit-
gestorbensein und Mitsterben mit Christus zu erwerben. „Das
Verhältnis zwischen Mitgestorbensein und Mitsterben gestaltet
sich ... in genauer Analogie, ja Identität zu dem Indikativ-
Imperativ-Verhältnis" (S. 130). Die Analogie dieser Lehre mit
den hellenistisch-orientalischen Kulten wird eben dadurch gesprengt
, daß in Christi Sterben ein sittlicher Gehorsam zum Ausdruck
kommt und seine Auferstehung als Lohn Gottes für diesen
Gehorsam zu werten ist. Auch Sakramente können nur ein Symbol
für diese entscheidende Tatsache sein. Folglich wird die
paulinische Auffassung vom Glauben vom Verf. definiert als die
in persönlicher Begegnung mit Gott geweckte Antwort des Gehorsams
(S. 140—156). Nur dieser Gehorsam wirkt da6 Heil, indem
er zum Kriterium für das Bestehen im Endgericht wird.
Gehorsam gegen den Sinn, dessen Träger Christus ist, oder auch
Nachfolge, Lebenshaltung gemäß dem Gesetz Christi. Die Schlußbetrachtungen
(S. 157—164) charakterisieren die ethische Dog-
matik des Paulus, dessen Lohnbegriff keineswegs die Notwendigkeit
der Sündlosigkeit des Menschen annimmt, wohl aber durch
ethische Forderung die Rechtfertigungsverkündigung stärkt.

Christoph Haufe ist es gelungen, eine einheitliche und großzügige
Interpretation der Rechtfertigungslehre de6 Paulus zu
bieten, in der das sittliche Moment keine Nebenlinie, sondern
einen konstitutiven Bestandteil bildet. Inwiefern auch einzelne
exegetische Betrachtungen seiner vorliegenden Arbeit, die leider
um zwei Drittel eine ursprüngliche Dissertation des Verfassers
kürzt, die Mehrzahl der Neutestamentier überzeugen werden,
wird die Zukunft zeigen. In der Geschichte des Paulusverständnisses
nimmt Haufes Arbeit jedenfalls eine wichtige Stelle ein.
Ohne es zu betonen oder gar zu wissen, reiht sie sich in eine
Paulusverständnislinie, die von der „ersten Reformation" im
Gegensatz zur römischen Verdiensttheologie angebahnt wurde
(cf. meinen Aufsatz „Für ein erneutes Gespräch zweier Reformationen
" in Glaube und Gewissen 1957, S. 184—186). Um nur
ein Beispiel zu nennen: was Haufe über das Verhältnis vom objektiven
und subjektiven Glauben nach Paulus zu sagen hat
(S. 150 ff.), erinnert überraschenderweise bis in Einzelheiten an
die Gedankenwelt des Lukas von Prag (f 1528). Andererseits
könnten Haufes Ausführungen nicht nur über den juridisch-
forensischen Charakter sog. mystischer Vorstellungen (S. 103),
sondern auch über den konstitutiven Aspekt der sittlichen Haltung
und Handlung des Christen, insbesondere durch neuere Arbeiten
des früh verstorbenen französischen Neutestamentiers
Theo Preiss bestätigt werden.

Prag Amedeo Mol nä r

C h e v a 11 i e r, Max-Alain: L'esprit et le messie dans le Bas-Judai'sme
et le Nouveau Testament. Paris: Presses Universitäres de France
1958. IV, 154 S. gr. 8° = fitudes d'histoire et de philosophie reli-
gieuses de la faculte de theologie protestante de l'Universite de Strasbourg
, ed. R. Mehl. Nr. 49. ffr. 800.—.

Vorliegende Arbeit befaßt sich mit einem Gedankenkreise,
der nicht leicht zu erfassen ist: die Anschauungen des späteren
Judentums vom Geiste lassen allerlei Hemmungen erkennen, und
die Zahl der Zeugnisse mes6ianischen Glaubens ist begrenzt.
Verf. untersucht zuerst Apokryphen und Pseudepigraphen, zitiert
ausführlich, gibt exegetische Bemerkungen. Sein Ergebnis: diese
Texte knüpfen vor allem an Jes. 11, 1—10, an Ps. 2 und an
Jes. 49, 1—9 an. Für das Griechenjudenrum werden zunächst die
LXX angeführt: Num. 24, 7 und 17 ist hier der messianische Gedanke
scharf herausgearbeitet; ob unter dem Einfluß von Jes. 11,1.
bleibt m. E. unsicher. Aber die jüdische Sibylle ist mit der Gedankenwelt
von Jes. 11 vertraut; ähnliches gilt von Philon (de
praemiis et poenis). Die Tatsache, daß bei den Rabbinen das
Messianische ganz im Hintergrunde steht, wird kurz geschildert;
sie läßt sich nicht restlos klären. In eineT Zusammenfassung wird
der Möglichkeit gedacht, daß es bei den Juden eine Spruchsammlung
messianischen Inhalts gab. Weiter stellt Verf. die neu-
testamentlichen Zeugnisse zusammen, die die Gestalt des Messias
mit dem Geiste verbinden. Hier komme ich exegetisch nicht überall
mit. So wird zu Matth 3, 11 bemerkt (S. 56): Ce n'est pas

l'Esprit-Saint dont Jean-Baptiste annonce l'offusion par le Messie,
mais le 60uffle violent qui fait mourir le mechant gemäß Jes. 11,4.
Aber ohne Zweifel hat Verf. das Verdienst, die Belege zu sammeln
, zu sichten und ihr Verhältnis zum Alten Testament zu
klären. Er hebt wohl mit Recht hervor, daß für Jesus die Weissagung
Jes. 61, 1 f. entscheidende Bedeutung besitzt (Matth. 11,
5 f.). Den Kindheitsgeschichten wird ein besonderer Abschnitt
gewidmet. Mit Recht hebt der Verf. hervor, daß der Auferstandene
in besonderem Maße als Geistträger und Geistspender gilt.
Man kann hier die Vorstellung finden: die Gläubigen erleben in
ihrer Taufe, die ihnen den Geist vermittelt, die Jordantaufe
Jesu nach.

Das Eigenartigste an dem Buche ist der Schlußabschnitt, der
den Testamenten der 12 Patriarchen und den Funden von Qum-
rän gewidmet ist. Ich lege kein Gewicht auf die Behauptung, daß
die Testamente und die Qumräntexte allgemein verwandt seien:
Verf. bringt eine lange Liste von Vergleichspunkten; es sind freilich
fast nur Allgemeinheiten, die angeführt werden. Richtig
scheint zu sein, daß in der Damaskusschrift das Testament Levis
angeführt wird (Dam. 14, 15—19). Dazu kommt, daß in beiden
Textgruppen ein doppelter Messias vorausgesetzt wird. Wichtiger
erscheint mir, daß die Testamente an zwei Stellen eine eigentümliche
Verwandtschaft mit der neutestamentlichen Erzählung von
Jesu Taufe durch Johannes verraten (Test. Levi 18, 6—8 und 11;
Test. Juda 24, 2 f.). Die' Annahme einer späteren christlichen
Einschaltung glaubt Verf. aus verschiedenen Gründen ablehnen
zu müssen. Auch in den Schriften von Qumrfin findet Verf. Christliches
; hier kann freilich von einem ähnlich eindeutigen Tatbestande
nicht die Rede sein. Dennoch neigt Verf. dazu, diese
Schriften als judenchristlich anzusehen.

Das vorliegende Buch wird Widerspruch finden. Aber es hat
das Verdienst, nicht nur Stoff zu sammeln, sondern auf Probleme
hinzuweisen, die der Bearbeitung wert sind.

Ahrenshoop Johannes Lei p ol d t

Marie, Rene, S. J.: Bultmann und die Interpretation des Neuen
Testamentes. Paderborn: Bonifacius-Druckerei [1959]. 206 S. gr. 8°
= Konfessionskundlidie und kontroverstheologische Studien, hrsg.
v. Johann-Adam-MöhleT-Institut. Bd. I. Lw. DM 14.80.

Das Buch von Rene Marie „Bultmann et l'interpretation du
Nouveau Testament", mit dem ich mich in dieser Zeitschrift
1958, Sp. 185—200 auseinandergesetzt habe, liegt nunmehr in
deutscher Übersetzung vor, die Josef Kremeyer besorgt hat.
Wer jene Besprechung gelesen hat, wird begreifen, daß ich das
Erscheinen der deutschen Übersetzung lebhaft begrüße. Denn
indem das Buch eine kritische Auseinandersetzung mit meiner
Arbeit enthält, bringt es, dank seines eindringenden Verständnisses
, einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion des Problems
der sachgemäßen Interpretation des Neuen Testaments, eines
Problems, das die evangelische Theologie wie die katholische
in gleicher Weise bewegt.

Die deutsche Übersetzung ist nicht nur durch die Ergänzung
der Bibliographie vermehrt worden, sondern ihr ist
auch ein Nachwort Albert Brandenburgs beigegeben, in dem
dieser mit Bezugnahme auf meinen in der Ztschr. f. Theol. u.
Kirche 195 8 erschienenen Aufsatz „Das Befremdliche de6 christlichen
Glaubens" die wesentlichen kritischen Einwände gegen
mich zusammenfaßt und Maries Buch als einen „Mutigen Beitrag
" zu dem „Gespräch" zwischen der katholischen und der
evangelischen Theologie bezeichnet, das durch meine Interpretation
des NT angeregt worden sei.

Marburg Rudolf B u 11 m a n n

Bartsch, Hans-Werner: Feldrede und Bergpredigt — Redaktionearbeit
in Luk. 6.

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 5—18.
Giversen, Seren: Evangelium Vcritatis and the Epistle to the
Hebrews.

Studia Theologica XIII, 1959 S. 87-96.
H u n t e r, A. M.: Recent Trends in lohanninc Studies.
The Expository Times 71, i960 S. 164-167.