Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

433-434

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Esh, Shaul

Titel/Untertitel:

HQ (BH), "Der Heilige (Er sei gepriesen)" 1960

Rezensent:

Colpe, Carsten

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

433

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

434

die Propheten sahen und hörten. Denkt man aber daran, daß die
Kunstform mancher prophetischer Stücke eine Vorbereitung
vermuten läßt, so antwortet unser Verfasser darauf mit dem Hinweis
, daß der Gedanke, das Gefühl, die Erregung es sind, die den
Rhythmus scharfen, ohne besorgt zu sein um ein streng eingehaltenes
Metrum. Die Musik, die bei den ältesten Propheten erwähnt
wird als Inspirationsmittel, wird bei den Schriftpropheten
zur inneren Musik des Geistes, der sich des Propheten bemächtigt
hat. Mit Recht weist der Verfasser weiter darauf hin, daß
die Propheten zu den verschiedensten Zeiten und unter den verschiedensten
Umständen aufgetreten sind und eine vielfältige
Verkündigung von ihnen geübt worden ist. Man kann daher
kaum eine Einhelligkeit bei ihnen feststellen, sondern muß die
Eigenart jedes einzelnen Propheten zu ermitteln trachten.

Diesem Zweck dienen nun die sehr sorgfältigen Ausführungen
über die einzelnen Prophetenbücher, die in der Einleitung
angeschlossen werden. Hier sind zahlreiche Beobachtungen gemacht
, die man gern zustimmend dem Verfasser abnehmen wird,
etwa wenn er für die Einheit von Jesaja 1,2—17 eintritt und
dieses Stück mit Recht in die Zeit der Sanheribinvasion ansetzen
möchte. Für die weiteren Verse, speziell 1, 26—27 hält er es für
möglich, daß sie mit Absicht in die Nähe von 1,2—17 gestellt
worden sind. Hier wäre zu erwägen, ob man nicht noch einen
Schritt weitergehen sollte, um die literarische Einheit bis Vs 26
auszudehnen. In Jes 8, 23 — 9, 6 folgt er A. Alt, wenn er den
Vers 8, 23 zu 9, 1—6 hinzunimmt, wie e6 auch die Paraschen-
gliederung des Qumrän-Jesaja (lQJes3) nahelegt, die ebenfalls
diesen Vers zu 9, 1—6 zieht. Bei Jesaja 21, 1—10 ist man überrascht
, daß der Verfasser entgegen der bisherigen Auffassung dieses
Stück als eine Ankündigung des assyrischen Feldzuges Sargons
gegen Merodach-Baladan auffaßt, es also in dem Jahr 710/709
entstanden denkt. Die Erwähnung der Elamiter und Meder im
assyrischen Heer hält er in jener Zeit für durchaus möglich. Er
wertet dieses Gedicht als eins der lebhaftesten und eindrücklichsten
im gesamten Jesajabuch. Aber das ist nur ein Beispiel von
zahlreichen Fällen neuartiger Textauffassungen, die uns in diesem
Werk entgegentreten. Sie alle aufzählen und besprechen zu
wollen, verbietet der Raum einer Besprechung. Das gegebene Beispiel
möge genügen, um zu zeigen, wie hier ein Kommentarwerk
entstanden ist, das auf gedrängtem Raum doch eine Fülle zuverlässiger
und neuartiger Übersetzungen und Textauffassungen
bietet und dadurch zugleich anregend und befruchtend auf die
Weitere Bibelforschung wirken wird. Dem Herausgeber und seinen
Mitarbeitern muß ayfrichtiger Dank gezollt werden für die hier
dargebotenen Leistungen.

Leipzig HansBnrdtke

E*h, Shaul: (rth)p!"I „Der Heilige (er sei gepriesen)". Zur Geschichte
einer nachbib!i6ch-hebräischen Gottesbezeichnung. Leiden: Brill 1957.
XVI, 86 S. gr. 8°. hfl. 12.50.

In dieser Untersuchung geht es in erster Linie um den Nachweis
, daß die Gottesbezeichnung haq - qädös bärüch hü schon
in tannaitischcr Zeit durchgehend in Gebrauch war und nicht erst
flls Ergebnis zunehmender Abstraktion der Gottesbenennung im
3. Jhdt. n. Chr. eingeführt wurde, wie man im Anschluß an
A. Marmorstein bisher meist angenommen hatte. Um diesen
Nachweis zu führen, untersucht Esh zunächst 99 tannaitische Aussprüche
, deren textliche Bezeugung z. T. so uneinheitlich ist, daß
w* gelegentlich auch die These stützen könnten, jene Gottesbezeichnung
sei nachträglich interpoliert worden. Etwa 200 weitere
, weniger problematische Stellen werden von ihm ohne Kommentar
nachgewiesen, damit der Leser die These dieser Arbeit
weiter verifizieren kann. Bei jenen 99 Aussprüchen handelt es sich
um 3 Sprüche von 2 Rabbinen aus der ersten tannaitischen Generation
(bis 90 n. Chr.), um 40 Sprüche (einer in der Numerierung
ubergangen) von 11 Rabbinen aus der 2. Generation (90-130
n- Chr.), um 17 Sprüche (einer nicht mitnumeriert) von 8 Rabbinen
aus der 3. Generation (130-160 n. Chr.) und um 12 Sprüche
von 4 Rabbinen aus der 4. Generation (160—200 n.Chr.), dazu
um 27 anonyme Sprüche. Die Authentizität der mit ihrem Urheber
überlieferten Aussprüche gilt in allen den Fällen als gewährleistet
, wo nicht abweichende Quellenzcugnisse zu einer

Revision zwingen. Geordnet sind die Sprüche nach den Rabbinen
— mit Hinweisen auf die Informationen bei Bacher und Strack —
und unter diesen nach ihrem Vorkommen in Mischna, Tosefta
und tannaitischen Midraschim. Die Zugehörigkeit der untersuchten
Gottesbezeichnung zur tannaitischen Periode ergibt sich
daraus, daß die Bezeugung der Varianten — in erster Linie Auslassungen
oder Umschreibungen durch hak-kätüb, ham-mäqöm
und alttestamentliche Gottesbezeichnungen — durch Handschriften
und alte Drucke sich nirgends so auf einen Nenner bringen
läßt, daß die Priorität von rTapn erschüttert wäre. Umgekehrt hat
ITapn z. B. in einem Drittel der authentischen Sprüche alle, in
zahlreichen weiteren Fällen viele und gute Textzeugen für sich.
Doch heißt das natürlich nicht, daß n"apM die einzige neue tannaitische
Gottesbezeichnung war. Denn „besonders bezeichnend
sind die Aussprüche, in denen in allen Quellen die verschiedenen
Gottesnamen promiscue gebraucht werden. Sie sind das treueste
Spiegelbild der lebendigen religiösen Sprache" (p. 39). Auch
konnte die Eulogie „er sei gepriesen" zu jeder anderen Benennung
Gottes treten. Doch durfte 6ie offenbar hinter haq-qädös
nicht fehlen (p. 56, Z. 28 ist haq-qodäs wohl Druckfehler für
haq-qädös); zwölf Fälle, in denen da6 der Fall zu sein scheint,
können keine einheitliche Bezeugung aufweisen, vielmehr steht
in acht Fällen dafür haq-qodäs.

Im Anschluß an diese Beobachtung wird dann in einem zweiten
Teil die Gottesbezeichnung haq-qodäs untersucht und dabei
das von früheren Gelehrten beigebrachte Material beträchtlich
vermehrt. Untersuchungen von 36 tannaitischen Sprüchen, Stellen
aus dem hebr. Jesus Sirach, dem aramäischen Testamentum
Levi, der Damaskusschrift und nachtannaitischen Midraschim,
Genizafragmenten und liturgischen Texten ergänzen die Ergebnisse
des ersten Teils dahin, daß haq-qodäs die sachlich ursprünglichere
Gottesbezeichnung ist. Sie liegt vielleicht schon in
der vom Rabbinat und den LXX gelegentlich vertretenen appellativischen
Deutung dieses Begriffes im Alten Testament vor,
vielleicht sogar direkt in einigen alttestamentlichen Stellen (z. B.
Jes. 62, 12; weitere Vermutungen p. 78). Sachlich läßt sie sich
aus der Metonymie, daß man haq-qodäs „das (konkrete) Heiligtum
" d. h. „der Tempel" für Gott selbst setzte (analog ham-
mäqöm), einfach erklären. Eine Erklärung für die Entstehung
von M"apn (mit Artikel, also nicht wie in Jes. 40, 25, und mit
Eulogie) gibt Esh dagegen nicht (denn daß haq-qodäs bärüch
hu auch als haq-qädös bärüch hü gelesen werden konnte,
p. 57 f., wird nicht als echte genetische Erklärung gemeint sein).

Die Abhandlung will keine fertigen neuen Erkenntnisse
über das Wesen der spätjüdischen Gotteslehre bringen, Ihre
Vorzüge sind unauffälliger. Sie vereinigt auf kleinem Raum umfangreiche
und mühselige Textkollationen, die jedem, der mit
den gängigen Editionen und Übersetzungen am rabbinischen
Schrifttum arbeitet, nützlich sein werden. Sie enthält klärende
Einzelbeobachtungen über die Bedeutung der Abbreviaturen.
Vor allem aber demonstriert sie die Methode, die für kritische
Editionen rabbinischer Texte die gegebene sein dürfte, wenn
diese es an Qualität jemals mit denen griechischer und lateinischer
Autoren aufnehmen sollen: wo inhaltliche Indizien für
die Herstellung der richtigen Lesart und die Möglichkeiten zur
Datierung und Gruppierung von Handschriften nicht ausreichend
gegeben sind, vermögen Quer- und Längsschnitte durch die Literatur
an Hand gerade der sachlich indifferent und zeitlos scheinenden
Begriffe, Formeln und Wendungen die notwendigen
Kriterien zu liefern.

Göttingen Carsten Colpe

Grill, Severin: „Regen und Unwetter preiset den HerrnI" Das

Gottesbild der Regen- und Unwetterpsalmen nach dem syrischen Text.

Bibel und Kirche 15, 1960 S. 5—11.
Leist, Fritz: Welt und Zeit der Propheten.

Universitas 15, 1960 S. 305—314.
Mowinckel, Sigmund: Notes on the Psalms.

Studia Theologica XIII, 1959 S. 134—165.
P r i g e n t, Pierre: Quelques testimonia messianiques. — Leur

histoire litteraire de Qoumrän aux Peres de l'eglise.

Theologische Zeitschrift 15, 1959 S. 419-430.
Reiser, Werner: Die Verwandtschaftsformel in Gen. 2,23.

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 1—4.