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Ausgabe:

1960 Nr. 6

Spalte:

431-433

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

La Bible. L'Ancien Testement Tome II: Les Quatre Grands Prophètes, Les Douze Petits Prophètes

Titel/Untertitel:

Les Trois Livres poétiques, Les Cinq Rouleaux, Les Deutérocanoniques 1960

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

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Übersetzung) ein ihr und dem Gegenstand angemessenes Niveau
hält. Die vom Rezensenten keineswegs grundsätzlich in Frage
gestellte „populäre Darstellungsweise" hat eben doch bestimmte
Grenzen. Einige Beispiele mögen das belegen: „Von den Verfassern
des AT wurde der Dreck auf den Straßen als unvermeidbares
Übel angesehen" (43). „Trotz der beachtlichen Langlebigkeit
der Patriarchen erlebten nur wenige Menschen ein gesegnetes
Alter" (72). An Schiefheiten, die in mangelnder Sachkunde liegen
: „In dem Jahrhundert (sc. Saul-David Salomo) zeigte sich
eine schnelle Verbesserung der materiellen Entwicklung des
Landes und ein entsprechender Niedergang der geistigen Werte"
(17) — also in dem Jahrhundert, in dem das großartige Werk von
der Thronnachfolge Davids und der bedeutendste theologische
Entwurf der alten Zeit — das Werk des Jahwisten entstanden:
ein Niedergang der geistigen Werte?? Nach dem „Hahnensiegel"
aus Mizpah ist es keineswegs sicher, daß man in Israel keine
Hühner kannte — und auch dann wirkt die Aussage weniger
humorvoll als platt: „Aber selbst die Wohlhabenden kannten
nicht den Genuß eines leichten Omeletts" (63). Woher weiß der
Verfasser, daß „jeder intelligente Soldat bestimmt versucht haben
wird, bei den Nachrichtentruppen oder beim Nachschub
unterzukommen"?! (127). Aus den Wundertaten Elisas soll sich
ergeben, daß die merkwürdige Gestalt ERsas („irreführend" Prophet
genannt!) dem modernen Hausarzt am meisten ähnelt (168).

Die Überbewertung archäologischer und außerbiblischer
Gegebenheiten führt — auch — bei Heaton dazu, die überlieferungsgeschichtlichen
Probleme speziell der Frühzeit zu verharmlosen
: Die kriegerische Eroberung unter Josua ist im wesentlichen
bestätigt, ebenso die Geschichten über Abraham und seine Familie
. Joseph gehört mit den Hyksos zusammen (was sich bekanntlich
zuerst Josephus ausgedacht hat!), der Ägyptenaufenthalt
dauerte 400 Jahre (nicht vier Generationen, wie Gen. 15,16
sagt). In dem Abschnitt über den Handel wird einmal neben der
Lutherübersetzung (l. Kön. 10, 28 f.) eine neue (von W. F.
Albright) geboten, ohne einen Hinweis darauf, daß dabei der Urtext
verändert ist. Daß diese — übrigens nicht zuerst von Albright —
vorgeschlagene Textänderung ihren guten Sinn hat, hätte ja sehr
wohl daneben angemerkt werden können! Ein pastorales Sozialpathos
durchzittert die Sätze: „Es liegt im Wesen der Dinge, daß
die nur aus bestem Material hergestellten Gegenstände der
Neureichen (Ausgrabungsfunde) die Jahrhunderte überdauerten
. Von den der peinigenden Angst und den leeren Mägen
der Bauern blieb nichts übrig (Rezensent fragt, wie man das
wohl finden sollte) — es sei denn, daß sie, wie manchmal in Israel
die mitfühlende Aufmerksamkeit einer bestimmten Gesellschaftsschicht
auf sich zogen. Propheten wie Arnos, Jesaja und Micha
gehörten dazu" (150). Das scheint mir eine „Soziologie" am verkehrten
Objekt! Summa Summarum: dieser frei nach Albright
und anderen gebotene Überblick kann einem Laien (an den sich
doch das Buch wendet) nur unter Vorbehalt empfohlen werden;
die zumeist ins Deutsche übersetzten Bücher Albrights, zu denen
hier nicht Stellung genommen werden soll, sind jedenfalls schon
durch die größere Ausführlichkeit weit stärker gegen eine
terrible simplification geschützt.

Göttingen Kurt Galling

La Bible. L'Ancien Testament Tome II: Les Quatre Grands Pro-
phetes — Les Douze Petits Prophetes — Les Trois Livres poetiques —
Les Cinq Rouleaux — Les Deuterocanoniques. Introduction par
Edouard Dhorme. Traduction et Notes par Edouard D h o r m e,
Jean K o e n i g, Frank Michaeli, Jean H a d o t, Antoine
Guillaumont. Index par Michel L e t u r m y. Paris: Gallimard
1959. CLXXIX, 1971 S. kl. 8° = Bibliotheque de la Plejade II.

Der erste Band dieses Übersetzungswerkes, das zugleich
einen kurzgefaßten Kommentar zum AT darstellt, ist in dieser
Zeitschrift 1958, 6, 411—412 angezeigt und besprochen worden.
Der jetzt vorliegende zweite Band erfüllt vollauf die Erwartungen
, die man ihm gegenüber nach Lektüre des ersten Bandes
hegen dürfte. Nach einer umfangreichen Einleitung aus der Feder
des Herausgebers Edouard Dhorme folgen Bemerkungen über
die Transkription des Hebräischen ßowie eine Zeittafel von Saul
bis zur Einnahme Jerusalems durch Pompejus 63 v. Chr. In die
Zeittafel eingearbeitet sind jeweils die Wirkungszeiten der Propheten
bzw. die Entstehungszeiten der in diesem Band vereinten
und übersetzten alttestamentlichen Schriften und der außerkanonischen
Schriften des Spätjudentums. Eine weitere Tafel zeigt
kurz Namen und Größe der in der hebräischen Metrologie verwendeten
Längen- und Flächen- sowie Hohlmaße und Gewichte.
Hinter die Übersetzungen sind zwei Karten in Schwarz-weiß-
Ausführung gestellt, den antiken Nahen und Mittleren Orient
sowie Israel und Juda betreffend. Da die Karten über zwei Blätter
jeweils gedruckt sind, einmal in Breitstellung, einmal in Hochstellung
, können sie nur ein ungefähres Bild und daher nur eine
erste Orientierung vermitteln. Mehr wollen sie in diesem Zusammenhang
auch nicht bewirken. Zwei umfangreiche Indices,
Index Theologique et Sociologique und Index Historique et
Geographique, nehmen die Seiten 1895—1965 ein. Sie beziehen
sich auf beide Bände und erschließen sie in dem Reichtum der
gemachten Einzelangaben. Ihre Genauigkeit, mit der sie gearbeitet
sind — das haben Stichproben ergeben —, erhöht den Wert
der beiden Bände als Nachschlagewerk zu einer ersten Orientierung
ebenso wie die reichhaltigen Fußnoten und die umfänglichen
Einleitungen.

Die Übersetzungen sind vom Mitarbeiterkreis des Werkes
gefertigt worden. Der Herausgeber Edouard Dhorme hat Jeremia,
die Zwölf Kleinen Propheten, die Psalmen, das Buch Hiob, das
Hohelied, Ruth und die Klagelieder übersetzt. Jean König
steuerte die Übersetzungen des Jesaja und Ezechiel bei, Frank
Michaeli das Danielbuch und Esther, Jean Hadot die griechischen
Anhänge des Danielbuches 60wie von den außerkanonischen
Schriften Baruch, den Brief des Jeremia und Jesus Sirach, Antoine
Guillaumont die Proverbien, Qoheleth, die Estherzusätze, Tobit,
Judith und die Weisheit Salomos. Ausdrücklich muß darauf hingewiesen
werden, daß alle Übersetzungen mit sehr Teichlichen und
zum Teil sehr umfänglichen erklärenden Noten ausgestattet
sind, die unter den Übersetzungstext gestellt sind und eine Fülle
exegetischen Materials enthalten. Alle Übersetzungen sind abgesehen
von ihrer sprachlichen Güte — es handelt sich durchweg
um ein schönes und edles, gepflegtes Französisch — unter möglichster
Wahrung der erreichbaren sicheren Textgestalt gearbeitet
mit Vermeidung unnötiger Konjekturen und entsprechen dem
neuesten Stand der Forschung. Wo es möglich war, sind die Textfunde
von Qumrän sorgfältig ausgewertet oder doch wenigstens
in den Einleitungen — sofern die Texte noch nicht veröffentlicht
sind — erwähnt. Dadurch, daß die Übersetzungen mit diesen erklärenden
Noten versehen 6ind, ist man nie allein auf sie angewiesen
, sondern findet die Meinung des Übersetzers sowie seine
jeweilige Textauffassung durch sorgfältig kommentierende Noten
unterbaut. Auch die literarischen, formgeschichtlichen Probleme
werden in diesen Noten, wo es nötig ist, behandelt. Die
Indices werten gerade auch diese reichhaltigen, in den Noten enthaltenen
Angaben aus.

Am stärksten zieht natürlich die gehaltvolle Einleitung des
Herausgebers die Aufmerksamkeit auf sich. Sie bespricht jedes
einzelne Buch nach Inhalt und Einleitungsproblemen, selbstverständlich
auch die außerkanonischen Schriften, die ebenfalls
so gründlich behandelt werden wie die kanonischen Schriften.
Ein einleitender Abschnitt bespricht das Problem der alttestamentlichen
Prophetie sowie die prophetische Literatur. Auch dem
Problem der Ekstase innerhalb der Prophetie wird gebührende
Aufmerksamkeit gewidmet, und ihr Vorhandensein wird bejaht
zumindesten für die frühe Prophetie. Die Leitung und Inspiration
der Propheten durch Jahwe wird klar bejaht. Was die geschichtlichen
Bücher an Quellenaussagen über Propheten enthalten
, wird sorgfältig herangezogen und verwertet. So entsteht
ein sehr lebendiges und vielfältig bewegtes Bild von der activite
der Propheten. Dem Verfasser ergibt sich aus seinen Untersuchungen
das Bild eines Propheten als eines „Horrtme de
parole et d'action". Dieses gewonnene Bild schließt aber nach
seiner Meinung die Möglichkeit aus, daß der Prophet selbst zum
Zustandekommen seines nach ihm benannten Buches oder doch
eines Teils davon gewirkt hat. ,,Le prophete n'est pas un
scribe redigeant ä tete repos^e les oiacles qu'il faul
transmettre a 1a posterHe", apres en avoir iait prohter les
contemporains" (S. XXI). Daher können die überlieferten
Prophetenschriften nur von denen gesammelt worden sein, die