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Ausgabe:

1960

Spalte:

429-430

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rüthy, Albert E.

Titel/Untertitel:

Probleme der Bibelübersetzung 1960

Rezensent:

Mehl, Oskar Johannes

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429

Theologische Literatrurzeitung 1960 Nr. 6

430

lichten Schriften und Gegenschriften eine Klärung noch keineswegs
erreicht worden sei, und außer der großen Bedeutsamkeit
6eines Themas führt er last not least „die Andersartigkeit dieses
Buche6 gegenüber bisher erschienenen ähnlichen Werken" an.
Diese Andersartigkeit sieht er dadurch gewährleistet, daß er die
der bisherigen Literatur in verschiedenem Maße anhaftenden
Nachteile vermeiden möchte. Entweder nämlich seien nicht alle
in Betracht kommenden wichtigen Schriftstellen auch eingehend
untersucht worden, oder es sei die Literatur nicht genügend ausgewertet
worden, oder aber die betreffenden Werke hätten sich
„zu sehr auf der Ebene gehobener fachtheologischer Sprache bewegt
". Für die letztgenannte Eigenart führt er mein Buch „Versöhnung
des Alls" (vgl. die Besprechung in dieser Zeitschr.
Jahrg. 1952, Sp. 158ff.) als Beispiel an. Ich anerkenne diese Einschätzung
durchaus und freue mich sehr, daß der Verf. es unternommen
hat, den gleichen Gegenstand zu behandeln und dafür
„eine auch für den theologisch nicht gebildeten Leser verständliche
Sprache" zu wählen. Ausdrücklich möchte ich jedoch bemerken
, daß die Absicht des Verfs., „auch für die Masse der ,ungelehrten
' Kinder Gotte6 verständlich zu sein", keineswegs bedeutet
, daß nicht auch theologisch gebildete Leser in 6einem Buch
Anregung und Belehrung finden könnten. Dies ist vielmehr nach
meiner Uberzeugung in hohem Maße der Fall. Das Buch hat den
großen Vorzug, daß es im Großen und bis ins Kleine in sehr
übersichtlicher Form gehalten ist. Bereits da6 ausführliche Inhaltsverzeichnis
(S. 7—9) läßt dies vermuten, und die Lektüre bestätigt
es auf jeder Seite. Bibelstellen- und Begriffsregister (S. 259
—270) helfen die Fülle des verarbeiteten Stoffes erschließen. Für
besonders wertvoll — gerade auch für theologische Leser — halte
ich den IV. Teil (S. 181—254), der in Form von Anmerkungen
über 200 meist recht umfangreiche Zitate aus der Literatur zusammenstellt
. Dieser Teil ist ein wahres Arsenal an treffenden
Beobachtungen und Formulierungen zum Problemkreis des Buches
. Daß die Zitate in der Hauptsache positiv lauten, liegt nicht
daran, daß der Verf. bei seiner Auswahl nicht unvoreingenommen
vorgegangen wäre, sondern ist in den exegetischen Gegebenheiten
begründet. Es ist dem Verf. gelungen, ein auch für Theologen
6ehr brauchbares Vademecum zu schaffen, ein Handbuch für
alle mit seinem Thema zusammenhängenden Einzelfragen, dessen
Hilfe sich die nicht entgehen lassen sollten, die über diese für die
theologische Erkenntnis und für die kirchliche Verkündigung und
Praxis gleichermaßen bedeutungsvolle Seite der biblischen Botschaft
sich informieren möchten.

Bern Wilhelm M i ch a el i s

Rüthy, A. E., Prof. Dr.: Probleme der Bibelübersetzung. Rektorats-
rede. Bern: Haupt 1959. 26. S. 8° = Berner Rcktoratsreden. Kart,
»fr. 2.50.

Dieser Vortrag — gelehrt und doch vorbildlich verständlich —
liest sich gut und bereichert das Wissen, auch das des Fachmannes.
Rüthi untersucht, ob eine Übersetzung möglich sei, „die jedes
Wort genau und richtig wiedergibt; gewissermaßen eine Photographie
des Urtextes, die diese auch in gewechseltem Sprachgewand
bis ins Einzelne sichtbar macht". Der Schweizer Theologe
ist Alttestnmentlcr und beschränkt seine Beispiele deshalb
auf dieses Gebiet. Er verweist zunächst auf jene hebräischen Vokabeln
, die noch .ungeklärt' sind; und er muß da eingestehen,
„wie mangelhaft unsere Kenntnisse hier trotz aller gelehrten
Bemühung noch sind". Schon die Septuaginta habe in manchen
Fällen auf eine Übersetzung verzichtet und einfach das hebräische
Wort, mit griechischen Buchstaben geschrieben, im Text stehen
'assen. — Die wichtigste Frage ist: ob demselben Wort des Urtextes
immer und überall dasselbe Übersetzungswort entsprechen
soll und kann. Es wird auf die griechische Übersetzung des Aquila
verwiesen (2. Jhdt. n. Chr.), der streng darauf hielt, daß jedem
hebräischen Wort immer das gleiche griechische Wort entsprach.
Ergebnis: ein in ganz unmöglichem Griechisch abgefaßter Übersetzungstext
, der nur dem Kenner des Hebräischen verständlich
Kjtf „Aufgabe eines Übersetzers ist es also, Sätze und nicht bloß
Wörter wiederzugeben. Dabei muß der Übersetzer bald inne werden
, daß jede Sprache ihr eigenes Leben führt, und daß eine
strikt wörtliche Wiedergabe in der Übersetzung6sprache oft
einen unverständlichen oder mißverständlichen Text ergibt." -

Rektor Rüthi macht das nun an verschiedenen alttestament-
lichen Beispielen klar, wobei er auch die Übersetzungen der jüdischen
Gelehrten Martin Buber und Franz Rosenzweig heranzieht,
die sich ja bemühen, den hebräischen Sprachcharakter auch in der
deutschen Übertragung, so viel als möglich, durchscheinen zu
lassen, und die versuchen, das nämliche Wort des Urtextes auch
durch dasselbe deutsche Wort wiederzugeben, und zugleich dem
etymologischen Prinzip weiteste Geltung zu verschaffen. Da
wird z. B. ,tohu wabohu' zu .Irrsal und Wirrsal' (aber die klirrenden
I und die hellen A fallen stark ab gegen die dumpfen und
geheimnisvollen O und Ul). Und oft versagt Bubers und Rosenzweigs
Bestreben! So geben sie das Wort kabod verschieden wieder
: Gewicht, Gewichtigkeit, Ehre, Ehreiwchein (?), Erscheinung.
Und was soll man erst sagen zu der Übersetzung: .Kraut, das Samen
saamt'; oder zu der Erde, die .Gesproß sprießen' läßt! Das
Hebräische liebt, wie auch andere alte Sprachen, den „parono-
mastischen Akkusativ"; „das deutsche Stilgefühl wehrt sich gegen
derartige Verbindungen." — Andere schwierige Wörter, die Rüthi
behandelt, sind: galgal, tShöm; ferner die vom Verbalstamm
schäma' abgeleiteten Substantiva: löschema' özen, mischma'at;
nephesch; chesed. Auch Luthers Übersetzung wird herangezogen,
ja sogar die erste deutsche Bibel von Mentel (1466) — die allerdings
wohl auf ältere Vorlagen zurückgeht, da sie noch viel
mittelhochdeutsche Spuren aufweist. — Summa: „In manchen Fällen
kann man doch nicht ohne eine zusätzliche Erläuterung der
biblischen Begriffe auskommen; dann eben, wenn die Übex-
setzungssprache keinen dem Wort der Grundsprache völlig entsprechenden
Ausdruck zur Verfügung hat."

Mörtitz b.Eilenburg Osknr Jon. Mehl

D a h o o d, M.: The value of Ugaritic for textual criticism.
Biblica 40, 1959 S. 160—170.

Lyonnet, St.: Expiation et intercession. A propos d'une traduetion
de saint Jerdme.
Biblica 40, 1959 S. 88 5—901.

Marazuela, T. Ayuso: El Salterio de Gregorio de Elvira y la Ve-
tus Latina hispana.
Biblica 40, 1959 S. 135—159.

Schildenberge r, J.: Parallelstellen als Ursache von Textveränderungen
.

Biblica 40, 1959 S. 188—198.

ALTES TESTAMENT

He a ton. E. W.: Biblischer Alltag. Zeit des Alten Testaments. München
: Claudius Verlag o. J. 212 S. m. 112 Abb. i. Text u. auf 16 Taf.
8°. Lw. DM 11.80.

Von der Absicht geleitet, die Ausgrabungsergebnisse in
Palästina und neuere Textfunde in einer knappen „Kulturgeschichte
Israels" lebendig werden zu lassen, spricht der Verf.
in zehn Kapiteln über dos alltägliche Leben (= Land und Zeit
— wäre ohne Obertitel besser!), das Leben der Nomaden, das
Stadtleben, das häusliche Leben, das Landleben, das industrielle,
das militärische, das zivile, das berufliche und das religiöse Leben
. Den 200 Seiten Text sind 112 Abbildungen (Photos und
Zeichnungen) beigefügt. Die Auswahl der Bilder ist geschickt,
freilich nicht immer mit präziser Unterschrift. Abb. 51—53 zeigen
Tongefäße, die ganz verschiedenen Perioden angehören, und
die (so muß der Leser vermuten: israelitischen) „Duftfläschchen"
(54 f.) gehören in die Mittelbronzezeit! Der Baal von Ugarit
(Abb. 100) ist keine Schnitzerei, sondern eine Kleinbronze. —
Man könnte dem Buch ohne Beschwer zustimmen, wenn sich der
Verfasser nicht in der „Modernisierung" verloren hätte, wobei
bei höchst „konservativem" Standpunkt dann etwa bei dem
Glauben der Propheten (206 ff.) eine liberale Komponente stark
hervortritt („Die Propheten gewannen ihre Stellung in der Geistesgeschichte
der Welt nicht nur durch die Verkündigung primitiver
Allgemeinheiten"). - Zu der Darstellungsweise bemerkt der Prospekt
: „Die Sprache ist unbelastet von Fachausdrücken, der Vergleich
mit heutigen Begriffen und der gelegentlich eiflgestreute
feine Humor, stechen erfrischend ab von der üblichen Art, in der
solche Stoffe behandelt werden!" Das möchte durchaus begrüßt
werden, wenn es dem Verfasser gelingt, falsche Assoziationen zur
Gegenwart zu vermeiden, und wenn die Sprache (auch in der