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1960 Nr. 6

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 6

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Alten Testament. H. nimmt Stellung „Zur Frage der Bewertung
und Geltung alttestamentlicher Texte". Kann da« Alte Testament
in seiner Besonderheit und Fremdheit uns heute noch ansprechen
und von uns bewältigt werden? H. antwortet, daß das
Alte Testament gerade wegen des menschlichen Mißverständnisses
und der ständigen Fehlinterpretation der göttlichen
Verheißung auch für uns aktuell ist. Es stellt uns immer
wieder in die Entscheidung für oder wider den Glauben an die
Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus. In dieser dialektischen
Weise also bleibt daß Alte Testament bei uns in Geltung.
Die Hermeneutik gewinnt so gesehen zwar stark an Weite. Dennoch
mag es nicht jedem gegeben sein, das Alte Testament vornehmlich
unter diesem negativen Vorzeichen zu 6ich reden zu
lassen.

Alfred J e p s e n widmet seine Aufmerksamkeit der Reform
des Josia und wendet sich damit ebenfalls dem Ereignis der Überwindung
fremden religiösen Gutes in Israel zu. Es geht um den
Reformbericht in II. Kön. 23, 4 ff. In der Analyse des Stoffes
stellt J. die ursprüngliche Reihenfolge der von einem priesterlichen
Redaktor bearbeiteten Reformdarstellungen heraus. Dabei
zeigen sich zwei verschiedene Akte, deren erster die Entfernung
der Fremdkulte umfaßt. Der zweite Akt erst setzt die Bekanntschaft
mit dem aufgefundenen Gesetzbuch voraus. Den erster,
datiert J. in das 12., den zweiten in daß 18. Jahr Josias. Das Chronistische
Geschichtswerk verlegt den ersten Akt schon in die
Regierungszeit des Königs Manasse, um vielleicht seine Re-
gicrungsdauer damit theologisch zu begründen.

Einem merkwürdigen, bisher noch keiner eingehenden Erörterung
gewürdigten Sachverhalt widmet Fritz M a a s s seine
Aufmerksamkeit mit seinem Aufsatz über die „Selbstliebe in
Lev. 19, 18". Hier wird nämlich die Selbstliebe als Maßstab für
die Nächstenliebe empfohlen. M. sieht darin nicht eine als
selbstverständlich vorausgesetzte Lebenszugewandtheit und
Lebens- wie Selbstbejahung, sondern eine asketische Strömung,
die in der Selbstliebe eine unheimliche Macht der Versuchung zur
Untreue gegen Jahwe und zur Sünde gegen sein heiliges Wesen
ahndet. So wie die Selbstliebe soll die Nächstenliebe Ausdauer,
Kraft und Radikalität zeigen.

Rudolf Meyer wartet wieder mit einem Kapitel aus der
hebräischen Sprach- und Stilgeschichte auf. Den Stoff bietet der
sprachlich häufig erörterte und mit Konjekturen belastete Abschnitt
II. Kön. 23, 1—15. Hier findet 6ich nämlich unmittelbar
neben dem Imperfectum consecutivum das Perfektum copulativum.
Nach M. ist darin nicht die spätere Überarbeitung eines vorliegenden
Textes zu sehen, sondern ein Zeichen dafür, daß das
Imperfekt ursprünglich mit seinen verschiedenen Formen der
Erzählungsmodus gewesen ist, während die Afformativkonjuga-
tion qatala wohl ausschließlich statischen Charakter hatte. Im
Laufe des zweiten vorchristlichen Jahrtausends jedoch hat die
qatala-Bildung Funktionen des Imperfekts übernommen. An die
ursprüngliche, vielleicht nebenher gepflegte Verwendung des
Perfekts kann später der aramäische Spracheinfluß ohne größeren
Bruch anknüpfen. Damit ist der vorliegende Tempusgebrauch aus
der hebräischen Sprachgeschichte zu erklären. Auffällig ist, wie
dem Autor wohl nicht unbekannt sein wird, daß eine ähnliche
Tempusmischung auch in der Mesa-Inschrift vorliegt.

An die theologische Verarbeitung einer historischen Tatsache
knüpft Otto P 1 ö g e r s Betrachtung über die „Siebzig
Jahre" an. Jer. 25, 11 ff.; 29,10 verwenden die Zahl siebzig
wohl als abgerundete Größe. Sadh. 1,12 sieht in diesem Zeitraum
von siebzig Jahren die Zeit von der Zerstörung bis zur
Wiedererrichtung des Tempels. Damit erhält diese Zeit eschato-
logische Bedeutung als Auftakt zur Heilszeit. Im Chronistischen
Geschichtswerk II. Chron. 36, 20 f. erscheint die gleiche Zeitspanne
als Gerichtszeit, als Dauereabbat, an dem die Schuld Israels gesühnt
wird. Er ist die Zeit vor dem Einbruch der jüdischen Theo-
kratie. Dan. 9, 2. 24 spannen den zeitlichen Bogen mit dem Gedanken
an die Jahrwoche bis in die Zeit der Entstehung des Buches
hinein. P. zeigt damit, wie 6tark die Zeit der siebzig Jahre
des Exils die israelitischen und jüdischen Frommen in der Geschichte
des Alten Testaments bewegt hat.

Mit einer anderen exegetischen Bemühung bereichert Gottfried
Quell die Festschrift. Er behandelt ,,Jes. 14, 1-23".

Nach der Abgrenzung gegen Kap. 13 wendet sich Q. dem Rahmen
des Stückes in w. 1—4a. 22 f. zu. Die Verse bilden keine genuine
Einheit. Q. schreibt sie einem Epigonen mit prophetischer Intention
zu, der nach den Bedürfnissen seiner Zeit Einzelstücke sammelte
und sie zu einer Liturgie zusammenfügte. Der Kern des
Gedichtes vv. 4b—21 selbst stammt weder von Jesaia noch vom
Diaskeuasten. Er wird ein ursprünglich nichtisraelitisches mythologisches
Poem gewesen sein, das dem Sammlerpropheten schon
in hebräischer Übersetzung vorgelegen hat. Durch den Rahmen
verbindet er dieses Gedicht mit Kap. 13 und deutet es damit auf
Babylon. Auch hier handelt es sich also um die Verarbeitung
nichtisraeliti6chen Gutes im Alten Testament.

Leonhard Rost bemüht sich um den priesterlichen Terminus
„Die Wohnstätte des Zeugnisses". Diese durchaus abstrakte
Bezeichnung von P hat ihr konkretes Gegenstück bei E in dem
Zelt der Begegnung. Der Terminus meint die Begegnung zwischen
Gott und Mose. P hat nun in diesem Zelt die Wohnstätte
gesehen und das spezifizierende Wort „Begegnung" durch eine
andere Etymologie umgedeutet auf „Zeugnis". Damit wurde aus
dem Begegnungszelt die Wohnstätte des Zeugnisses. Eret Späteren
blieb es vorbehalten, in dem Zeugnis die Gesetzestafeln zu
sehen. P hat hier ein Verständnis des Tempels geschaffen, das
infolge der Abstraktion die Gefahr in sich barg, die echte Begegnung
mit Gott durch das Gegenüber zum Zeugnis zu ersetzen
. Leider bleibt die Tatsache unerörtert, daß das Bcgegnungs-
zelt den Berichten von Ex. 3 3 und Num. 11; 12 nach außerhalb
des Lagers gedacht wird, während die Wohnstätte das Zentrum
des Lagers bilden sollte. Ob hier vielleicht auch gegebene Vorstellungen
verarbeitet und absorbiert worden sind?

Wilhelm Rudolph unterzieht die Exegese von „Jesaia
23, 1—14" einer Überprüfung. Mit besonnenen und triftigen
Gründen verficht er die Echtheit dieses Stückes und setzt es in
der Zeit zwischen 705 und 701 an. Gewiß, unumstößliche Sicherheiten
lassen sich hier nicht erreichen!

Hans Joachim Stoebe stellt „Erwägungen zu Psalm 110
auf dem Hintergrund von I. Sam. 21" an. Er wendet die von
David dem Priester von Nob gegenüber behauptete Heiligung
6einer Begleiter (I. Sam. 21,6) auf die Zusage Ps. 110,3 an.
Damit dürften hier Konjekturen überflüssig werden. Der Vorschlag
ist erwägenswert; dennoch bleibt grundsätzlich zu fragen,
inwieweit Aussagen historischer und lyrischer Texte zu gegenseitigem
Verständnis verwendet werden dürfen.

Endlich bietet Werner V o 11 b o r n einen Versuch, die
in I. Kön. 6, 1 genannten 480 Jahre mit der „Chronologie des
Richterbuches" in Einklang zu bringen. Es gelingt ihm auf die
Weise, daß er nur die heilsgeschichtlich bedeutsamen Jahre unter
der Berücksichtigung von Synchronismen rechnet. Damit erreicht
er schließlich die Harmonie der Aussagen.

Zahl wie Namen der Autoren zeigen an, wie geschätzt der
Jubilar — bei aller Kritik, die seine Position auch hervorrief — in
der Alttestamentlichen Wissenschaft ist. Franz Hesse trug zum
Schluß die Bibliographie des Jubilars zusammen und zeigt damit
die Schaffensweite des Gelehrten.

Hallo/Saale Gerha r<l W a 11 i s

Barth, Karl: How my mind has changed.

Evangelische Theologie 20, 1960 S. 97—106.
Fritzsche, Hans-Georg: Theologie im gegliederten Aufbau.

Kirche in der Zeit 15, 1960 S. 5—9.

BIBELWISSENSCHAFT

Schumacher, Heinz: Da* biblische Zeugnis von der Versöhnung
des All». Eine Untersuchung der wesentlichen Schriftworte und Einwände
, mit eingehenden Litcraturvcrglcichcn. Stuttgart-West: Paulus
-Verlag [1959]. 270 S. 89. Lw. DM 12.-.

In der Einleitung (S. 11—14) nennt und erläutert der Verf..
seit dem Tode des Mitgründers der im gleichen Verlag im
11. Jahrg. erscheinenden Zweimonatsschrift „Gnade und Herrlichkeit
" Karl Geyer deren Mitherausgeber, die Gründe, die ihn
bewogen haben, das vorliegende Buch zu schreiben. Außer di-m
Umstand, daß durch die in den letzten Jahrzehnten veröffert-