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1960 Nr. 5

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Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 5

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die heutige Übung bestätigt, aber vom philologischen Standpunkt
aus stark zu beanstanden ist. Die ungarische Übersetzung ist,
wenn auch stilistisch nicht vollkommen, so doch verständlicher
und mehr magyarisch als die Übersetzungen der Griechisch-
Katholiken, die aus dem Jahre 1938 stammen (unveränderte
Neuausgabe aus dem Jahre 1954). Die nahezu ein Jahrhundert
alte griechisch-katholische Liturgie in ungarischer Sprache ist
heute von dem hl. Stuhl in Rom offiziell anerkannt, was auch vom
Päpstlichen Jahrbuch (Annuario Pontificio) bestätigt wird.

Diese beiden Ausgaben in ungarischer Sprache sind — wenn
sie auch sprachlich nur ein kleines Gebiet berühren — sowohl vom
Standpunkt der orthodoxen Kirchen als auch von dem der ökumenischen
Bewegung aus sehr wichtig, und wir hoffen, daß durch
«ie auch die Revision der ungarischen griechisch - katholischen
Zeremonienbücher befruchtet wird.

Nagymaros/Ungarn Otto K o r m o s

S t e i t z, Heinrich: Ordnung der Bestattung.
Pastoralblätter 100, 1960 S. 146—151.

PHILOSOPHIE UND RELlGIOmPMWSOPHlE

Willmann, Otto: Abriß der Philosophie. Philosophische Propädeutik
. Mit einem Vorwort von Max Müller. 5., unveränderte Aufl.
Freiburg: Herder [1959]. IX, 492 S. gr. 8° = Schriften des Willmann-
Instituts Freiburg-Wien.

Otto Willmanns philosophische Propädeutik ist in ihrer
5. Auflage mit einem Vorwort von Professor Max M ü 11 e r,
Freiburg, versehen. Otto Willmann, der von 18 39 bis 1920 lebte,
war Ostdeutscher, lehrte aber von 1872 bis 1903 als Professor
an der deutschen Universität in Prag. Sein Hauptwerk ist die
„Geschichte des Idealismus", welche in drei Bänden 1894—97 erschien
, und die philosophische Propädeutik besteht ebenfalls aus
drei Teilen, die in der vorliegenden Ausgabe in einem Bande
gesammelt sind. Der erste Teil ist die Logik, der zweite Teil die
Psychologie und der dritte die Metaphysik. Das Werk ist geprägt
von der katholischen Lebensanschauung des Verfassers und auch
von den mehr als fünfzig Jahren, die vergangen sind, seitdem die
erste Ausgabe erschien. Die Darstellung der Psychologie wird
von vielen modernen Psychologen nicht anerkannt werden, und
die Logik ist sozusagen durchweg aristotelisch. Die neuere Logik
wird überhaupt nicht berücksichtigt. Die Psychologen werden gewiß
nicht die Wiederholung der alten Unterscheidung zwischen
Verstand und Vernunft, die sich im Buche finden läßt, akzeptieren
, und die Logiker werden der Meinung sein, daß nicht genügend
unterschieden wird zwischen der Formallogik und der Reallogik
, dem Wort, das Wilhelm Wundt zur Bezeichnung der Erkenntnistheorie
anwandte. Wenn die Rede von logischen Schlüssen
ist, obwohl es nicht möglich ist, auf logischem Wege zur
Realität zu kommen, werden oft Beispiele angeführt, die aus der
realen Welt geholt sind. Auf S. 78 werden zwei parallele Aussprüche
als Beispiele für Schlüsse angeführt, obwohl sie nichts
miteinander zu tun haben, weil der eine Ausspruch in die Welt
der Erfahrung und der andere in die Welt des Denkens gehört.
Der erste Ausspruch lautet: Nach dem Gewitter muß Abkühlung
eintreten, und der zweite: Der Sinus des rechten Winkels muß
eins werden — wo es im übrigen heißen muß „sein" und nicht
„werden".

Die gleiche Konfusion von Denken und Wirklichkeit, formal
und real, finden wir auch, wenn der Verfasser sagt, daß man beweisen
kann, daß etwas ist, warum es ist oder eben so ist, wie es
ist. Das erstere ißt gewiß nicht richtig. Es kann vielleicht ein
Wahrscheinlichkeitsbeweis dafür gegeben werden, daß etwas ist,
z. B. ein Planet, weil gewisse Anziehungsphänomena konstatiert
werden können, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach nur auf
das Vorhandensein eines Planeten zurückführen lassen; aber
daß er wirklich ist, kann 6ich wahrscheinlich nur durch ein
Wahrnehmen in der einen oder anderen Form feststellen lassen.
Mit anderen Worten, Existenz ist nicht etwas, das demonstriert
wird; sie wird konstatiert und eben deshalb war ja auch einer
der wichtigsten Sätze Seren Kierkegaards, daß „Existenz immer
höher ist als der Beweis". Wenn deshalb ein Mensch versuchen

wollte, seine eigene Existenz zu beweisen, würde er lediglich komisch
wirken. Den Übergang vom Denken zur Wirklichkeit finden
wir auch schließlich in der Logik, wo über das Religiöse gesprochen
wird. Eine Reihe religiöser Wahrheiten ist Gegenstand
der Vernunfterkenntnis und des diskursiven Denkens und demzufolge
auch des Beweises. Hierzu gehören Gottes Existenz, die
Unsterblichkeit der Seele, die moralische Verantwortung, der
Wert de6 Guten und des Gesetzes bindende Macht. Die Glaubenswahrheiten
selbst werden weder über den Weg der Sinne noch
den des Denkens erreicht und können deshalb nicht wissenschaftlich
bewiesen werden; es kann aber bewiesen werden, daß e6 vernünftig
oder logisch ist, zu glauben, weil unsere Vernunft, Logos,
und das, was von Gott stammt, welches auch Logos ist, nicht in
innerem Widerstreit stehen kann.

In der Psychologie hören wir, daß die Seele in Stufen
aufgebaut ist, die vom rein Sinnlichen zum Geistigen hinauf führen
, zur Vernunft und zum Willen. Was die Seele ist, wird weniger
auf psychologischem als auf philologischem und historischem
Wege erklärt. Es wird streng vorgegangen gegen Sensualismus
und Nominalismus, die beide falsch sind; aber es wird nicht zur
Aufgabe der Psychologie, sondern zu der der Metaphysik gemacht
, diese Lehren zu widerlegen, und hiermit wird also die
Metaphysik zur Wissenschaft erhoben. Auch die Moral findet
in der Beschreibung der Psychologie ihren Platz, wenn es auf
S. 290 heißt, daß im sittlichen Charakter der Wille nach gültigen
und bleibenden Leitlinien orientiert ist, welches die Persönlichkeit
gegen inneres Wanken und Spaltung sichert. Auch das
Gewissen wird in der Psychologie als ein moralisches Phänomen
bezeichnet. Die inneren moralischen Anlagen, die die Scholastiker
als synteresis bezeichneten, werden auch erwähnt und
etymologisch von synterein, bewahren, abgeleitet. Es ist schwierig
zu sagen, warum die Scholastiker, die Latein schrieben und
kein Griechisch konnten, ein griechisches Wort gebraucht haben
sollten, und es ist höchst wahrscheinlich, daß das Wort synteresi6
in seiner scholastischen Bedeutung durch falsches Lesen oder durch
Falschschreibung von syneidesis entstanden ist. In diesem Falle
wäre es ein Un-Wort und für ein solches soll man nicht nach dem
etymologischen Ursprung suchen.

Der dritte Teil des Werkes heißt „Historische Einführung in
die Metaphysik", und die Darstellung ist in ihrem Ganzen in
hohem Grade Historie und in nur geringem Grade Systematik,
obwohl der Verfasser auf S. 333 sagt, daß die historische Darstellung
zugleich eine Einleitung in die „Metaphysik überhaupt"
ist. Die Metaphysik des Aristoteles ist sozusagen zeitlos gültig,
sie ist wirklich, was Kant „Prolegomena zu einer jeden künftigen
Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können" nannte,
heißt es S. 334. Deshalb kann der Nominalismus auch als Halbdenken
charakterisiert werden. Die Gattungen sind ebenso wirklich
wie die Einzeldinge, die sie umfassen, „der Eichenwald ist
eben so wirklich, wie die einzelnen Eichen". Dieses Argument
ist jedoch kaum stichhaltig, weil der Eichenwald kein genus ist,
das die einzelnen modi, die Eichenbäume genannt werden, umfaßt
, sondern ein modus für sich selbst, der zusammen mit seinen
Parallelmodi den genus ausmacht, der Eichenwälder heißt. Willmann
sagt ja auch richtig in dem Folgenden: „das Wesentliche ist
nun das zum Wesen Gehörige, und dies erst stellt das objektive
Korrelat des Begriffes dar". Ob dieses objektive Korrelat
dieselbe Realität wie der Eichenwald hat, ist jedoch die Frage, auf
die die Nominalisten eine Antwort haben sollten, 6ie aber nicht
erhalten. Unklar ist die Erklärung des Begriffes Wahrheit
auf S. 369, wo es heißt, daß das Sein der Dinge der Grund der
Wahrheit ist. Die Wahrheit liegt formaliter oder nach ihrem
eigenen Sein im Geiste, während sie fundamental oder ihrem
Grunde nach in den Dingen liegt und deshalb bezeichnen wir
auch die Dinge nur in Beziehung auf die Erkenntnis als wahr.
Es ist jedoch kaum gute aristotelische Philosophie, den Dingen
Wahrheit zuzuschreiben. Dieses Prädikat steht nur unseren Beurteilungen
von den Dingen zu und deshalb kann die Wahrheit
kaum in den Dingen liegen, sondern nur „im Geiste".

Die obenstehenden Bemerkungen sind alle mehr oder weniger
kritisch — jedoch nicht polemisch und es ist nicht beabsichtigt
, nur zu berichten, daß nun ein schlechtes Buch post festum
in 6einer 5. Auflage erschienen sei. Otto Willmanns Philoso-