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Ausgabe:

1960

Spalte:

364-365

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Körner, Franz

Titel/Untertitel:

Das Sein und der Mensch 1960

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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habung seiner bisher recht grob durchgeführten Verbote von
Wallfahrten und ähnlichem zwang.

Das ganze Buch ist ein sehr wertvoller Beitrag nicht nur zur
Geschichte der katholischen Kirche in Bayern, sondern zur
Geistesgeschichte überhaupt — mag man 6ie nun in ihrem ganzen
Umfang in Betracht ziehen oder nur in ihrer Auswirkung auch
auf die evangelische Kirche. Es ist mit gründlicher Benützung des
einschlägigen Archivmaterials gearbeitet. Auch unter der Literatur
vermißt man kaum etwas. Vielleicht dürfte hier hingewiesen
werden auf Turtur Ludwig, Von der devotio domestica zum
exercitium privatum religionis der Protestanten in München zu
Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Festgabe aus Anlaß des 75. Geburtstages
von D. Dr. Karl Schornbaum. Neustadt/A. 1950. 131
—148. Es ist selbstverständlich, daß gelegentlich einmal — in
Sonderheit, wo es sich um Urteile handelt — die Meinung verschieden
sein kann. So wird sich die Behauptung kaum halten
lassen, daß die geistige Bedeutung der mittel- und norddeutschen
evangelischen Staaten auf ihrem Gewinn an geistlichem Gut
durch die Säkularisation beruht. Sachsen-Weimar konnte sich
solchen Gewinnes doch nicht erfreuen und, daß die Männer, die
Bayern aus Norddeutschland holte, fast alle evangelisch waren,
spricht doch auch nicht dafür, daß sie eigentlich in katholischen
Hochstiften beheimatet und durch sie gebildet worden waren.
Bei der Bemerkung (S. 368), daß in der Säkularisation die weltliche
und kirchliche Obrigkeit zusammen das Land „gar lutherisch
" machen wollte, fehlen gewiß solche Anführungszeichen,
obwohl ich eine sich mit diesem Wort äußernde Reaktion des
katholischen Volkes der Einwohner der Hochstifte Bamberg und
Würzburg nicht kenne; denn daß, was damals von Seiten des
Staates geschah, nicht lutherischem Geist entsprach, weiß der
Verfasser selbstverständlich. Das zeigt ihm noch heute der Zustand
der Nürnberger Kirchen als Ausdruck echt lutherischen
Verhaltens in der Reformationszeit. Das beweist auch der Umstand
, daß von Seiten des Luthertums im Anfang des vorigen
Jahrhunderts gegen den sich im Staatskirchentum und im Rationalismus
auswirkenden Geist ein Angriff geführt wurde, dem an
Schärfe der dann von der römischen Neugestaltung der katholischen
Kirche ausgehende Gegenangriff schon deshalb bei weitem
nicht gleichkommen konnte, weil man ja dort dann auch hohe
und höchste Kirchenführer solchem Verdikt hätte unterstellen
müssen. Letzteres geschieht übrigens durchaus durch den Verfasser
dieser Arbeit. Unter den Vorbereitungen der Toleranz in
Bayern hätte das Allgemeine Preußische Landrecht mit seiner
vollen Gleichstellung beider Kirchen, das 1796 in den 1806 bzw.
1810 an Bayern gekommenen preußischen Fürstentümern eingeführt
worden war, nicht übersehen werden dürfen. Keine
Antwort findet die Frage nach dem Umschwung im Verhalten der
bayerischen Politik gegen die Erweckungsbewegung, die ja,
nachdem sie ihre Träger bisher begünstigt hatte, 1817 Boos aus
Bayern auswies. Doch ist auf diese und andere Fragen in weiteren
Arbeiten des fleißigen und klar blickenden Verfassers Antwort
zu erhoffen. Man sieht solchen mit allerlei Erwartungen
entgegen.

Nürnberg Matthias S i m on

Klose, Olaf: Bibliographie zur Schleswig-Molstcinischcn Geschichte
und Landeskunde für 1945—J950. Unter Mitarb. v. W. Christiansen,
Irma Fischer, Erna Mohr und W. Wctzel hrsg. Neumünster: Wach-
holtz 1954/55. 447 S. gr. 8° = Zeitschr. d. Gesellsch. f. Schleswig-
Holstein. Geschidite. Ergänzungsband 4, H. 1—4.

Die Grenzlage Schleswig-Holsteins zum benachbarten Dänemark
hat es zur Brücke zwischen Deutschland und Skandinavien
werden lassen. Somit bietet sich hier nicht nur für den Historiker
jeder Fachrichtung, sondern auch auf vielen anderen Gebieten
wie Literatur, Kunst u. a. ein interessantes Arbeitsfeld.
Der Sammlung des literarischen Niederschlages aller dieser Gebiete
dient die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek in Kiel,
deren Direktor Olaf Klose mit dem 4. und 5. Ergänzungsband
der Bibliographie zur Schleswig-Holsteinischen Geschichte und
Landeskunde diese verdienstvolle Reihe fortgesetzt. Der 4. Band
umfaßt die Jahre von 1945-1950 und enthält 5470 Titel von
selbständigen Veröffentlichungen wie Zeitschriftenaufsätzen, wobei
eine besonders große Zahl dänischer Veröffentlichungen den

Schleswigschen Landesteil einschließlich Nordschleswig betreffen
— ein Ergebnis der durch den Ausgang des Krieges bedingten
Verhältnisse. Der Wert der Bibliographie zeigt sich unter anderem
an dem hier besonders interessierenden Abschnitt über
Theologie und Kirche (S. 86 ff.). Eine große Zahl von in verschiedenen
Zeitschriften verstreuten Aufsätzen, teils lokalen
Charakters, teils das gesamte Land betreffend, sind an dieser
Stelle zusammengefaßt. Auffallend ist auch hier der große Anteil
dänischer Publikationen. Hingewiesen sei auch auf den Abschnitt
Volkskunde, der eine Anzahl von Darstellungen über
religiöses Brauchtum enthält. — Der 5. Band zeigt mit 80O
Titeln mehr als der vorherige rein äußerlich eine gesteigerte
literarische Produktion und umfaßt gegenüber den 4 Lieferungen
des 4. Bandes 5 Lieferungen. Auch hier läßt sich wieder an der
Zahl der unter dem Abschnitt Theologie und Kirche (S. 128 ff.)
stehenden Titel erkennen, daß an der Erforschung der im Zusammenhang
mit dem geistlichen Leben des Landes stehenden
Fragen weiterhin von beiden Seiten der Grenze mit erfreulicher
Intensität gearbeitet wird. Insgesamt erscheint eine Bibliographie
dieser Art, wie sie auch weiter fortgesetzt wird, höchst
willkommen; gibt sie doch eine für den Interessierten in jeder
Richtung wertvolle Zusammenstellung der Literatur, die über
Schleswig-Holstein und über die mit dem benachbarten Dänemark
zusammenhängenden Fragen erschienen ist.

Kiel Walter Göbell

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Körner, Franz: Das Sein und der Mensch. Die existcnziellc Seins-
entdeckung des jungen Augustin. Grundlagen zur Erhellung seiner
Ontologie. Freiburg/München: Alber [1959]. XXVI, 257 S. 8° =
Symposion. Philosophische Schriftenreihe, hrsg. von Max Müller,
B. Welte u. Erik Wolf. Bd. 5. Kart. DM 18.-.

Entsprechend dem immerhin weitgespannten Thema, das in
alle Bereiche der augustinischen Ontologie hineinzuführen verspricht
, hat sich K. außer mit den einschlägigen Texten auch mit
einer Fülle von Fachliteratur auseinanderzusetzen, wie das auf
14 eng bedruckte Seiten angewachsene Literaturverzeichnis
(XIII—XXVI) bereits andeutet. Nach einer ziemlich breiten grundsätzlichen
Kritik an der bisherigen Forschung (etwa Dinkler,
Wunderle, Windclband, Gilson, Söhngen) gibt K. seine eigene
Wegweisung (,,Die neue Aufgabe"; „Zur Methode"); er betont,
wie sehr in der der heutigen ähnlichen Grenzsituation der Spätantike
die Frage um Sein oder Nichtsein Ausgangspunkt der
Ontologie Augustins werden mußte, die somit unmittelbar aus
dem Entwicklungsgang des Kirchenvaters, aus seinem Ringen um
die Wahrheit herauswächst. Man begreift, daß K. bei dieser
Sichtweise sich nicht mit der oft ausgesprochenen These begnügen
kann, daß Augustin im allgemeinen nichts Größeres geleistet
habe als die „mehr oder weniger geglückte Synthese des aus verschiedenen
Geistesströmungen übernommenen Gedankengutes"
(S. 28 f.), so sehr diese Feststellung auf philologisch-historischem
Terrain (zunächst) berechtigt ist. Der Verf. sucht anstatt der
äußeren, „zeitbedingt-zufälligen geistigen Einwirkungen" auf
die „schöpferische Quellmitte" und auf den inneren Entwicklungsfaktor
zuzukommen und das „genuin augustinische Lebens- und
Denkprinzip" zu finden, das den Kirchenvater geradezu gezwungen
hat, sich aus der ursprünglichen Abhängigkeit von Manichä-
ismus, stoischem Skeptizismus und schließlich auch (Neu-)Plato-
nismus loszureißen. Wenn K. in diesen Zusammenhängen pa rtiell
auf bedenkliche Wertungen wie die Augustins als des „ersten
modernen Menschen" zurückkommt, so mag dies hingenommen
werden, wenn auch mindestens hervorzuheben ist, daß eine solche
Einordnung philosophisch - psychologisch vielleicht zu rechtfertigen
ist, historisch aber keineswegs.

K. wendet sich dem engeren Thema mit Hilfe der „historisch
- kritischen" und der „intuitiv - nachvollziehcnden" Methode
zu (S. 33) und weist an Hand der Quellen nach, daß es
Augustin in seinen verschiedenen Lebensberichten immer eindeutiger
um die Verkündigung ging, daß er „zu ganz bestimmter
geschichtlicher Stunde in der personalen Ich-Du-Begcgnung mit
dem Deus intimus cordi der Wirklichkeitsmacht des göttlichen