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Ausgabe:

1960 Nr. 5

Spalte:

355-357

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Mowinckel, Sigmund

Titel/Untertitel:

Real and apparent tricola in Hebrew psalm poetry 1960

Rezensent:

Westermann, Claus

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 5

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ihre wahre Natur. Ein extremer Fall ist hier durchexerziert worden
, und er mag genau so vereinzelt sein, wie, wenn das hier gesagt
werden darf, das Ergebnis der Prüfung des sekundären Philo-
textes in Philo's Bible. Zeigen doch schon die bisherigen
Untersuchungen der biblischen Qumräntexte tiefgreifende Verschiedenheiten
auf. Neben all den Texten, die an Wert hinter
dem mas. Text zurückstehen, haben wir die Samuelistexte, die
ihn übertreffen. Ich verstehe nicht, wie man hier zahlreiche Übereinstimmungen
der Rollen mit der LXX als Glättungen ursprünglicher
Umständlichkeiten und Dubletten auffassen kann, und bin
überzeugt, daß hier Wellhausens Einsichten noch nicht ganz zu
ihrem Recht gekommen sind. Die Züge, von denen Qumrän und
die LXX unsern Hebr. befreien, lassen sich doch viel besser als
sekundär verstehen. Zu diesen beiden Aspekten tritt nun mit
Goodings Buch ein dritter, daß nämlich gelegentlich 05 für ttt
überhaupt nichts besagt. Verf. hütet sich wohl, sein Ergebnis
irgendwie verallgemeinern zu wollen. Für den griech. Text hat
er mich überzeugt, und für die Frage der Schichtung im hebr. Exodus
ist nun endlich ein allzulange zu Unrecht herangezogenes
Seitenargument aus der Welt geschafft.

Dr. Goodings Buch ist mit dem Kaye Prize der Universität
Cambridge ausgezeichnet worden.

Cambridge Peter Katz

Mowinckel, Sigmund: Real and Apparent Tricola in Hebrew Psalm
l0l Poetry. Oslo: Aschehoug & Co. i. Komm. 1957. 105 S. gr. 8° =
Avhandl. utg. av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo, II. Hist.-
Filos. Klasse 1957, 2.

In der Einleitung faßt M. seine Thesen zur hebräischen Metrik
zusammen unter Hinweis auf seine früheren Arbeiten dazu.
Nach Vorgang Hölschers ersetzt M. das akzentuierende durch das
alternierende System. In ihm gibt es nur zwei Metren: das
Maschal-Metrum (4:4) und das Qinah-Metrum (4:3). Poesie, d.h.
Verse gibt es nach M. nur, wo mindestens zwei Versglieder
(bicolon) vorhanden sind, die Existenz von Kurzversen (einzelnes
colon) leugnet er (vgl. die Auseinandersetzung mit Fohrer in der
ZAW). In der vorliegenden Arbeit will M. erweisen, daß tricola,
d. h. dreigliedrige Psalmverse, nur in geschlossen tricolischen
Psalmen oder Psalmteilen vorkommen, nicht aber (oder fast nicht)
einzeln untermischt zwischen bicola. — Aus tricola bestehen ganz
die Psalmen 93; 138; 100; 45 (?); und die Psalmteile 24, 7—10;
60,8-10 (= 108,8-10); 77,14-21 (oder 20); 79,1-2. 7-10;
99,5.9; Prov 30, 15—16; 30,20.33. Alle Glieder des tricolon
6ind mehr oder weniger parallel. Es ist sicher später aus dem
bicolon entwickelt.

M. führt nun seine These durch, daß die tricola in den Ps
im wesentlichen auf die eben genannten Stellen beschränkt 6ind
und daß, wo sie außerhalb dieser angenommen werden, es sich
nicht wirklich um tricola handelt. Viele scheinbare tricola gehen
auf falsche Interpunktion oder Verseinteilung zurück, z. B.
29, lf.; 1, 3b—4; 7,7-9; 8,2-3; 11, 1—2 u.a. Oder auf Textverderbnis
wie 25, 1. 5. 7; 37, 20. 25; 10, 4ff. (alles Akrosticha).
Oder andere Textzeugen bieten einen besseren Text wie 13, 6;
62,9; 67, 5; 73,28 u.a. In diesen Gruppen findet M. 83 Fälle,
in denen das tricolon ohne Textkonjektur zu beseitigen ist. —
Es folgen die Fälle, in denen dies nur durch Textkonjektur möglich
ist: a) ein colon ist an eine falsche Stelle geraten; 81, 8c gehört
zusammen mit 11c; in 18 ist v 49 eine an falsche Stelle geratene
Variante zu v 44 u. a. b) sekundäre Elemente sind in den
Text eingedrungen: 2,3c; 18,51c; 46,10; 50,1; 57, 8f.; u.a.
c) ein colon oder einige Wörter sind ausgefallen in 56, 14;
5, 13b; 12,6; 21, 10 u.a. — Aus metrischen Gründen wird angenommen
Dittographie in 27,14a; 35,25; 120,2; 131,2c;
Kombination zweier Varianten in 13, 3b; 20, 6c; 40, 10f. u. a.;
erklärende Glosse in 27,4; 35,8a; 39,5c u.a.; Ausfall eines
colon in 5, 9; 6, 7; 7, 6 u. a. — Es bleiben einige ganz wenige
Fälle, bei denen ein einzelnes tricolon zwischen bicola als genuin
anerkannt werden muß (z. B. 68, 28), das ist aber aus Bedingungen
, die außerhalb des Psalms liegen, zu erklären.

Vom tricolon ist das isolierte einzelne colon zu unterscheiden
. Wo es nicht fehlerhaft ist, liegt eine Einführungsformel
außerhalb des Metrums vor wie in 2,7a; 110,1 (?); 81,6c;
66, 16 (?) oder Textelemente, die nicht eigentlich zum Psalmtext

gehören wie 103, 22; 104, 35c; 2, 12c; 20, 6c (?) oder liturgische
Formeln wie 3, 6a; 22, 27c; 24, 4 u. a. Jedoch gibt es einige Gedichte
aus monocola: 15,2—5a; 111 und 112.

Ergebnis: „To 6um up in my opinion isolated tricola — or
isolated Single cola — are as a rule not found within a (mainly)
bicolic psalm. There may, however, be some" (S. 101).

Zusatz: Die Ps sind mit wenigen Ausnahmen (25; 34, 78;
111; 112) in regelmäßigen Strophen aufgebaut, ganz selten in unregelmäßigen
. Es gibt nur zwei Metren: Qinah (46 Psalmen) und
Maschal-Metrum (alle anderen). Es mag kompliziertere Metren
geben, sie sind aber bisher nicht erkennbar.

Der ersten These Mowinckels (die in der zweiten nur entfaltet
wird) in ihrer gemäßigten Form, daß es nämlich weniger
tricola gibt als gewöhnlich angenommen wird, kann weithin zugestimmt
werden. Dabei fällt, wie M. am Schluß selbst einräumt,
ein größeres Gewicht auf die durch andere Textzeugen und exegetische
Erwägungen gestützten Nachweise. Um nur einige Beispiele
zu nennen: die Begründungen zu 13,6; 20,8; 67,5;
71,18; 81,8c; 118, 15f.; 50,1; 2, llb. 12 und viele andere
sind durchaus einleuchtend, und die Einzeluntersuchungen in diesen
Teilen bieten viele wertvolle exegetische Ergebnisse. Wo in
diesem Teil M.s Änderungen schwerlich oder gewiß nicht annehmbar
sind, handelt es 6ich ohne Ausnahme um den metrischen
Systemzwang, nach dem M. die Texte formen will. Beispiele:
19, 15; 27, 6; 46, 10; 67, 8; 92, 16. Im zweiten Teil, in dem die
metrischen Gründe vorherrschend oder allein bestimmend sind,
ist der Boden des Argumentierens (wie M. selbst zugibt) im Ganzen
unsicherer. Ein Beispiel mag das zeigen: in 13, 6b ergänzt M.
mit LXX 7, 18 entsprechend. Das ist begründet und durchaus
wahrscheinlich und geschieht in Übereinstimmung mit vielen
Exegeten. Dagegen will er 1 3, 3b als Variante zu den vorangehenden
Worten streichen, allein aus metrischen Gründen. Daß 3c
eine Variante zu den voraufgehenden Worten sei, ist nicht richtig
. Vielmehr sind in 2. 3a. 3b die drei Glieder der Klage zu erkennen
: Anklage Gottes (2), Ich-Klage (3a), Feindklage (3b).
Mit 3b würde man ein notwendiges, wesentliches Glied der Klage
streichen. Eher wäre möglich, daß ein Halbvers ausgefallen ist,
so daß dann alle drei Glieder der Klage zwei Halbverse hätten. —
In sehr vielen Fällen genügt M. die Feststellung, daß ein Halbvers
etwas zu lang odeT etwas zu kurz sei, für Streichung oder
Hinzufügung eines Wortes. Besonders bedenklich ist die Behauptung
, es handle sich bei einem dritten Versglied nur um eine erklärende
oder generalisierende Glosse, wie auf S. 72 hintereinander
bei drei Stellen (27,4; 35,8a; 39,5c). Berechtigen
hypothetische metrische Gesetze zu solchen Eingriffen in den
Text? Es fragt 6ich auch, was damit gewonnen ist, wenn am
Schluß doch zugegeben wird, daß es einzelne tricola zwischen
bicola geben mag. Ich meine, die Untersuchung hätte gewonnen,
wenn sich der Verf. auf die einigermaßen begründeten Fälle beschränkt
hätte. M.s Arbeiten zu den Kennzeichen der hebräischen
Poesie stehen unter einem gewissen Systemzwang, der die
Erörterung seiner Thesen erschwert. Seine drei Thesen sollten je
für sich diskutiert werden: 1) Die hebr. Metrik ist nicht artikulierend
, sondern alternierend. 2) Es gibt nur zwei Metren. 3) Tricola
begegnen (fast) nur in geschlossenen tricolischen Psalmen
oder Psalmteilen. Die erste, wichtigste These kann nur dann
fruchtbar weitergeführt werden, wenn sie nicht mit den beiden
anderen verquickt wird. Dadurch gerät M. in manche Schwierigkeiten
: In ZAW 1953, S. 175 hatte er gesagt: „Eine hebräische
Dichtung, die prinzipiell von dem auch im Gedankenreim sich
äußernden Gesetz der Zweiheit losgelöst wäre, gibt es nicht". In
der vorliegenden Arbeit stellt M. ausdrücklich fest, daß es ein
,real tricolon' in der hebräischen Dichtung gibt. Gegen Fohrer
hatte M. behauptet, daß es den .Kurzvers' (monocolon) überhaupt
nicht gebe; hier gibt er viel vorsichtiger zu, daß es einige
monocolische Psalmen gibt und daß unter bestimmten Umständen
(z. B. ak liturgische Formeln) auch einzelne cola in bicoli-
schen Psalmen begegnen. Vor allem aber hat M. in dieser Arbeit
durch den Nachweis tricolischer Psalmen und Psalmteile die
schroffe These, es gebe nur zwei Metren, einschränken müssen:
obwohl dieser Tatbestand nicht offen in der Arbeit hervortritt,
ergibt sich von selbst, daß das Metrum (oder die Metren?) der
tricola (einmal, zu 77, 14—21 ist es als 4:4:4 angegeben) hinzu-