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Ausgabe:

1960

Spalte:

305-307

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Die Abendmahlslehre in den reformatorischen Bekenntnisschriften 1960

Rezensent:

Graß, Hans

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Bizer, Ernst, u. Krcck, Walter: Die Abendmahlslehre in den re-
(ormatorischen Bekenntnisschriften. (Referate für die Darmstädter
Tagung der „Kommission für das Abendmahlsgespräch" in der EKiD
am 13./14. April 1955). München: Kaiser 1955. 71 S. gr. 8° ""
Theologische Existenz heute. N. F. 47. DM 3.45.

Koch, Reinhold, Pfr. Dr. theol.: Erbe und Auftrag. Das Abendmahlsgespräch
in der Theologie des 20. Jahrhunderts. München: Kaiser
1957. 163 S. gr. 8° = Forschungen zur Geschichte und Lehre de«
Protestantismus, hrsg. v. E. Wolf. 10. Reihe, Bd. IX. DM 9.50.

Von den zwei Schriften, die hier zu besprechen sind, enthält
die eTste die beiden Referate, die auf der 5. Tagung der Abendmahlskommission
der EKiD gehalten worden sind. B i z e r behandelt
in seinem Referat über die Abendmahlslehre in den
lutherischen Bekenntnisschriften zunächst Luthers Katechismen,
die hier in sich, nicht im Zusammenhang mit den übrigen Abendmahlsschriften
Luthers analysiert werden. Dann werden die
Confessio Augustana und die Apologie besprochen. In CA Art.
V werde nicht bloß gesagt, daß „Wort und Sakrament .Mittel'
des heiligen Geistes sind, durch die er je und dann gegeben
Werden kann. Audi nicht nur, daß er ohne diese Mittel nicht
und nie gegeben werde. Sondern es wird positiv behauptet, daß
er durch diese Mittel gegeben wird. Es sind niemals nur ,leere'
Mittel, sondern wo die Mittel sind, da ist auch die Gabe." (S. 16)
Das entspreche zweifellos den Intentionen Luthers. In der Analyse
des eigentlichen Abendmahlsartikels CA X geht Bizer teils
im Anschluß, teils in Auseinandersetzung mit W. Maurer aus-
führlidi auf die Textgeschichte ein. Eine melanchthoni6che Grundformel
, die mehrdeutig nur von der Gegenwart Christi, bzw.
«eines Leibes und Blute6 im Mahl sprach, sei mehr und mehr
lutheranisiert worden. Doch habe Melanchthon mit der lateinischen
Fassung de* Textes von CA X die Brücke zu den Oberdeutschen
offenhalten wollen. Bizer folgert daraus, daß beide
Texte ernst zu nehmen seien und die Verpflichtung mit sich brin-
8en, „die eigene bekenntnismäßige Formulierung von unnötiger
Theologie so weit als möglich frei zu halten und den Irrenden
Brücken zu bauen, soweit das ohne Preisgabe der Sache tunlich
,st" (S. 25). Nun, daß könnte man vielleicht auch tun, wenn es
kein Nebeneinander des deutschen und lateinischen Textes von
CAX gäbe. — Daß Apol. Art. X auf ButzcT und 6eine Bemühungen
Bezug nimmt und ihm das „cum" konzediert, wie Bizer behauptet
, ist mir bei den mit Väterzitaten versetzten realistischen Ausführungen
des Artikels nicht allzu wahrscheinlich. Hinsichtlich
der Wittenberger Konkordie übernimmt Bizer nunmehr die von
Köhler und mir vertretene Meinung, daß 6ie formell überhaupt
keine Konkordie war, sondern zunächst eine Erklärung der
Oberländer über ihre Lehre (vgl. W. KöhleT, Zwingli und Luther,
°d. II, S. 453 f.; H. Grass, Die Abendmahlslehre bei Luther und
Calvin, 2. Aufl. S. 146. 150). — Bei dem Abendmahlsartikel der
Sdimalkaldischen Artikel habe Luther, wie der Vorentwurf zeige,
"icht ein ursprüngliches „mit Brot und Wein" durch die endgültige
Formulierung versdiärft, sondern vielmehr ein realistisches
•■unter" gestrichen und somit die Formel Butzer zuliebe gemildert
. Auch von der in den Schmalkaldischen Artikeln gelehrten
"janducatio impiorum behauptet Bizer, daß sie nicht gegen die
Wittenberger Konkordie gerichtet sei. — Auf die Abendmahls-
<ärC ^er Konkordienformcl geht er nicht näher ein. Bei allem
^harfsinn, mit dem BizeT seine historischen Thesen vertritt, ist
die theologische Tendenz doch unverkennbar, die lutherischen
•kkenntnisschriften im Sinn einer Abendmahlskonkordie zu interpretieren
. Sollte es nicht richtiger sein, lutherische Bekenntnis-
Triften auch lutherisch zu interpretieren, um sich dann von ihnen
211 distanzieren, wo die exegetische und theologische Situation
* erfordert?

, K r e c k ist in seinem entsprechenden Referat über die reformierten
Bekenntnisschriften diesem Wunsche besser gerecht
Seworden. Er beschränkt sich auf den Heidelberger Katechismus
*8 die für die deutsdien Reformierten allein in Frage kommende
"ekenntnisschrift. Er interpretiert zunächst die Fragen 65—68 und
. 5—82 und stellt die wichtigsten Abweichungen gegenüber der
Etherischen Lehre heraus. In der Interpretation wird der Charak-
Jer des Sakraments als Gnadenmittel besonders unterstrichen.
Y«'n habe in seiner „Auslegung" des Katechismus den hlg. Geist
"* causa efficiens und Wort und Sakrament als causae instrumen-
^les bezeichnet. Dabei habe glücklicherweise Ursins weitere

Bemerkung, daß der hlg. Geist auch ohne Wort und Sakrament
Glauben wirken kann, während Wort und Sakrament ohne den
hlg. Geist nichts vermögen, im Heidelberger Katechismus keine
Parallele (S. 44). Die Sakramente seien wohl Gnadenmittel, aber
im Unterschied zur Predigt nicht wirkende, sondern bestätigende
Gnadenmittel, die das Hören des Evangeliums und den Glauben
voraussetzen. Doch sei der Glaube nicht im Sinne von Gläubigkeit
, deren man 6ich durch Reflexion vergewissern muß, Voraussetzung
des Sakramentsempfangs. Die theologischen Intentionen
der reformierten Abendmahlslehre seien der Personcharakter,
der Geschehens-, Begegnungs- und Entscheidungscharakter der
Offenbarung (S. 61); Christus sei nicht wie eine „Sache" gegenwärtig
, sondern begegne uns so, daß er selbst Subjekt seiner Präsenz
bleibt (S. 55). Das Kommen Christi zu uns werde auch im
Abendmahl nicht zu einem Verfugen über ihn (S. 59). Eine vorsichtige
Kritik übt Kreck an der reformierten Abwertung des
Leiblichen, doch verschiebt er dabei das eigentliche Problem von
den Gnadenmitteln in die Anthropologie, wenn er meint, es dürfe
nicht die „Seele" als der eigentliche Partner im Offenbarungsgeschehen
angesehen werden (S. 63). Nun, gewiß nicht bloß die
Seele, sondern der ganze Mensch, aber sehr viel wichtiger ist,
welche Rolle das Leibliche, d. h. das leiblich äußerlich „Ding"
oder Geschehen im Offenbarungshandeln Gottes spielt. Danach
fragt lutherische« Denken das reformierte. Kreck hebt hervor,
daß ein beiden Seiten gemeinsame« Denkschema überwunden werden
müsse, das Subjekt-Objekt-Schema, das sowohl für den
sakramentalen Objektivismus der LutheraneT wie für den reformierten
Subjektivismus verantwortlich sei. Auch mit der Frage
nach dem „Wo" des Leibes ständen beide Parteien trotz gegensätzlicher
Thesen in derselben Verdammnis; beide wollen den
Leib Christi lokalisieren, die einen im Himmel, die anderen In
den Elementen. Besonders anstößig sind reformiertem Denken die
Konsekration, die den Verkündigungscharakter de« Worts gefährdet
, und eine Dauer der Realpräsenz, die den Begegnungscharakter
des Abendmahlsgesdiehen« aufhebt. In der Tat sollte
man 6ich lutherischerseits darauf nicht versteifen. Entscheidend
ist vielmehr, ob das Mahlgeschehen, das sich hier und jetzt vollzieht
, als das Handeln des gegenwärtigen Christus an allen Kommunikanten
verstanden werden kann, oder ob dieses Geschehen
letztlich doch etwas zu Transzendierendes ist, das nur den Anlaß
, die Gelegenheit und Möglichkeit für das eigentliche Geschehen
im hlg. Geist und im Glauben bildet.

Reinhold Koch hat eine sehr dankenswerte Untersuchung
des dogmatischen Abendmahlsgespräch« in der Theologie des
20. Jhdts. veröffentlicht mit der praktischen Abzweckung auf
eine gemeinevangelischc Abendmahlslehre. Sowohl die Heraus-
arbeiturvg der aus dem Abendmahls6treit des 16. Jhdts. überkommenen
offenen Probleme wie die Darstellung der Abendmahlsauffassungen
der modernen Theologen ist unwichtig und
weithin zutreffend. Zu den offenen Problemen gehören das Verhältnis
der Realpräsenz von Leib und Blut zur Präsenz des totus
Christus, d. h. der substanzhaften zur personhaften Fassung der
Realpräsenz, das Verhältnis von Wort und Sakrament, die Bedeutung
, welche die Gnadenmittellehre und die Christologie in der
Abendmahlslehre haben. Den repristinativen Lutheranern (Sasse,
Hopf, Sommerlath u. a.) wirft Koch vor, daß sie die substantielle
Präsenz von Leib und Blut in den Elementen verteidigen, das
Wort nicht nur als applizierendes Verheißungswort, sondern als
konsekrierendes und über die Realpräsenz aufklärendes Wort
verstehen und daß 6ie ein inhaltliches Proprium des Abendmahls
fordern. Koch will die lutherischen Intentionen von der Gebundenheit
Gottes, von der Unmittelbarkeit «einer Begegnung mit
uns und von der schrankenlosen Vergewisserung seines Heik
durchaus festhalten, jedoch bei personaler Fassung der Realpräsenz
, die allein dem biblischen Verständnis von Offenbarung
und Glaube entspreche. Er geht hier konform mit den Neuansät-
zen einer reformierenden lutherischen Abendmahlstheologie,
welche an die Stelle der substantiellen die personale Präsenz
Christi setzt, den Akzent von den Elementen auf die Abendmahlshandlung
, die dynamisch funktional handelnde Gegenwart
de« Herrn verlegt, die manducatio impiorum umformt zur im
Abendmahl «ich ereignenden, unausweichlichen, entscheidungi-
vollen Begegnung der Würdigen und Unwürdigen mit dem Herrn