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1960 Nr. 4

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 4

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Aber kann man von solchem Ansatz aus mit F. Baumgärtel
(S. 12 ff.) zugleich R. Bultmann (S. 8 ff.) und G. v. Rad (S. 15 f.)
in gleicher Wei6e kritisieren? Kann man just sie zu Hermann
Gunkel zurückpfeifen wollen? Müßte nicht doch einmal gründlich
darüber nachgedacht werden, wie eben R. Bultmann und
G. v. Rad von ihren vorbildlichen gattungsgeschichtlichen Arbeiten
her vorstießen zu einer „existentialen" oder einer „typolo-
gischen" Interpretation? Sie beweisen beide, daß man gerade als
Schüler Gunkels nicht bei Gunkel stehen bleiben kann.

W i e man in sorgsamer und konsequenter gattungsgeschicht-
licher Arbeit angesichts der Texte und ihrer besonderen Aussagen
fortzuschreiten hat, das erst ist die brennende Frage unserer
Generation. Hier erst tut sich der tiefe Graben zwischen
Bultmann und v. Rad auf, den K. H. Bernhardt noch vor sich hat.
Hier erst sind mehr oder weniger erhebliche Fragen an Bultmann
und v. Rad zu stellen. Sie werden aber gewiß nicht mit einer formalen
gattungsgeschichtlichen Schulung erledigt, sondern nur mit
einr konsequenten gattungsgeschichtlichen Arbeit, die die eigentümlichen
Aussagen der alt- und neutestamentlichen Texte zur
Sprache kommen läßt.

Man kann den notwendigen Fortschritt nicht mit dem von
der Exegese zur Predigt gleichsetzen in der Weise: „Exegese ist
Arbeit am Text, Predigt... Arbeit am Zuhörer" (S. 10). Es geht
um den notwendigen Fortschritt im adäquaten Textverständnis
Bernhardts eigene Frage steht auf dem Spiel, was denn der Text
in seiner gegenwärtigen Ge6talt und in 6einem jetzigen Kontext
als der uns überlieferte Text von seiner Vorgeschichte her sagt.
Ist „Arbeit am Text" und „Arbeit am Zuhörer" noch so zu trennen
, wie B. denkt, wenn der Text in seiner gegenwärtigen Gestalt
mich zum Zuhörer macht?

Es bleibt dabei: im einzelnen ist auch an B.s Kritik gegenüber
Bultmann, Baumgärtel und v. Rad manches notwendig, hilfreich
und förderlich, so wie der Ruf zur strengen gattungsgeschichtlichen
Arbeit recht dankenswert ist. Aber die eigentlichen
Probleme, die Bultmann, Baumgärtel und v. Rad umtreiben,
sind damit nicht erledigt.

Mainz Hans Walter W o 1 f f

Smend, Rudolf: Das Mosebild von Heinrich Ewald bis Martin Noth.

Tübingen: Mohr 1959. VII, 80 S. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte
der biblisdien Exegese, 3. DM 8.80.

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine
Preisarbeit, die im Jahre 1957 von der Theologischen Fakultät
der Universität Basel angenommen wurde. Wie der Verf. im Vorwort
sagt, ist er durch die während seiner Vorarbeiten erschienene
Habilitationsschrift der Rezensentin (Das Bild des Mose in der
kritischen alttestamentlichen Wissenschaft seit Julius Wellhausen,
Jena 195 5. Maschinenschrift) genötigt gewesen, anstelle der ursprünglich
geplanten chronologischen Darstellung eine systematische
Anordnung zu wählen, so daß der Titel der vorliegenden
Arbeit jetzt eher lauten müßte: „Die Methoden der Moseforschung
seit 1800". Im ersten Teil befaßt sich Smend mit der
Analyse der Quellen. Nachdem er kurz auf die Bestreitung der
mosaischen Autorschaft des Pentateuchs eingegangen ist, wendet
er sich der mythischen Erklärung zu, wie sie von der „mythischen
Schule", de Wette und den Panbabylonistcn mit verschiedenen
Konsequenzen hinsichtlich der Geschichtlichkeit der Überlieferung
geübt wurde. Danach zeigt er, in welcher Weise durch die
Kritik des Gesetzes die traditionelle Auffassung des Mose als
Gesetzgeber Modifikationen erfuhr. Demgegenüber läßt sich nach
Smend die Auswirkung der Quellenscheidung auf das Mosebild
weniger gut erfassen, ist doch eine rein literarlcTitische Analyse
nicht in der Lage, den geschichtlichen Wert des in den einzelnen
Erzählungsfäden Berichteten zu erweisen. Sodann geht der Verf.
ausführlich auf die Frage der mosaischen Einzeldokumente, vor
allem auf die Herkunft des Dekalogs, ein. Danach würdigt er die
Untersuchungen der vorliterarischen Gestalt der Überlieferung,
wobei er auf bisher übersehene Ansätze zu einer sagengeschicht-
lidien Forschung bei Ewald aufmerksam macht. Kurze Ausführungen
über die biblischen Quellen außerhalb des Pentateuchs, die
außerbiblisch-jüdischen und die außerisraelitischen Quellen bilden
den Abschluß dieses Teiles.

Im zweiten Teil befaßt sich Smend mit der Methode des
Rückschlusses. Zunächst wei6t er darauf hin, daß viele kritische
Forscher ihr Mosebild mit Hilfe der Kombination von Quellenanalyse
und Rückschluß gewannen. Nach Erörterungen über die
Voraussetzungen de6 Rückschlusses, nämlich Entwicklungsgedanke
, Persönlichkeitsidee und Wertung des Anfangs der Religion
und des Religionsstifters, stellt der Verf. dar, in welcher
Weise man versuchte, durch Rückschluß aus der nachmosaischen
Zeit oder aus der Umwelt zur Erkenntnis des geschichtlichen
Mose zu gelangen. Im nächsten Abschnitt, der die Überschrift
„Der Verzicht auf den Rückschluß" trägt, wird gezeigt, daß in
der neueren Forschung der Rückschluß als methodische Möglichkeit
aus verschiedenen Gründen problematisch geworden ist.

Im dritten Teil wendet sich Smend denjenigen Forschern zu,
die sich bemühen, die Bedeutung des Mose mit Hilfe der Analogie
zu erfassen. Hier werden die Versuche aufgeführt, Mose ak
mythische Gestalt, als Religionsstifter, Reformator, Ordens- und
Volksgründer, Theologe, Zauberer, Gesetzgeber, Prophet, Priester
oder als charismatischen Führer zu verstehen. Anhangsweise
geht er noch auf die Hypothese von Kraus bezüglich der Existenz
eines „mosaischen Amtes" ein, dessen erster Träger Mose gewesen
sein soll.

Im vierten Teil erörtert der Verf. zuerst im Anschluß an
Jaspers (Die großen Philosophen I, 1957) Notwendigkeit und
Möglichkeit einer verstehenden Gesamtschau, für die nach seiner
Ansicht folgende Elemente wichtig sind: „die historische Erkenntnis
durch die kritische Methode, das Ergriffensein von der Wirklichkeit
, die Ordnung zur zusammenhängenden Konstruktion"
(S. 64). Danach stellt er verschiedene Typen des Verhältnisses
zwischen verstehender Gesamt6chau und historisch-philologischer
Kritik heraus und zeigt, daß die philologisch-historische Kritik
entweder den Vorrang einnehmen, durch die Gesamtschau ergänzt
oder ersetzt werden kann. Schließlich geht er in dem Abschnitt
„Intuitive Schau als Mittel der Kritik selbst" auf M. Buber ein.
der nach seiner Ansicht das eindrucksvollste Mosebuch geschrieben
hat und dessen Werk „wie ein erratischer Block inmitten der
Bemühungen unserer historischen Methoden" steht (S. 66). Danach
sucht Smend zu erweisen, daß das Mosebild der einzelnen
Forscher von der jeweiligen existentiellen Begegnung mit der
Geschichte abhängig ist. Im letzten Abschnitt über die historische
Distanz wird ein sehr aufschlußreicher Vergleich zwischen der
Behandlung des Moseproblemß und der Geschichte der Leben-
Jesu-Forschung durchgeführt.

Ein Literaturverzeichnis bildet den Abschluß der Untersuchung
.

Angesichts der Lage der alttestamentlichen Wissenschaft
hinsichtlich der außerordentlich unterschiedlichen Lösungen des
Moseproblems füllt die Arbeit von Smend ohne Zweifel eine
Lücke aus, bietet sie doch einen guten systematischen Überblick
über die verschiedenen Methoden, deren man sich in der bisherigen
Moseforschung bedient hat. Gleichwohl kann man sich des
Eindrucks nicht erwehren, daß in manchen Partien eine etwas
gründlichere Darstellung möglich gewesen wäre. So hätte z. B.
deutlicher herausgearbeitet werden können, wie sich die Ergebnisse
der traditionsgeschichtlichen Untersuchung des Pentateuchs
für die Geschichtsforschung auswirken. Das umfangreiche Werk
von C. A. Simpson (The Early Traditions of Israel, 1948), das
auf S. 8, Anm. 2 (vgl. S. 59) kurz charakterisiert wird, verdiente
eine ausführlichere Behandlung. Es fehlt auch ein Hinweis auf die
Versuche einiger Vertreter der schwedischen Schule (I. Engnell.
G. Widengren), die Mosegestalt in das Schema der Königsideologie
einzuordnen.

Im Literaturverzeichnis vermißt man u. a. die Erwähnung
von H. J. Kraus, Geschichte der historisch-kritischen Erforschung
des Alten Testaments von der Reformation bis zur Gegenwart,
1956.

Jena EvaOBwald

Auer, Wilhelm: Das biblische Tharsdiisch.

Bibel und Kirche 14, 1959 S. 112—114.
D u b a r 1 e, A.-M.: La mention de Judith dans la litterature ancienne.

juive et diretienne.

Revue Biblique 66, 1959 S. 514-549.