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Ausgabe:

1960 Nr. 4

Spalte:

263-274

Autor/Hrsg.:

Bardtke, Hans

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1960

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 4

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brächte, so müßte die Magie entweder verschwunden 6ein oder
wenigstens auf dem Totenbett liegen. Aber der Gang der Geschichte
in unserem Jahrhundert scheint der optimistischen Prognose
nicht recht zu geben. Die beiden Weltkriege haben die
düsteren Züge des Volksglaubens gesteigert und beklagenswerterweise
die schwarze Magie neu emporsteigen lassen. Man
glaubt nicht mehr an Gott, aber experimentiert neu mit dem
Teufel. Schon R. Wossidlo stellte 1927 fest: „Es ist unverkennbar
, daß die Nachwirkungen des Weltkrieges die unheimlichen
Züge in- der Volkssage zu verstärken drohen"17. Hexenmeister
machten überall blühende Geschäfte18. Die Entwicklung ist seit-

17) R. Wossidlo. Zur Mecklenburgischen Sagenforschung, i. Jahresberichte
der Mecklenburgischen Lande6universitätsgesellschaft für 1928.

18) Einiges Material bei W. E. Peukert, Volkskundliche Quellen und
Forschungen seit 1930. 1951, S. 76.

dem offenbar weiter bergab gegangen, und leider ist zu befürchten
, daß das Bild, das Johann Kruse entrollt", nicht nur für Holstein
und angrenzende Gebiete Geltung hat. Sollte man die Bedeutung
lebendigen Christentums für die Überwindung der Magie
unterschätzt haben? Ein dunkler Seitentrieb des Pietismus brachte
das Romanusbüchlein hervor. Wir können den Vorgang nicht
anders deuten, als daß lebendige, das Volkstum ergreifende
Frömmigkeit die Magie sichtete und veredelte. Dann aber ist die
Lehre aus der Folgeentwicklung die, daß ein Nachlassen des
Glaubenslebens das magische Begehren nicht nur neu aufflammen
ließ, sondern neu verschwärzte. Ein schmerzlicher Befund, der
manchem zu denken geben sollte!

") J. Kruse, Hexen unter uns? Magie und Zauberglaube in unserer
Zeit, 1951.

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

42. „Zwischen chirbet Qumrän und 'en feschcha"

Von Hans Bar

Die archäologische Erforschung der Qumrängegend ist nach
dem Zeugnis des Ausgräbers1 nunmehr zum Abschluß gekommen.
Die Stratigraphie der Ruinenstätten ist klar, nachdem bei den
Ausgrabungen nördlich der Feschcha-Quelle die gleichen Schichten
festgestellt worden 6ind. Zwar hält Pater R. de Vaux es für
möglich, daß in dem großen Gelände zwischen chirbet Qumrän
und 'en feschcha noch Bautenreste vorhanden sein mögen, aber
er ist der Meinung, daß sie das archäologische Bild, das bisher
gewonnen wurde, nicht zu ändern vermögen und ihre Auffindung
dem Zufall überlassen werden kann*. Damit ist von Seiten der
Archäologie der Beitrag zur Qumränforschung geleistet worden.
Sicher werden noch viele Fragen an den Ausgräber zu richten
sein, aber für ihre Beantwortung wird man das Erscheinen des
endgültigen Grabungsberichtes3 abwarten müssen, der sicher für
zahlreiche Einzelheiten die genauen archäologischen Aufschlüsse
bringen wird. Immerhin lassen sich auf Grund der bisher erstatteten
vorläufigen Berichte, für die man dem verdienstvollen Ausgräber
besonderen Dank zollen muß, gewisse Feststellungen
treffen bezüglich des Geländes südlich von chirbet Qumrän bis
zur Feschcha-Quelle. Jene geben wieder zu vorsichtigen Schlußfolgerungen
Anlaß, die für das geschichtliche Gesamtbild der
Gruppe von Qumrän nicht ohne Nutzen sein dürften. Diesem
Zweck sollen die folgenden Zeilen dienen.

I.

Drei Bauanlagen sind südlich von Qumrän festgestellt worden
. Das erste Gebäude, das aus israelitischer Zeit stammt, aber
auch in der Qumränzeit benutzt worden sein muß, wie der
Scherbenbelag auswies, liegt etwa einen Kilometer südlich der
Qumränterrasse4. Westlich des Gebäudes beginnt ein Mauertrakt
und verläuft nach Süden, wo er anstößt an die Nordwestecke des
Südhofes des Gehöftes bei 'en feschcha. In der Mitte zwischen
dem israelitischen Bau und dem qumränischen Gehöft bei 'en
feschcha liegt an der Mauer ein Bau, den de Vaux auch aus der
Qumränzeit herleitet". Über die Entstehungszeit der Mauer hat

') R. de Vaux, Fouilles de Feshkha, RB LXVI, 1959, 225—255,
speziell 255. Ich verdanke der Güte des Ausgräbers einen Sonderdruck
seines Berichtes.

*) a. Q. 255: „II est possible qu'entre Feshkha et Qumrän, il y ait
des constructions enfouiee, mais rien ne les releve en surface et elles
n'ont certainement l'importance ni de Khirbet Qumrän ni de Feshkha;
leur decouverte ne modifierait pas serieusement le tableau qu'on peut
maintenant tracer".

*) Auf diesen hat de Vaux in der Auseinandersetzung mit Del Me-
dico selbst verwiesen (RB LXVI, 1959, 109).

*) RB LXIII, 1956, 575. Der Ausgräber spricht in diesem Zusammenhang
von „quelques tessons du type de Qumrän ramasses en
surface", denen er aber keine Bedeutung beimißt, weil alles, was mit
den antiken Schichten in Verbindung steht, der Eisen Ii-Zeit angehört.
Wie sind aber diese Scherben der Qumränzeit dorthin gekommen?

") RB LXIII, 1956, 575 f.

d t k e, Leipzig

der Ausgräber keine definitive Entscheidung getroffen, da ihre
Untersuchungen keine Datierungsmöglichkeit ergaben. Er hält ihre
Entstehung in israelitischer Zeit auch für möglich. Ganz gleich in
welche Zeit man die Mauer 6etzt, auf alle Fälle wird sie auch in
der Qumränzeit bestanden haben und ihren Zweck erfüllt haben.
Sie coli zum Schutz gegen wilde und weidende Tiere gedient haben
, um ihr Eindringen in die Feld- und Gartenanlagen der
Küstenebene zu verhindern. Die andere Möglichkeit ihrer Bestimmung
ist der Schutz gegen das Wasser, das infolge der Winterregen
vom Gebirge herabkommt. Bei dieser Bestimmung würde
man erwarten, daß sich auf ihrer Westseite Ablaufrinnen befinden
, wie eine solche von dem Ausgräber in Periode I an der
Nordmauer des Gehöftes bei 'en feschcha6 festgestellt worden ist
Eine dritte Möglichkeit ist nicht erwogen bisher, soweit ich sehe,
nämlich, daß diese Mauer als Abgrenzung des Bereiches diente,
der der Gruppe von Qumrän zur Nutzung überlassen worden
war. Die Mauer war Grenze und hatte juristische Bedeutung.
Wenn ich den Ausgräber richtig verstanden habe, zieht sich der
alte Straßentrakt7 zur Paßstraße über den Feschchapaß westlich
dieser Mauer, während die moderne Straße8 jetzt östlich dieser
Mauer verläuft. Wenn das zutreffend ist, würde die Schluö-
forderung erlaubt sein, daß die öffentliche Straße, die den Zugang
zum südlichen Juda bildete, durch die Siedlung der Gruppe
nicht beeinträchtigt werden durfte. Diese Straße mußte aber dann
südlich der Qumränterrasse vom Gebirgsrand in die Küstenebene
abbiegen und östlich der Terrasse in der Küstenebene weiter
nach Norden gehen. Benutzten Karawanen, Herden mit ihren
Hirten diese Straße, mußte die kultivierte Bodenfläche auch im
Norden durch eine Mauer abgeschlossen sein. Dieser Mauertrakt
müßte dann innerhalb des Kilometers, den das israelitische, von
der Qumrängemeinde benützte Gebäude von der Terrasse entfernt
liegt, von Westen nach Osten zum Ufer sich erstreckt haben
. Das braucht nicht der Fall gewesen zu sein. Dornengehege
können den gleichen Absperrzweck erfüllt haben. Ein« Untersuchung
des Bodens auf Mauerreste würde jedenfalls wünschenswert
erscheinen. Die Westmauer könnte sich noch weiter nach
Norden etwa auf die Höhe der Qumränterrasse hingezogen haben
, sofern dort noch Kultivierungsmöglichkeiten für den Boden
gegeben waren.

Der Charakter der Mauer als einer Grenze für das der Gemeinde
überlassene Kultivationsgebiet geht m. E. noch aus einer
anderen Beobachtung hervor. Das Gehöft 'en feschcha liegt etwa

') RB LXVI, 1959, 247.

*) RB LX, 1953, 541. Die Beziehung dieses Straßentraktes zur
Siedlung auf der Mittelterrasse ist weniger gesichert.

8) Siehe die Karte auf Planche I und die eingezeichnete „pi***
moderne" in RB LXVI, 1959; der französische Forscher M. E. Guillauroe
Rey schreibt, daß er auf seinem Weg nach 'en feschcha diesen Mauertrakt
auf der linken Seite gehabt habe. Siehe meine Übersetzung i»
„Handschriftenfunde II" 1958, 23. Freilich ist zweifelhaft, ob Rey eine»
Straßentrakt folgte, der ihm noch erkennbar war.