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Ausgabe:

1960

Spalte:

207-209

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Wort und Mysterium 1960

Rezensent:

Kinder, Ernst

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deWettes ein, wobei in geschickter Weise zwei Predigten über Luk. 10,
38—42 aus dem Anfang und dem Ende der Predigttätigkeit de Wettes
einander gegenübergestellt werden. Dabei wird herausgestellt, „daß
seine Verkündigung eine immer stärker werdende diristologische Ausrichtung
zeigt" (S. 53), wenn auch die theologischen Voraussetzungen
im Grunde dieselben bleiben. Besonders aufschlußreich ist der Paragraph
über Verkündigung und Mythologie, in dem gezeigt wird, in
welcher Weise de Wette Gedanken des Philosophen Fries auf den
christlichen Glauben und die biblischen Mythen anwendet, ohne freilich
die mit diesem Problem verbundenen Schwierigkeiten bewältigen zu
können. Danach würdigt der Verf. die gottesdienstlichen Gebete.

Ein Verzeichnis der gedruckten und handschriftlichen Predigten sowie
der Gebete bildet den Abschluß dieses Teiles.

Im zweiten Teil befaßt sich Handschin mit de Wettes schriftstellerischer
Tätigkeit. Sein Schauspiel „Die Entsagung" sucht die Grundsätze
philosophischer Ethik (Fries) zu veranschaulichen, steht aber dem wirklichen
Leben fern. Das Hauptanliegen seines gemeinsam mit Friedrich
Schmidt verfaßten Operntextes „Der Graf von Gleichen" ist es, zu
zeigen, wie der Held in allen Lebenslagen die Ruhe der Seele bewahrt.
Besondere Bedeutung kommt dem einst viel gelesenen „didaktischen
Bildungsroman" „Theodor oder des Zweiflers Weihe" zu, in dem teilweise
eigene Lebenserfahrungen verarbeitet sind. Das literarisch bedeutendste
Werk ist nach Handschin der Bildungsroman „Heinrich Melch-
thal, oder Bildung und Gemeingeist", aus dem de Wettes Bildungsideal
erschlossen werden kann.

In einem umfangreichen Anhang (S. 127—327) sind Predigten und
Gebete sowie bisher unveröffentlichtes Material enthalten. Ein Literaturverzeichnis
schließt das Ganze ab.

Man wird dem Verf. dankbar sein, daß er durch seine
Untersuchung über de Wette als Prediger und Schriftsteller auch
diese nicht unbedeutende Seite der Wirksamkeit des großen Gelehrten
gewürdigt hat. Darüberhinaus gibt sie dem Erforscher
der Geschichte der Homiletik eine gute Materialsammlung in
die Hand. Gleichwohl scheint das Thema nicht voll ausgeschöpft
zu 6ein. So empfindet man es z. B. als gewissen Mangel, daß de
Wette als Homilet weithin isoliert dargestellt wird, wenn auch
hin und wieder Vergleiche zwischen seinen Kanzelreden und
anderen zeitgenössischen Predigten gezogen werden. Vielleicht
hätten auch die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge noch
stärker berücksichtigt werden können. Außerdem ließe sich an
Hand der überlieferten Predigten de Wettes Stellung zu aktuellen
Problemen, zu strittigen dogmatischen Fragen, zu Nichtchristen
und Andersgläubigen u. a. deutlicher herausarbeiten. Auch sein
Kampf gegen ein bequem gewordenes Christentum verdiente Erwähnung
. Angesichts des wiederholten Eintretens für die christliche
Liebe und gegen den Haß genügt das, was auf S. 49 zu
diesem Thema gesagt wird, keinesfalls.

Jena Kvu Oflwald

C o p p e n s, Joseph: Das prophetische Argument in der Apologetik
Pascals.

Trierer Theologische Zeitschrift 1959 S. 321—331.
Hase, Hans Christoph von: Der Deutsche Caritasverband.

Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 10, 1959 S. 81—87.
Heyden, Hellmuth: Aktenstücke zur Geschichte der Kämpfe um

Union und Agende in Pommern.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXX, 1959 S. 231—252.

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Vilmars „Theologie der Tatsachen
" und die „Symbolik" Johann Adam Möhlers.
Zeitschrift für Kirchengeschichte LXX, 1959 S. 253—277.

Kleef, B. A. van: Da6 Utrechter Provinzialkonzil vom Jahre 1763.
Internationale Kirchliche Zeitschrift 49, 1959 S. 197—228.

Opp el, Kurt: „Die Zukunft der inneren Mission" in der Sicht Friedrich
Naumanns — eine geschichtliche Untersuchung.
Zeitschrift für evangelische Ethik 1959 S. 340—353.

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKÜISDE

' WoT t und Mysterium. Der Briefwechsel über Glauben und Kirche
1 573 bis 1581 zwischen den Tübinger Theologen und dem Patriarchen
von Konstantinopel. Hrsg. vom Außenamt der Evangelischen Kirche
in Deutschland. Witten: Luther-Verlag 1958. 300 S. m. Abb., 5 Taf.
gr. 8° = Dokumente der orthodoxen Kirchen zur ökumenischen Frage.
Bd. II. Lw. DM 26.-.

Dieser Edition des berühmten theologischen Briefwechsels
zwischen den Tübinger Theologen und dem Patriarchen Jeremias
II. von Konstantinopel in deutscher Übersetzung liegt, wie

das Vorwort von Gerhard Stratenwerth sagt, ein aktuelles Gegenwartserfordernis
zugrunde, nämlich: der theologischen Auseinandersetzung
, die durch die neue Begegnung von östlich orthodoxem
und reformatorischem Kirchentum in unseren Tagen dringlich
geworden ist, grundlagenmäßig zu dienen. Diese theologische
Auseinandersetzung muß irgendwie an jene erste Fühlungnahme
und jenen ersten klassisch zu nennenden theologischen Austausch
von Reformation und Orthodoxie wieder anzuknüpfen suchen, die
damals, von beiden Seiten mit großer Leidenschaft und als deutlicher
Versuch der Gewinnung von Kirchengemeinschaft durchgeführt
, doch ganz negativ ausgingen. Es ist zweifellos sehr wichtig
und verdienstvoll, daß jene Erstauseinandersetzung hier einem
weiten Kreise quellenmäßig und mit genauen Einleitungen zugänglich
gemacht wird. Diese Edition will ,,in erster Linie Pfarrern
und Gemeinden, die immer häufiger mit Orthodoxen zusammenkommen
, einen Dienst leisten... Der Historiker und Kirchen-
kundler mag es darüber hinaus dankbar begrüßen, auf diese Weise
für seine Studenten einen leichten Zugang zu 6onst verborgenen
Quellen zu erhalten" (8).

Der Band ist gediegen ausgestattet, und die wissenschaftliche
Sorgfalt und Sauberkeit der Edition ist musterhaft. Außer den
Texten des theologischen Briefwechsels selbst werden die wichtigsten
Stücke der persönlichen Korrespondenz zwischen Tübingen
und Konstantinopel geboten, die den theologischen Austausch
einleitete und weiterhin durchzog, ferner (unter den reichhaltigen
Anlagen) Äußerungen Luthers zur östlich orthodoxen
Kirche und Schreiben Melanchthons zur Versendung der „Con-
fessio Augustana graeca" sowie Auszüge aus dem Konstantinopler
Tagebuch von Stephan Gerlach, die dem Ganzen ein lebensvolles
Zeitkolorit geben.

Am Ende des Anhangs werden Proben aus Briefen Konstantinopler
Hierarchen an den Moskauer Zaren Fjodor Iwanowitsch gebracht. Diese
sind als Illustration der großen kirchenpolitischen Hintergründe interessant
; hätten aber nicht auch entsprechende Zeugnisse zur römischen
Seite hin gebracht werden dürfen?

Eine ausführliche Einleitung aus der Feder von Hildegard
Schaeder führt ausgezeichnet in das Ganze ein. Der Leser
bekommt hier genaue Unterrichtung in bezug auf die historischen
Vorgänge, auch in bezug auf die, z. T. mutmaßlichen, kirchenpolitisch
- politischen Zusammenhänge vor allem im Blick auf
Konstantinopel (über entsprechende „Nebenmotive" auf Tübinger
Seite würde man gern etwas mehr hören) und vor allem in bezug
auf die vorliegenden theologischen Probleme. Bemerkenswert
starke Bedeutung wird zum Verständnis der Konstantinopler
Theologie ihrer Verwurzelung in der hochbyzantinischen dynamischen
Gnaden- und ,,Energien"-Lehre des 14. und 15. Jahrhunderts
beigemessen, vielleicht etwa6 zu 6tarke; aber abgesehen
davon ist es doch sehr wertvoll, daß an der Spitze der Anlagen
die Texte des Glaubensbekenntnisses des Gregor Palamas aus dem
14. und die des Genadios Scholarios aus dem 15. Jahrhundert
dargeboten werden, die die ersten orthodoxen „Glaubensbekenntnisse
" nach den 7 ökumenischen Konzilien darstellen, denen sich
die vorliegenden Darlegungen des Patriarchen Jeremias II. als
drittes anschließen. — In der im einzelnen sehr hilfreichen theologischen
Einführung und Interpretation greift H. Schaeder in
Typisierung der Unterschiede (z.B. S. 22; hieraus ist der etwas
zu „schmissige" Titel „Wort und Mysterium" entstanden) und
in Prognosen und „Richtlinien" für eine heute besser zu erstrebende
Verständigung (S. 23 ff.) für eine Edition vielleicht etwas
zu sehr mit ihrer persönlichen Beurteilung der Dinge vor. — Besonders
dankenswert ist auch die ungemein reichhaltige Bibliographie
am Schluß.

Bultmanns Äußerungen zur „Entmythologisierung" gehörten wohl
besser an einen speziellen Punkt der theologischen Einleitung, nicht in
die allgemeine Bibliographie; sonst müßte hier noch viel sonstiges Ähnliches
aufgeführt werden. — Vermißt wird in der Bibliographie von
P. Fraenkel, Rezension in der Luth. Rundschau 1959/60, H. 1 (Mai 1059).
104 u.a.: Pontien Polman, L'argument historique dans la controverse
religieuse du 16e siecle, Gembloux 1932, und F. W. Kantzenbach, Das
Ringen um die Einheit der Kirche, 1957. Außerdem sähe er, wie auch
ich, gern noch einige neuere Arbeiten über das Verhältnis der lutherischen
Reformation zur Alten Kirche.

Das eigentliche Corpus des Ganzen bilden die Texte des
dreimaligen theologischen Schriftwechsels zwischen Tübingen und