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Ausgabe:

1960 Nr. 3

Spalte:

195-196

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Munck, Johannes

Titel/Untertitel:

Petrus und Paulus in der Offenbarung Johannis 1960

Rezensent:

Bornkamm, Günther

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195

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 3

196

NEUES TESTAMENT

Munck, Johannes: Petrus und Paulus in der Offenbarung Johannis.

Ein Beitrag zur Auslegung der Apokalypse. Kopenhagen: Rosenkilde
& Bagger in Komm. 1950. 126 S. gr. 8° = Det Laerde Selskabs Skrif-
ter. Teologiske Skrifter 1. Dan. Kr. 10.—.

Die scharffinnige, gelehrte Studie des Aarhuser Neutestamentiere
, die versehentlich hier ungebührlich spät zur Anzeige
kommt, versucht mit einer originellen, unerwarteten Deutung
den dunklen Text Apk 11, 3—13 aufzuhellen. Die neuere Forschung
, vertreten vor allem durch Bousset, Charles, Lohmeyer,
Hadorn, Mosbech, J. Jeremias u. a., findet meist in den beiden
Zeugen, die hier als prophetische Bußprediger auftreten, mit
Strafgewalt ausgestattet sind, von dem Tier aus dem AbgTund
getötet werden, aber unbestattet liegen bleiben, um danach, von
dem Geiste Gottes auferweckt, gen Himmel zu fahren, Moses
und Elias wieder, — im Unterschied zu der altkirchlichen Auslegung
, die sie fälschlich mit Elias und Henoch identifizierte.
Der Verfasser bestreitet nachdrücklich die Gleichsetzung der
Zeugen mit Moses und Elias; sie komme schon darum nicht in
Frage, weil deren paarweises Auftreten in angeblich jüdischer
Tradition durchaus nicht allgemein und geläufig sei und von Tod
und Auferstehung beider nirgends geredet werden könne. Dagegen
sollen die Angaben über Petrus und Paulus in der altchristlichen
Literatur den Bericht von Apk 11 in fast allen
Einzelheiten bestätigen. Beide heißen fidgrvQeg (bes. Apg 22,
15. 16 und l.Ptr 5, 1), genießen eine Sonderstellung und gelten
seit 1. Clem 5; IgnRöm 4, 3 (?) und den apokryphen Apostelakten
als römische Märtyrer. Von ihren Strafwundern berichtet die
Apostelgeschichte und apokryphe Überlieferung, in Apk 11 ist
dies in Anlehnung an die Elias- und Mosesgeschichte geschildert.
Daß nach Vollendung ihres Zeugnisses der Antichrist erscheint,
wird mit der auf die apostolische Predigt gedeuteten xare%mv-
Stelle 2. Thess 2 und Apg 20, 29 ff.; l.Tim 4, 1 ff.; 2. Tim 3,
1 ff. belegt; eine Besonderheit der Stelle Apk 11 ist lediglich, daß
die Zeugen vom Antichrist selbst getötet werden. Die „große
Stadt" kann nach Meinung des Verfassers nicht Jerusalem, sondern
nur Rom sein, wie das hier auftretende Volk aus aller Welt
und die apokalyptischen Decknamen Sodom und Ägypten beweisen
. Die widersprechende Notiz „wo ihr Herr gekreuzigt
wurde" (11,8) muß bei dieser Deutung dann freilich als spätere
Glosse fallen, wenn man sie nicht als Wieder-Sterben des Herrn
in seinen Zeugen verstehen will. Schwierig und unvereinbar mit
der sonstigen Tradition bleibt die Angabe, daß die Leichname
beider unbestattet bleiben und alsbald auferstehen und zum Himmel
auffahren. Doch glaubt der Verfasser in der Apk eine ältere
Tradition über das Martyrium der beiden Apostel erkennen zu
können, die bald, nachdem man ihre Gräber gefunden zu haben
meinte und Interesse an ihnen nahm, im Sinne der späteren Tradition
abgewandelt wurde. Die ältere Vorstellung dagegen
rechne noch mit der schon Phil 1 erkennbaren Anschauung, daß
der Märtyrer-Apostel unmittelbar nach seinem Tode auferweckt
und zu Christus entrückt worden sei. Das exegetische II. Kapitel
des Buches und der Vergleich von Apk 11 mit den übrigen
Traditionen über Petrus und Paulus in Kapitel IV führen die
Thesen des Verfassers durch. Das III. Kapitel stellt den behandelten
Text in den Aufbau der ganzen Johannesapokalypse hinein
und gibt ihm eine für das leitende Voretellungsschema
(eschatologische Zeichen, Verfolgung, Erscheinung des Antichristen
) charakteristische Schlüsselstellung. Das letzte V. Kapitel
der Untersuchung bringt eine kritische Auseinandersetzung
vor allem mit Bousset (Der Antichrist, 1895). Dieser wollte eine
eigene, aus dem apokryphen Spätjudentum stammende „Tradition
" in Apk 11 und der altkirchlichen Exegese nachweisen.
Doch fehlt der letzteren nach Munck dafür schon in der Frage
nach dem Zeitpunkt des Erscheinens der Zeugen durchaus die
von Bousset behauptete Einhelligkeit; sie erweist sich ihm als eine
in allem Wesentlichen auf Hippolyt zurückgehende, im einzelnen
variierende Tradition biblisch-christlicher Exegese. Auch J. Jeremias
' Versuche (Art. 'Hteia? und Mmilarji , ThWb II und IV),
in Weiterführung von Bousset, besonders auf Grund der erst
1899 veröffentlichten Elias-Apokalypse und jüdischer Moses-
Legenden, ein vorchristliches Bild vom Leiden beider Messias-

Vorläufer zu gewinnen, wird vom Verfasser kritisiert und zumal
für Apk 11 abgewiesen.

Was die eigene Hypothese der Untersuchung angeht, so
gestehe ich, daß 6ie mich nicht überzeugt hat. Das Mosaik zum
Teil weit — bis in die apokryphen Apostelakten — verstreuter
und nirgends zureichender Parallelen ergibt auf keinen Fall das
geschlossene apokalyptische Bild von Apk 11. So halte ich es
immer noch für da6 wahrscheinlichste, daß der Abschnitt eine
freilich christianisierte und d. h. mit Zügen christlicher Märtyrertheologie
ausgestattete spätjüdische Elias/Moses-Tradition
verarbeitet, auch wenn diese nur noch spärlich und annähernd zu
belegen ist, vor allem in der m.E. mit Recht von J. Jeremias angezogenen
, von dem Verfasser dagegen zu Unrecht als „verworren"
bezeichneten Elias-Apokalypse. Diese verlangt schon aus form-
und traditionsgeschichtlichen Gründen eine stärkere Berücksichtigung
als der Verfasser wahr haben will, zumal hier in überraschendem
Maß charakteristische Einzelzüge von Apk 11
wiederkehren (Martyrium der beiden Zeugen, dreieinhalbtägige
Schändung der Leichname; Auferstehung; Himmelfahrt), während
die Apostelhypothese des Verfassers an entscheidenden
Stellen zu der problematischen Annahme von älteren Traditionen
über das Martyrium des Petrus und Paulus, ihre einzigartige
eschatologische Berufung und ihre heilsgeschichtliche Sendung
nötigt, für die sonst jegliche Spuren fehlen. Gegen die Annahme,
daß den beiden Aposteln an dieser Stelle ein 60 bedeutsames
Denkmal gesetzt sei, dürfte auch die Tatsache sprechen, daß
zwar die Zwölf-Apostel-Vorstellung in c. 21, 14 gewichtig begegnet
(freilich ohne Nennung und Hervorhebung eines einzelnen
), aber das ganze, ja doch in dem kleinasiatischen Missionsbereich
des Paulus beheimatete Buch von dem Gründer dieser
Gemeinden erstaunlicherweise auch nicht die geringste Notiz
nimmt. Endlich bleibt die Streichung der Notiz in 11,8, die
nicht auf Rom, sondern auf Jerusalem weist, eine fragwürdige
Auskunft, die dagegen erhobenen Einwände des Verfassers verlieren
an Gewicht, wenn man sich klar macht, daß in einem
apokalyptischen Text ja nicht historisch und geographisch präzise
Angaben zu erwarten sind, weil alles sofort in apokalyptisch
-kosmischen Horizont gerückt ist. Ohne der speziellen
These des Verfassers zustimmen zu können, meine auch ich, daß
in der Tat die beiden Figuren der alttestamentlich-jüdischen
Tradition nicht mehr unverändert in den beiden Zeugen erkennbar
sind, auch wenn Züge ihrer Geschichte auf diese übertragen
werden. Vielmehr dürfte in dem mit alttestamentlichen Motiven
und Farben gemalten Bild das Schicksal des Leidens und der Verherrlichung
der Gemeinde vorgezeichnet sein, ein die ganze
Offenbarung bis in die Komposition ihrer Visionen hinein auch
sonst beherrschendes Thema.

Heidelberg Günther B o r n k <i m m

Adam, Alfred, Prof. Dr.: Die Psalmen des Thomas und das Perlenlied
als Zeugnisse vorchristlicher Cnosis. Berlin: Töpelmann 1959. XI,
90 S. gr. 8° = Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft
und die Kunde der älteren Kirche, hrsg. v. W. Eltester, Beiheft
24. DM 13.-.

Der erste Teil des vorliegenden Werkes ist den Psalmen des
Thomas gewidmet; d. h. den Psalmen, die dem koptisch erhaltenen
manichäischen Psalmbuche angehängt sind und dort die
Überschrift tragen „Die Psalmen des Thöm" (C. R. C. Allberry.
A Manichaean psalm-book II 1938, S. 203ff.). Verf. teilt zunächst
eine neue Übersetzung der Psalmen mit, bei der Waltet
Till Hilfe leistete; dabei konnten auf Grund von Lichtbildern
einige Stellen des Textes berichtigt werden. Nach einem Überblick
über die genannten Psalmen wird zunächst der 1. Psalm besprochen
. Verf. bezeichnet ihn wohl mit Recht als vorgnosti6ch:
der Gegensatz von Licht und Finsternis wird hier dargestellt, dazu
die Überwindung der Finsternis durch das Licht. Es bestehen
Beziehungen zu Weish. 18, 12—16; unbewiesen scheint mir, daß
in der Weish. der 1. Thomaspsalm benutzt ist; sein vorchristlicher
Ursprung ist also unsicher. Der 2. Psalm schildert die Gefangenschaft
und Erlösung der Seele (d. h. der Gesamtseele, wie der
Verf. wohl mit Recht deutet). „Die erlösende Wirkung dieser
Gestalt besteht darin, daß das Ganze seine Teile erlöst. Wir begegnen
in der Gestalt dieser Gesamtseele, der anima generalis.