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1959

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literatmrzeitung 1959 Nr. 2

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würdigen Appropriation der efficatia an den Heiligen Geist"
(S. 341).

Schwerer wiegt noch die Kritik Krusches am zweiten charakteristischen
Moment der Geistlehre Calvins, an der sog.
Kontingenz der Wirksamkeit des Geistes, die Calvin auf „Gottes
souveräne Freiheit" hin (S. 342), ja, „ganz in Richtung auf
Transzendenz hin" (343) auslegt, während nach der Meinung des
Verf.s der Begriff der Kontingenz „theologisch legitim ist nur
im Sinne von kondeszendenter Kontingenz" (S. 343). Krusche
denkt dabei an die so oft von Calvin hervorgehobene Freiheit
Gottes, die er in dem doppelten Sinn versteht, daß „Gott — auch
wenn er sich der Mittel bedient — nicht an sie gebunden ist,
sondern durch seinen Geist grundsätzlich auch unvermittelt handeln
kann, und daß Gott sich der Mittel 60 bedient, daß eT seine
Kraft nicht an sie abtritt. . ." (S. 342).

„In der mit einem solchen Begriff von Kontingenz gegebenen
Gefährdung der kondeszendenten Struktur der Geistwirksamkeit
liegt" nach der Meinung des Verf.s „der eigentlich kritische
Punkt von Calvins Pneumatologie" (S. 343).

Zu diesen kritischen Äußerungen soll hier nicht Stellung
genommen werden. Die eingehenden Untersuchungen und die
beachtliche Quellenkenntnis des Verf.s bewahren ihn vor summarischen
Werturteilen, die man in der Literatur über die Theologie
des Genfer Reformators sonst nicht 6elten finden kann. Es
ist im Gegenteil erfreulich, daß Krusche am Ende seines Buches
seine eigene Beurteilung der Pneumatologie Calvins erkennen
läßt und dadurch zu weiterem Nachdenken nicht nur über Calvins
Geistlehre, sondern über Inhalt und Funktion einer evangelischen
Lehre vom Heiligen Geist überhaupt anregt.

Frankfurt/Main Wolfgang Kratz

F i o r i t o, Miguel Angel. S. J.: Memoria — Imaginacion — Historia en

los Ejercicios de san Ignacio de Loyola.

Ciencia y Fe 14, 1958 S. 211—236.
Locher, Gottfried W.: Huldrych Zwingiis Botschaft.

Zwingliana X, 1958 S. 591—602.

Moser, Andres: Die Anfänge der Freundschaft zwischen Zwingli und
Ökolampad.

Zwingliana X, (1958) S. 614—620.
V a j t a, Vilmos: Die Theologie des Gottesdienstes bei Luther. Berlin:
Evangelische Verlagsanstalt (Lizenzausgabe des Verlages Vandenhoeck
* Ruprecht, Göttingen) [195 8]. XIX, 37 5 S. gr. 8°. DM 17.50.
(Vlg. Besprechung in ThLZ 1954, Sp. 621.)

Wadewitz, W. K.: Origens e Histöria da F6rmula de Concördia
(Continuacäo).

Igreja Luterana 19, 1958 S. 163—168.

KIRCHEN GESCHICHTE: NEUZEIT

c h t e r, Liselotte, Prof. Dr. Dr.: Immanenz' und Transzendenz
nachreformatorischen Gottesbild. Berlin: Evangelisohe Verlagsanstalt
[1954]. 128 S. gr. 8°. DM 9.-.

Vertrieb für die Bundesrepublik: Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
Die Verfasserin stellt sich, ihrem systematisch-philosophischen
Interesse gemäß, für das Historisch-kirchenhistoxi6che vor
allem von Karl Holl (insbes. dem Aufsatz über die Kulturbedeutung
der Reformation) angeregt, die Aufgabe, die Bewahrung,
Weiterbildung, Entstellung, Preisgabe des reformatorischen, speziell
bei Luther erreichten Gottesverständnisses zu erfassen. Der
Rahmen wird so allgemein wie möglich als „Säkularisierung der
Tran6zendenzvorstellung" (8) bezeichnet, das inhaltliche Anliegen
konkret als Verhältnisbestimmung „zwischen Luthers Gottesanschauung
und dem neuen Pantheismus von 1789" (9) ergriffen.
Im Gegensatz zur üblichen Ableitung des Pantheismus aus der
antiken Erbmasse des Abendlandes sieht ihn die Verfasserin „im
eigentlichen prägnanten Sinne" erst in Luthers Gottesanschauung
erreicht, weil erst sie mit der „lebendigen Spannung zwischen der
Gottferne des Sündenernstes und der Gotterfülltheit des neuen
Gnadenstandes" (13) eine problematische, problemhaltige, problemerfüllte
Einheit zwischen Transzendenz und Immanenz möglich
mache. Erster Beweis ist — naheliegend genug — Luthers
Abendmahlsanschauung. Ihm schließt sich im Sinne der Verfasserin

Johann Arnd(t) an, dem die Verfasserin infolge seiner betont
festgehaltenen lutherischen Rechtgläubigkeit eine besondere Beweiskraft
zubilligt. In 6einer, besonders in Buch 4 des Wahren
Christentums entwickelten, Naturanschauung findet die Verfasserin
das Abgleiten vom ursprünglichen Erleben der Gott-
Welt-Einheit in die blasse Reflexion, für welche die emblematische
Mystik die angemessene Ausdrucksform darstellt. Sie beobachtet
treffend, daß Schwankungen vorliegen — Hinweise nach rückwärts
auf Luther, nach vorwärts auf Herder, Goethe und Schiller in
seiner „Theosophie des Julius", deren Bedeutung die Verfasserin
durchgängig mit Nachdruck herausstellt. Vielleicht ist in dem
folgenden Satz eine zusammenfassende Charakteristik Arndts am
fhesten erreicht: „Die Natur ist noch nicht in ihrer unendlichen
"eite und Erhabenheit, überhaupt noch gar nicht mit ästhetischen
Kategorien gesehen, sondern in treuherziger Biederkeit und
Philiströser Enge, aber es fehlt doch auch nicht das ftav/udtstv
y°t der Abgründigkeit ihrer letzten Geheimnisse, und die ganze
Magie und Mystik ist doch ein Ausbruch aus den Grenzen der
"blichen Selbstbeschränkung" (22). Jakob Böhme, dem die Verfasserin
bereits 1943 eine Sonderdarstellung (Jakob Böhme, My-
Schau) gewidmet hatte, radikalisiert die Arndtischen Mög-
''chkeiten zu einer echten Gottesdialektik, die für die Verfasserin
unter dem Zwange ihrer Fragestellung eine Gott-Natur-Dialektik
'st. Zugleich weist er in die Richtung einer reinen Innerlichkeit,
?"e das Gott-Natur-Verhältnis auflöst; diese Konsequenz hat
^alentin Weigel gezogen. In ihm erblickt die Verfasserin den
"dpunkt der angedeuteten Entwicklung von der Einheit Luthers
2Ur Naturentfremdung. Damit scheint der Weg zunächst abgebrochen
. Es ist die Leistung von Leibniz, hier durch die Aufnahme
des neuen naturwissenschaftlichen Weltbildes die Tür geöffnet
zu haben. Sein differenziertes System vermag den Span-
nungsreichtum der religiösen Welt- und Gottesschau aufzunehmen
. Auf der anderen Seite setzt der Pietismus Speners zu einer
"^'ederaufnahme Luthers in verschiedener Richtung an: Er vergeht
, „Luthers gemeinsame, das Ganze des Daseins tragende
Ursprüngliche Glaubensebene zurückzugewinnen" (40), er erreicht
e'nen geschmeidigen Naturbegriff, „der dem Einsgefühl von Na-
tUr und Gott in besonderer Weise nahestand" (41). Freilich genügt
das alles nicht, um die Gefahren zu bannen, die von einem
volligen Subjektivismus heilsegoistischer Prägung drohten. Geringer
führt dann, namentlich auch durch die Anknüpfung an Shaftes-
j>urys common sense und Gefühlsphilosophie, sowie durch seine
"'blizistische Betonung der Geistleiblichkeit zu dem modernen
Pantheistischen Weltempfinden hinüber. Die Verfasserin weist
om. folgenden nach, daß Goethes positives Verhältnis zu
Spinoza durch Gottfried Arnolds freundliche Kritik an Spinoza
Wesentlich mitbestimmt ist. Im folgenden zeigt sie, sorgsam
'fterpretierend, Jacobis Versuch, unter Aufnahme von Hemster-
nuis, „von dem teils pietistischen, teils ästhetischen Glaubens-
gefühl bewußt in die Tiefe des reformatorischen Glaubensernstes
e'nzudringen" (76) und faßt Hamann als die Erfüllung dieses
ptebens auf. Daran schließt sich die Darlegung reformatorischer
'"Karnationsmotive bei Herder, Goethe und Schiller, wobei sie
dle Bekenntnisse zum Deus absconditus fast als den nächstverwandten
Zug empfindet. Sie gipfeln in dem Preis der Liebe
als der einzigen und echten Weise, „den in der Natur auseinandergeteilten
Gott wieder zu einigen und in ihm aufzugehen" (102).
Abschließend sucht die Verfasserin „das gei6tesgeschichtliche
Wesensgesetz" an der Entstehungsgeschichte des frühidealistischen,
*n Spinoza genährten Pantheismus zu erweisen: „Nicht m i t
der theologischen Tradition, sondern gegen sie erfolgte die
Rückgewinnung und Weiterbildung der reformatorischen Frömmigkeitsmotive
" (108). Schließlich gipfelt der Wiedergewinn in
"egels Vollzug des Lebens sowohl inhaltlich als „Versöhnung
mit dem Schicksal dweh die Liebe" als formal durch den Aufstieg
2U immer höherer Bewußtheit (110,112). In 12 Schlußthesen
taßt die Verfasserin ihre Ergebnisse zusammen und will dabei
methodisch die inhaltliche philosophische Fruchtbarkeit christlichtheologischer
Glaubenshaltung erweisen — ähnlich wie es vor
ihr außer Hegel Carl August Emge und Hans Reiner getan haben,
mn interessanter Anhang macht die theologische Tradition zu
Kants „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft"
von Melanchthons Loci an deutlich.