Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 2

Spalte:

115-117

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Krusche, Werner

Titel/Untertitel:

Das Wirken des Heiligen Geistes nach Calvin 1959

Rezensent:

Kratz, Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

115

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 2

116

Schrift eine Einführung in die neue Täuferforschung geben. Im
ersten Teil werden deshalb die Quellen aufgezeigt und gewürdigt
. Über das Täufertum holländisch-friesischer Prägung, wie es
in seiner radikalsten Form in Münster zur Herrschaft kam, bis
zur abzulehnenden These einer Verbindung der Zwickauer Propheten
mit dem Täufertum wird der Leser mit allen Fragen der
modernen Quellenforschung in gebotener Kürze vertraut gemacht.
Manche Ansichten werden danach als überholt zu gelten haben.
Der Hinweis St.s, daß das bisher veröffentlichte Täufermaterial
für die münsterische Täufergeschichte noch lange nicht ausgewertet
ist, erhält durch neue wichtige Funde des Verfassers in Straßburg
besonderes Gewicht. St. fand u. a. eine noch unbekannte
Täuferschrift Bernt Rothmanns, sowie verschiedene Flugblätter
aus der letzten Zeit der münsterischen Belagerung.

Nach der Darstellung der Quellenlage legt St. im zweiten
Teil seines Berichtes das Schwergewicht auf einige wichtige Fragen
des Forschungsgebietes. Der Darstellung der heutigen Schweizer
Forschung wird dabei ebenso wie der der Niederländischen
besonderer Raum gewidmet. Aufgezeigt wird dabei, daß das
Schweizer Ergebnis nicht ohne weiteres auf den Befund im Norden
übertragen werden kann, wie ja auch die Bezeichnung „Täufer
" bzw. „Wiedertäufer" inzwischen symptomatisch für je eine
bestimmte Auffassung geworden ist.

Die von St. gezeigten Zusammenhänge vermitteln dem Forscher
neue Perspektiven in theologischer, politischer, sozialer und
rechtsgeschichtlicher Hinsicht. Abschließend sei darauf hingewiesen
, daß St. eine Reihe „Die Schriften der münsterischen Täufer
und ihrer Gegner" vorbereitet, deren erster Band „Die Schriften
B. Rothmanns" noch in diesem Jahr erscheinen soll. Hier wird
dann u. a. die oben erwähnte Schrift Rothmanns vorgelegt. Diese
erste zusammenfassende Edition ist um so mehr zu begrüßen, als
6eit der letzten Einzelausgabe durch H. Detmer nunmehr fast
60 Jahre verstrichen sind.

Berlin Hans-Ulrich Deliuj

Krusche, Werner: Das Wirken des Heiligen Geistes nach Calvin.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1957. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt
[19571. VIII, 348 S. gr. 8° = Forschungen zur Kirchen-
und Dogmengeschichte Bd. 7.

Werner Krusche hat sich mit seiner Dissertation über Calvins
Pneumatologie keine leichte Aufgabe gestellt. Er deutet die
Schwierigkeit seines Themas gleich zu Anfang seiner Untersuchung
selbst an, wenn er die Bedeutung der Geistlehre in Calvins
Theologie folgendermaßen charakterisiert: „Mit noch größerem
Recht (sc. als bei Butzer) könnte man bei Calvin von einer
.Allwirksamkeit Gottes im Geist' sprechen..., insofern der Universalismus
des Geistwirkens bei ihm wirklich alle Bereiche umgreift
" (S. 12). Unter .Universalismus des Geistwirkens' versteht
der Verf. den Gedanken Calvins, daß „alles, was Gott wirkt

- und er wirkt alles und wirkt immer! — in seiner Wirkung
Wirken des Heiligen Geistes i6t... Alles göttliche Handeln ist in
ßeiner Spitze pneumatisch" (S. 11).

Darum muß eine Untersuchung der Geistlehre Calvins mehr
oder weniger alle bedeutenderen theologischen Fragestellungen
des Reformators auf ihren pneumatologischen Bezug hin abhorchen
.

W. Krusche hat sich dieser mühsamen Arbeit mit bemerkenswerter
Gründlichkeit und erstaunlicher Kenntnis auch der exegetischen
und homiletischen Schriften Calvins unterzogen. Besonders
dankbar ist man dem Verf. dafür, daß er 6ich aller schematischen
und polemischen Urteile enthält und auf weite Strek-
ken hin die oft so komplizierten Überlegungen des Reformators
lediglich gewissenhaft nachzuzeichnen versucht.

Der Gedankengang der Monographie ist klar und übersichtlich
: Nach einer knappen trinitätstheologischen Grundlegung

— in der dem Reformator ein „leichtes Modalisieren" nachgewiesen
wird (S. 10) — zeichnet der VeTf. den ganzen Komplex der
calvinischen Geistlehre in drei großen Kapiteln nach: 1. Der
Heilige Geist und der Kosmc«. 2. Der Heilige Geist und der
Mensch. 3. Der Heilige Geist und die Kirche. Zwar hängen die
so beschriebenen drei Bereiche der Geistwirksamkeit innerlich
zusammen: „Weil es der eine Heilige Geist ist, der hier wirksam
ist, deshalb sind Natur, Geschichte und Heilsgeschichte teleologisch
aufeinander bezogen" (S. 13): „Der Kosmc« ist um der
Menschheit, die Menschheit um der Kirche willen da" (ib.).
Andererseits sind sie aber dadurch voneinander unterschieden,
daß „es der Geist des ewigen sermo ist, der das Handeln der
göttlichen Vorsehung zur Wirkung bringt.. .", während „es der
Geist des Mittlers Jesus Christus ist, der Gottes Erwählungs-
handeln wirksam macht" (S. 14).

In den beiden ersten Abschnitten über das Wirken des
Heiligen Geistes in der Welt und am Menschen untersucht
Krusche nun die Aussagen Calvins über jenen vom göttlichen
sermo ausgehenden Geist. Während „es zur Erkenntnis Gottes
und des göttlichen Gesetzes nur durch die eschatologische Gabe
des Kindschaftsgeistes kommen kann", spricht Calvin andererseits
von „natürlichen, d. h. Glaubenden wie Nichtglaubenden
zuteilwerdenden zeitlichen Gaben des Heiligen Geistes zur Welterkenntnis
und Weltgestaltung" (S. 121). Der Verf. vermerkt
dabei ausdrücklich und kritisch, daß es sich bei diesen Aussagen
Calvins eher um einen „humanistischen Rest", ak um eine
„pneumatologische Konseqenz der neutestamentlichen Aussagen
von Jesus Christus als dem Haupt der Schöpfung" handelt
(S. 124. vgl. S. 341).

Damit tritt eines der wichtigsten Probleme der Christologie
Calvins in den Kreis der Untersuchungen: das Problem des 60g.
Extra-Calvinisticum. Es erfährt vom Geistverständnis Calvins
aus folgende interessante Interpretation: „Das 60g. Extra-Calvinisticum
ist nicht lediglich eine Konsequenz aus dem Prinzip:
finitum non capax infiniti (eine Formulierung, nach der man bei
Calvin übrigens vergeblich suchen wird), sondern es ist pneuma-
tologisch gefordert. Es 6oll damit sichergestellt werden, daß Gott
der Sohn auch nach seiner Menschwerdung der bleibt, der durch
den Geist alles Geschaffene am Leben erhält, und daß der Menschgewordene
, wenn er durch seinen Geist das neue Leben schenkt,
es nicht allen schenkt" (S. 128).

Hier wie an vielen anderen Stellen der Untersuchung Kru-
sches wird deutlich, wie sehr die Frage nach Calvins Geistverständnis
auch zur Klärung anderer Probleme in der Theologie
des Reformators beiträgt.

Dem Zusammenhang zwischen Calvins Geistverständnis und
seiner Lehre von Christus, dem Heil und der Kirche widmet der
Verf. den weitaus längsten Teil seines Buches unter der Überschrift
: Der Heilige Geist und die Kirche. Dieses Kapitel wird in
vieT Abschnitte gegliedert: a) Der Heilige Geist und der Heilsmittler
; b) Der Heilige Geist und das Zeugnis vom Heil; c) Der
Heilige Geist und die Heilsmitteilung; d) Der Heilige Geist und
die Heilsgemeinde.

Es ist unmöglich, die vielfältigen und gründlichen Untersuchungen
dieses Kapitels hier auch nur in ihren Ergebnissen
mitzuteilen. Besonders hingewiesen sei nur auf die überzeugende
Darstellung der schwer zu erfassenden Lehre Calvins über da«
Verhältnis von Geist und Wort, Geist und Heiliger Schrift.
Krusche faßt als Ergebnis dieses Fragenkreises zusammen: „Man
kann Calvin nicht zum Vater der altprotestantischen Inspirationslehre
machen. . ., Calvin steht in der Frage der Inspiration ganz
nahe bei Luther" (S. 184).

In einem kurzen Schlußteil faßt Krusche das Ergebnis seiner
vielschichtigen Untersuchungen zusammen. Zwei Punkte sind es,
die er vor allem als charakteristisch für Calvins Geistlehre hervorhebt
und an denen die Kritik des Verf.s einsetzt. Es handelt
sich um die Momente der „Universalität" und der „Kontingenz"
im Geistverständnis Calvins.

Zum ersten Punkt, dem der Universalität, schreibt der Verf..
„Muß nicht da, wo dem Heiligen Geist die virtus und efficacia
appropriiert wird, wo er in einer so durchgängigen Weise als der
effector allen göttlichen Tuns bezeichnet wird, das Wirken des
Geistes das Werk de6 Vaters und des Sohnes überschatten, auch
wenn seine Besonderheit gerade darin besteht, das Werk des Vaters
und des Sohnes wirksam zu machen?... Wir meinen jedenfalls
, daß Calvins Geistuniversalismus in einem zumindest problematischen
trinitätstheologischen Ansatz begründet ist: in einer
sich nicht von dem biblischen Sprachgebrauch begrenzen lassenden
Anwendung de6 Prinzips der Perichorese und in der frag-