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Ausgabe:

1959 Nr. 2

Spalte:

114-115

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stupperich, Robert

Titel/Untertitel:

Das Münsterische Täufertum 1959

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 2

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KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

To4t a n c e, T. F., Prof.: Kingdom and Churdi. A Study in the Theo;
/logy of the Reformation. London: Oliver & Boyd [1956]. VIII, 168 5.
/ 8*. Lw. 16 s.

T. F. Torrance hat 1954 in der „Evangelischen Theologie
einen längeren Aufsatz über die Eschatologie der Reformatoren
veröffentlicht. Diesen legt er nun, wesentlich erweitert, in Buchform
vor. Er schildert darin die Eschatologie Luthers als „Eschatologie
des Glaubens", die Buzers als „Eschatologie der Liebe
und die Calvins als „Eschatologie der Hoffnung", natürlich selbst
wissend, daß diese Charakteristiken jeweils nicht das Ganze enthalten
, denn Glaube, Liebe, Hoffnung gehören unscheidbar zusammen
. Immerhin kann man den Ton verschieden ansetzen und
in diesem Sinne meint deT Verfasser die Eschatologie der Reformatoren
in der angegebenen Weise unterscheiden zu können.
Er hat auf jeden Fall auch charakteristische Züge damit erfaßt.

Eine Eschatologie Luthers war seit langem ein dringendes
Bedürfnis. So kurz sie hier geboten wird, so beziehungsreich ist
die Darstellung doch. Helmut Thielicke hat z. B. an der Zwei-
Reiche-Lehre Luthers beanstandet, daß ihr der eschatologische
Aspekt fehle; Torrance arbeitet gerade diese ihre Beziehung heraus
. Auch die eschatologische Bedeutung des Glaubens, die Karl
Holl schon betont hatte, wird hier erneut und unübersehbar
deutlich.

T. F. Torrance meint, ohne jeden Zweifel mit Recht, daß
Buzer oft zu wenig gewürdigt wird. Deshalb ist es besonders
dankenswert, daß er dessen Konzeption des Reiches Gottes in
ihrer eschatologischen und in ihrer geschichtlichen Bedeutung
herausgearbeitet hat. Trotzdem gehört die Liebe des Verf.s doch
wohl Calvin. Hier ist die Verknüpfung von Prädestination und
Eschatologie, die er vollzieht, besonders lehrreich, die Aufzeigung
, daß die calvinische Prädestinationslehre eschatologischen
Sinn hat.

Diese kurzen Bemerkungen zeigen hoffentlich, wieviel wichtige
Erkenntnisse das Buch vermittelt und machen Lust, es selbst
zur Hand zu nehmen. Wenn ich dem Dank noch ein Wort der
Kritik anfügen darf, so wäre zunächst zu sagen, daß der Verfasser
auf die bisherige Forschung nirgends direkt eingeht. Hätte
er sie herangezogen, so würde das aber wohl seine Formulierungen
im einzelnen, besonders bei Luther gelegentlich etwas
modifiziert haben. Sodann ist zu bemerken, daß der Verfasser
zwar die Eschatologie der drei Reformatoren miteinander vergleicht
, aber kaum einmal fragt, was der eine vom anderen gelernt
hat. Eine Fülle der von ihm zitierten Calvin-Aussagen hat
z. B. auch Luther gemacht; die Zusammengehörigkeit ist gerade
auch hier stark. An diesem Punkte scheint mir deshalb die
Weiterarbeit vor allem einsetzen zu müssen.

Hamburg Kurt Dietrich Schmidt

Xa*erau, Peter: Melchior Hoffman als religiöser Denker. Haarlem:
"IX- Erven F. Bohn 1954. XII, 140 S. 4 Abb. gr. 8°.

Die einflußreiche Täufergestalt Melchior Hoffmans wird in
dieser sorgfältigen Studie des Münsteraner Privatdozenten für
Kirchengeschichte einer eindringenden historischen und systematisch
-theologischen Behandlung unterworfen. Nach einer Einleitung
, die die Biographie gibt, die Literatur über ihn bespricht
und die möglichen Quellen für sein Denken ergründet (wobei
Luther alle andern überragt) und mit methodischen Bemerkungen
abschließt, legt der Verf. unter dem Thema „Die Figur" (S. 20
—30) die hermeneutischen Prinzipien des Biblizisten Melchior
Hoffman dar und gewinnt aus ihnen die Stichworte für die weitere
Gliederung der Gesamtdarstellung von Hoffmans Denken:
Geist und Schrift, Geist und Mensch, Gei6t und Geschichte. Innerhalb
der so bezeichneten Abschnitte reproduziert er dann eingehend
eine Fülle von Inhalten (Geist und Schrift hat 14, Geist
und Mensch 14, Geist und Geschichte 31 Sonderkapitel), wobei
aus^sachlicher Notwendigkeit jedesmal Christus an der Spitze
tu i ^man gehört in die Kategorie der panchristologischen
Theologen. Im ersten Abschnitt erscheint Jesus Christus als das

Wort Gottes, man darf — vielleicht etwas verschärfend — sagen,
daß es hier der präexistente Christus ist (Kawerau benutzt die
Ausdrücke: „unsinnlich", „transzendent"), der in Frage steht.
Der zweite Abschnitt beginnt mit Christus als dem Menschgewordenen
, der dritte mit dem Kommenden. Dieser Aufbau macht
die innere Systematik deutlich. Der Verf. i6t dankenswerterweise
hemüht, sie nicht im einzelnen zu überfordern und zu überspannen
— darum die Fülle z. T. disparat scheinender Sonderinhalte
unter den großen Kapitelüberschriften. Er gibt eine reiche Auswahl
wörtlicher Zitate im Text und setzt sich durchweg mit der
vorwiegend niederländischen Forschung auseinander. Die beiden
Sakramente, die nicht notwendig ins System gehören, werden in
einem weiteren Sonderabschnitt (S. 115—123) behandelt. Es folgen
als Anhang Textproben (diese vielleicht etwas zu knapp
S. 123—125), Literatur- und Abkürzungsverzeichnis. Das Ganze
darf wohl als abschließende Charakteristik des biblizistischen
Apokalyptikers Melchior Hoffman gelten. Die Beurteilung ist
durchweg gerecht, der Verf. verfällt nicht in den Fehler der Überschätzung
. Die knappe, sorgfältig gewählte und abgetönte Ausdrucksweise
ist als besonderer Vorzug hervorzuheben.

Berlin Martin Sch m i d t

^ 0 S S e, Joachim: Der Beitrag des Predigers Jacob Strauss zur frühen
Reformationsgeschichte. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1957]. 196 S.
8° = Theologische Arbeiten, hrsg. von H. Urner, Bd. VI. Hlw.
DM 9.80.

Nachdem bereits G. L. Schmidt 1863 und H. Barge 1937 eine
Biographie des vor allem durch seine Eisenacher Wirksamkeit
bekannten Predigers veröffentlicht haben, vermag R. im rein Biographischen
kaum Neues zu geben, nur in Einzelheiten kommt er
2u andern Schlüssen (etwa Studium in Freiburg). Über Barge hinaus
ist R.s Ziel jedoch, „die theologischen Intentionen im Denken
und Wirken von Jacob Strauß aufzuzeigen", die Barge zu
Wenig beachtet habe. So ist der Hauptteil (S. 41-123) der Interpretation
der Schriften gewidmet, die Strauß in Eisenach geschrieben
hat. Abschließend sind drei Schriften von Strauß - „An den
Fürsten Johann Friedrich", „Haubtstuck und Artickel christlicher
Leer wider den unchristlichen Wucher", „Aufrur, Zwitracht und
Uneinigkeit etc." — in Faksimile wiedergegeben (Zur Druckbestimmung
dieser Schriften vgl. Börsenblatt des deutschen Buchhandels
, Frankfurter Ausgabe 1958, S. 836 ff.). Die theologische
Interpretion gibt begreiflicherweise ein ähnlich zwiespältiges
Bild wie das Leben dieses Mannes. Vom Reformkatholizismus
kommend hat er in Wittenberg entscheidende Anregungen bekommen
, ohne doch im Innern gewandelt sich die neue Lehre
wirklich zu eigen gemacht zu haben. So fehlt der zentrale Neuansatz
der Reformation, der sola-fide-Gedanke Luthers, fehlt die
Verknüpfung von Glaube und Rechtfertigung. Der innerste Kern
der neuen Lehre bleibt Strauß fremd. Gerade deswegen kann er
einerseits leicht in die Breite wirken, aber auch in wichtigen Fragen
über Luther hinausgehen, wie vor allem in der Frage des
Wuchers, der Sozialethik. Luther hat daher gemeint, daß Strauß
der Reformation mehr geschadet als genützt habe, das ist kaum
berechtigt. Ohne zu den eigentlichen Mitarbeitern Luthers zu
gehören, ist er doch ein Mitläufer, ja ein Mitstreiter gewesen,
ein Theologe der Reformation, dessen Lehre aufschlußreich ist für
Möglichkeiten, die besonders in den Anfangszeiten gegeben waren
, als Männer unterschiedlicher Herkunft zu Luther stießen und
dann ihre eigenen Wege weitergingen. In diese Bedingtheiten von
Strauß' Leben und Lehre führt R.s Arbeit sorgsam und gerecht
abwägend ein.

Stuttgart Günther Franz

Stupperich, Robert: Das Münsterische Täufertum. Ergebnisse und
Probleme der neueren Forschung. Münster/W.: Aschendorff [19581.
31 S. 8° = Schriften der Historischen Kommission für Westfalen, 2.
Kart. DM 1.90.

Dieser Forschungsbericht des mün6terisdien Kirchenhistorikers
ist aus einem Vortrag anläßlich des 60jährigen Bestehens
der Historischen Kommission für Westfalen im Oktober 1956
entstanden. Für den Druck wurde er teilweise erweitert und mit
Literaturanmerkungen versehen. Der Verfasser will mit seiner