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1959 Nr. 2

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Neues Testament

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 2

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auf der Divination aufbaut, nicht in der Luft hängt" (S. 63).
Hier wird Begründung durch Behauptung ersetzt.

Nun hat neuerdings Herbert Braun in einer sorgfältigen
Untersuchung die Frage nach dem historischen Jesus in seinem
Verhältnis zur essenischen Qumränsekte untersucht und damit
die Frage nach dem historischen Jesus wesentlich gefördert (Spät-
jüdisch-häretischer und frühchristlicher Radikalismus, Tübingen
1957). Er begreift ihn als eine Erscheinung, „in welcher die radikale
Forderung Gottes unbegreiflicherweise Hand in Hand geht
mit dem voraussetzungslosen Ja Gottes zu dem radikal als Übertreter
verstandenen Menschen" (II 134). Ziehen wir daraus die
Konsequenzen, so kann das bedeuten: die existentiale Interpretation
der neutestamentlichen Botschaft führt zu der Einsicht:
das neue Verständnis meiner selbst, zu dem ich mich glaubend
entscheide unter der Anrede der Botschaft, kann mir deshalb als
Offenbarung der Gnade Gottes in Jesus Christus verkündet werden
, weil Jesus von Nazareth dieses Verständnis der Existenz
gelebt und zu ihm gerufen hat; sein Kreuz ist der sündige Widerspruch
der Menschen gegen ihn und damit das Gericht Gottes
über diesen Widerspruch; in seiner Auferstehung aber ist er der
von Gott Beglaubigte und Gerechtfertigte, so daß in seinem Namen
diese Existenz des „Neuen Seins", wie Paul Tillich sagt,
verkündet werden kann und er in solcher Verkündigung selbst
der Anredende ist. Wir meinen ako: nicht divinatorische Inten-
tionalinterpretation, die bei Jenssen auch begrifflich verschwommen
bleibt, sondern gerade die existentiale Interpretation vermag
uns an den historischen Jesus heranzuführen. Das ist u. E. der
Sinn der gegenwärtigen Erörterung der Frage um den historischen
Jesus.

Eisenach Walter Grundmann

inkel, Fritz: Die Schöpfung geht weiter. Eine psychologische Untersuchung
des Matthäus - Evangeliums. Konstanz: Friedrich Bahn
[1957]. XV, 312 S., 4 Abb. 8°. Lw. DM 11.80.

Künkel hat erhebliche Verdienste als Psychotherapeut und
Tiefenpsychologe. Von seinen Büchern haben z. B. „Ringen um
Reife", „Die Arbeit am Charakter", „Jugendcharakterkunde"
eine große evangelische Lesergemeinde gefunden und die pädagogische
und seelsorgerliche Arbeit des Pfarramtes vertieft. Daß
Künkel aus der Schule Alfred Adlers stammt, aber über sie hinausgeführt
ist, dürfte allgemein bekannt sein. Das neue Buch
nennt vor andern ak Autorität C. G. Jung. Da über die tiefenpsychologische
Anschauung von der Religion und dem christlichen
Glauben noch keine Übereinstimmung herrscht, tritt man an
ein Evangelienbuch eines führenden Tiefenpsychologen mit gespannten
Erwartungen heran, um — bitter enttäuscht zu werden.
Nach unserem Urteil hat Künkel das Evangelium des Matthäus
nicht verstanden, sondern im Kern mißdeutet. Nicht daß es dem
Buch an schönen Partien fehlte! Es kann sich keiner einem biblischen
Evangelium hingeben, ohne daß er zu Schätzen gelangte.
Aber im Entscheidenden geht Künkel fehl.

Er macht uns dadurch die Arbeit leicht, daß er im Titel das
Thema angibt und nach 6einem Sinn zu fragen fordert. „Die
Schöpfung geht weiter" — was heißt das? Zunächst wird gesagt:
„Mit Jesus bricht eine neue Epoche der Schöpfung an". Das darf
hingehen. Diese Schöpfung aber geht im glaubenden Menschen
weiter, von dem in immer neuen Wendungen gesagt wird, daß
er über schöpferische Potenzen verfügt und sie weiterentwickelt.
In Jedem wird „das göttliche und schöpferische Licht" angezündet
. Die Umdeutungen führen bis ins Groteske. Unter „Menschen-
sohn" wird „die innere Stimme", „deine schöpferische Mitte",
„Schöpferkraft" verstanden (168). Besessene, Kranke, auferstandene
Tote, die Sturmfahrt auf dem See Tiberias u. a. sind und
meinen bezwungene Nöte der Seele. Karfreitag und Ostern bilden
keine Ausnahme. Bei der Besprechung der Osterperikope heißt
da6 entscheidende Stichwort „metaphysische Wiedergeburt" (298).
Von den Flauen am Grabe wird gesagt: „Das Grab, der Sdioß der
Mutter Erde, ist für sie wie die Wiege des geistlichen Lebens nur
eine andere höhere Form ihrer eigenen Erfahrung der Mutterschaft
" (298). „Ostern in uns" bezeugt: „Die Schöpfung geht
weiter". Die Gesamtbetrachtung wird bestimmt durch ein Entwicklungsschema
des menschlichen Seelentums, das sich aus dem

„Feudalismus", d. h. der Abhängigkeit und dem Befehlsbereich
löse und zur „Individuation" und „Integration" strebe, — Stichworte
, in denen man das alte Gemeinschaftsprogramm des Tiefenpsychologen
wiederfindet. Das Kennwort „Feudalismus", das auf
Jesus und die Jünger angewandt u. E. peinlidi wirkt, wird bis zum
Überdruß wiederholt. Der Gipfel hier ist die Ablehnung der
Sündenvergebung durch Jesus als fakche feudalistische Jüngermeinung
(157).

Es bedarf keiner überflüssigen Worte, daß solche Thesen
einer ernsten theologischen Diskussion nicht standhalten. Wie
das Literaturverzeichnis ausweist, ist von deutschen Bibelerklärungen
nur Wilkens, Der König Israek, 1937, benutzt. Damit läßt
sich eine Evangelienauslegung, die ernst genommen werden will,
nicht bestreiten. Von quantitativen Unausgeglichenheiten darf ak
nebensächlich geschwiegen werden. Nur dies: von rund 300 Seiten
sind über 90 Seiten der Bergpredigt gewidmet.

Wir scheiden mit dem quälenden Eindruck, daß an die Stelle
des biblischen Evangeliums, auf das in letztem Ernst zu hören
war, ein neues „Evangelium" gesetzt ist: die Selbsterlösung des
von sich befreiten Menschen, an der — auch Christus sein Verdienst
hat! Daß einmal Eckharts Mystik und das „innere Licht"
der Quäker beschworen werden (31), deutet an, wo letztlich der
Ursprung der modern sein wollenden Auffassung des christlichen
Glaubens zu suchen ist.

Rostock a.. (AU? O uLrl Gottfried Holt z 0

L&rle, Ernst, Mag. phil. Dr. theol.: Die Predigt im Neuen Testament.

/2i, durchgesehene Aufl. Hrsg. auf Veranlassung d. Ev.-Luth. Freikirche
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1957]. 108 S. 8°. Lw. DM 5.20.

Das in ThLZ 1957, Sp. 916 f. in der ersten Auflage besprochene
Werk liegt jetzt in einer Lizenzausgabe der EVA vor,
herausgegeben auf Veranlassung der Evang.-Luth. Freikirche. Daß
der Verf. sich um die Beseitigung der auch von uns erhobenen
Mängel müht und gewisse Partien ausläßt, wird man begrüßen.
Bei der Durchsicht sind allzu folkloristische Aussagen gestrichen
worden; auch sonst hat die Klarheit der Aussage gewonnen Die
Literaturangaben wurden etwas erweitert. Freilich ist der Aufriß
des Ganzen geblieben, 60 daß auch unsere Fragen an die Exegese
der Areopagrede und die Anwendung des Falschpropheten-Begriffes
auf die Gegenwart bestehen bleiben.

L. sagt S. 98: „Wenn ein Prediger kraft seines Heroldamtes
mit seiner Verkündigung in das politische Tagesgeschehen eingreift
, so hat er hierfür keinen unmittelbaren Auftrag des Evangeliums
" und wird zum falschen Propheten. Hier liegt doch eben
eine Verzeichnung vor. Man darf ja nicht übersehen, daß auch das
Evangelium politische Entscheidungen fordert, und L. hätte einen
Schritt weiter kommen können, hätte er 6eine Unterscheidung
zwischen dem Auftrag de6 Evangeliums und dem eigenen, von
Menschen diktierten Gutdünken konsequent auf diese Frage
angewandt.

Dörschnitz bei Lommatzsch Gottfried S c h i 11 e

Adüriz, Joaquim, S. J.: El objeto del „pisteuein" Cristiano en las
Epistolas paulinas.

Ciencia y Fe 14, 1958 S. 195—210.
— El martyrion apostölico en las Epistolas paulinas.

Ciencia y Fe 14, 1958 S. 267—268.
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Fuchs, Ernst: lesus und der Glaube.

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Iber, Gerhard: Zur Formgeschichte der Evangelien.

Theologische Rundschau N F. 24, 1956/57 S. 283-338.
Kahler, Else: Zur „Unterordnung" der Frau im Neuen Testament.

Der neutestamentliche Begriff der Unterordnung und seine Bedeutung

für die Begegnung von Mann und Frau.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1959 S. 1—13.