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Ausgabe:

1959 Nr. 2

Spalte:

103-105

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schneider, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Frage nach dem historischen Jesus in der neutestamentlichen Forschung der Gegenwart 1959

Rezensent:

Grundmann, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 2

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Edel, Reiner-Friedemann: Hebräisch-Deutsche Vokabellern- und -re-
petitionshefte der 830 wichtigsten Wörter de« Alten Testamentes,
geordnet nach der Häufigkeit ihres Vorkommens, in zwei Heften.
Heftl: Hebräischer Teil. Heft 2: Deutscher Teil. Marburg: Verlag
R. F. Edel [1958]. Je 16 S. 8°. Kt. zus. DM 2.80.

G e m ü s c h, Georg: Das Rätsel Hiob. Gemeinfaßliche Gedanken über
das Buch Hiob. (Karlsruhe: C.F.Müller) 1958. 108 S. 8°. DM3.-.

Gese, Hartmut: Geschichtliches Denken im Alten Orient und im Alten
Testament.

Zeitschrift für Theologie und Kirche 55, 1958 S. 127—145.
Groß, H.: Was ist alttestamentliche Theologie7 Zu neuen Theologien
des Alten Testamentes.

Trierer Theologische Zeitschrift 1958 S. 355—363.

Hallo, William W.: Isaiah 28, 9—13 and the Ugaritic Abecedaries.
Journal of Biblical Literature 77, 1958 S. 324—338.

L e h m i n g, Sigo: Erwägungen zu Arnos.

Zeitschrift für Theologie und Kirche 55, 1958 S. 145—169.

Mowinckel, Sigmund: „Jahves Dag".

Norsk Teologisk Tidsskrift 59, 1958 S. 209—229.

Preß, Richard: Der zeitgeschichtliche Hintergrund der Wallfahrtspsalmen
.

Theologische Zeitschrift 14, 1958 S. 401—415.

NEUES TESTAMENT

Schneider, Johannes: Die Frage nach dem historischen Jesus in der
neutestamentlichen Forschung der Gegenwart. Festvorlesung zum
60. Geburtstag von Prof. D. Erich Fascher am 14. Dezember 1957.
Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1958]. 24 S. 8° = Aufsätze und
Vorträge zur Theologie u. Religionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott
u. H. Urner. Heft 5. DM 1.50.

In einer Festvorlesung zum 60. Geburtstag von R Fascher
hat Joh. Schneider die Frage des historischen Jesus in der neu-
testamentlichen Forschung der Gegenwart erörtert. Anknüpfend
an die systematisch bestimmten Ausführungen von Paul Althaus
will er zur Geltung bringen, was von Seiten der ntl. Forschung zu
dieser Frage beigetragen wird. Schneider geht davon aus, daß die
Leben - Jesu - Forschung durch die Kerygma - Theologie abgelöst
worden ist, die mit Martin Kahler beginnt und deren profiliertester
und radikalster Vertreter Rudolf Bultmann ist Daher
rührt es, daß „die gegenwärtige Diskussion der Frage nach dem
historischen Jesus weithin eine Auseinandersetzung mit Bultmann
ist" (S. 7). Bei ihm setzt darum Schneiders Referat ein. Er versteht
Bultmanns Arbeit an der Jesustradition als „eine Reduzierung
seines Wesens, seiner Person und seiner Verkündigung"
und zieht als zustimmende Zeugen für diese These Dahl, Karl
Barth und Stauffer heran. Die Frage nach dem historischen Jesus
ist einerseits im Kreis der Schüler Bultmanns in Fluß gekommen
, andererseits haben Forscher anderer Herkunft ihrerseits neue
Fragestellungen aufgeworfen, über die Schneider ebenfalls berichtet
.

Hans Conzelmann hat jüngst darauf aufmerksam gemacht,
daß Bultmann und seine Mitarbeiter von dem „Bruch" her denken
, „der zwischen dem historischen Jesus und der Gemeinde
liegt"; „aber so selbstverständlich uns dieser Ansatz erscheinen
mag, wir müssen uns klar sein, daß er außer einigen Mitteleuropäern
nur wenigen einleuchtet" (ZThK 54, S. 779 f.). Der Historiker
Ernst Heitsch hat es darum als Aufgabe bezeichnet, „den
Übergang von der Historie zum Kerygma nicht nur in sachlicher,
sondern gerade auch in seiner geschichtlichen Kontinuität aufzuweisen
" (Schneider S. 17). Diese Frage gewinnt u. E. dadurch erhebliches
Gewicht, als wir immer genauer die Gestalt des Lehrers
der Gerechtigkeit von Qumrän kennen lernen, dem nach
1 QH große Bedeutung für seine Gemeinde zukommt, die er für
sich selbst in Anspruch genommen hat; trotzdem ist in dieser
Gemeinde kein Glaube an die Auferstehung des Meisters entstanden
. Die Frage nach dem Grunde des urchristlichen Glaubens
an Jesus als an den Auferstandenen in seiner Geschichte kann
darum nicht mehr beiseite geschoben werden.

Schneider bespricht nacheinander die aus dem Kreis um
Bultmann laut gewordenen Stimmen, Käsemann, Bornkamm, Ernst
Fuchs. Dieser Bericht müßte dahin ergänzt werden, daß immer
deutlicher sich erhebliche Unterschiede in diesem Krei6, aber auch
überraschende Übereinstimmungen über diesen Kreis hinaus abzeichnen
. Herbert Braun weist auf den unjüdischen Inhalt hin, der
in dem „bei Jesus selber 6chon vorliegenden Paradox von radikaler
Forderung und radikaler Gnade" besteht, das er als das
Eigentliche Jesu in Konfrontierung mit dem Rabbinat und mit
Qumrän herausgearbeitet hat; dieser Inhalt hält sich durch;
daher bezeichnet Braun „die Anthropologie als die Konstante, die
Christologie als die Variable" (ZThK 54, S. 350. 368;. Die
eschatologische Naherwartung hat für Braun demgegenüber nur
nebensächliche Bedeutung; ihr gerade gibt Conzelmann entscheidendes
Gewicht und sieht sie „mit dem jetzigen Wirken Jesu"
(gemeint ist das historische Wirken Je6u) verknüpft (ZThK 57,
S. 284). Der Grund für dieses Auseinandergehen liegt in der
Aporie, die Conzelmann ausdrücklich bestätigt, die Schneider im
Anschluß an Käsemann aufdeckt und auf die auch Heitsch hinweist
: das Fehlen eines zuverlässigen Überblickes über das älteste
Stadium der Überlieferung. Durchgängig gehen Bultmann und
seine Schüler von einer ältesten Schicht der Wortüberlieferung
aus und rücken die Predigt des historischen Jesus in den Mittelpunkt
der Betrachtung, während seine Taten völlig in den Hintergrund
treten und, besonders deutlich bei Braun (ZThK 57,
S. 350—364), der Überlieferung der hellenistischen Gemeinde zugeschrieben
werden. Bornkamm und Fuchs gehen über diese Beschränkung
hinaus, ersterer, indem er die Frage nach dem Lebensgang
Jesu aufwirft, letzterer, indem er im Verhalten Jesu den
Rahmen seiner Verkündigung erblickt; dieses Verhalten aber hat
seinen Grund in einer Entscheidung, die das Gottesverhältnis
Jesu betrifft und in die ein Wissen Jesu um Leiden, Tod und Auferstehung
hineingehöre. „Das durch Jesus eröffnete Gottesverhältnis
" verlangt die Entscheidung seiner Nachfolger, vor denen
er als ein Mensch steht, der es wagt, an Gotte6 Stelle zu handeln.
Wenn Schneider darin „eine Reduzierung des Glaubensinhaltes
auf allgemein gültige christliche Wahrheiten" erblickt, so müßte
an dieser Stelle auf die gründliche Arbeit von E. Schweizer über
„Erniedrigung und Erhöhung bei Jesus und 6einen Nachfolgern"
verwiesen werden, wo von einer Vorordnung des Weges Jesu
gesprochen wird.

Aus seinem Referat gewinnt Schneider zwei Fragen. Zunächst
: „Wie i6t die Person Jesu zu beurteilen?" Er sieht zwei
Linien; Bultmann und seine Schüler bestreiten die Anwendung
messianischer Titel durch Jesus selbst. Wenn Schneider Jesus eine
messianische Selbstgewißheit zuschreibt, 60 bleibt er uns in seinem
Referat schuldig, was er unter „Messias" versteht. Der Begriff
ist vieldeutig. Die erete Linie ist durch Herbert Braun so
radikal zu Ende gedacht, daß für ihn Jesus ein „Geschehen" wird,
das sich beim Glaubenden ereignet, nicht aber eine Person, an die
er glaubend gebunden ist. Freilich wird, wie Schneider erkennt,
im Kreise um Bultmann darin eine bedeutsame Gemeinsamkeit
sichtbar, al6 man in Jesus mehr als einen Propheten und Weisheitslehrer
erblickt und ihm eine eigene Vollmacht zuschreibt;
von ihr sagt Fuchs, er trete an Gottes Stelle, und er berührt sich
darin fast mit Stauffers These, Jesus wolle auf die in ihm sich
vollziehende Epiphanie Gottes hinweisen. Mit Stauffer aber ist
vor allem die andere Linie erreicht, die Jesu Selbstgewißheit in
der Verwendung des MenschensohnbegTiffs u. a. gegeben sieht.
Die Frage nach der Person Jesu bekommt u. E. dadurch erhebliche
Dringlichkeit, als der Lehrer deT Gerechtigkeit von Qumrän um
eine eigene Heilsbedeutung gewußt hat; auf ihrem Hintergrund
erscheint es uns schlechthin ausgeschlossen, einen Prozeß einsichtig
zu machen, durch den aus einer Geschichte Jesu ohne eigene
Heilsbedeutung seiner Person eine Verkündigung entstanden sein
soll, die seine Heilsbedeutung zum einzigen Inhalt hat.

Damit aber ist die andere Frage gestellt, die Frage nach der
überliefernden Gemeinde; bei ihrer Erörterung weist Schneider
außer auf die Ausführungen Heitschs auf die Darlegungen des
Referenten (Grundmann, Geschichte Jesu Christi S. 17—24) im
wesentlichen zustimmend hin. Eine po6itiv-kritische Besprechung
des Staufferschen Jesusbuches durch Schneider berührt sich mit
unserer Besprechung dieses Buches in dieser Zeitschrift.

Schneiders Arbeit unterscheidet zwischen Leben - Jesu - Forschung
und Kerygma - Theologie. Er hofft, daß die Neua:;sätze
der Forschung über dieses Stadium hinausführen. Wir vermögen
jedoch zwischen einer die radikale Kritik überwindenden Forschung
und einer Kerygma-Theologie keinen 6ich ausschließenden