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Ausgabe:

1959 Nr. 2

Spalte:

87-89

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Steinwenter, Artur

Titel/Untertitel:

Das Recht der koptischen Urkunden 1959

Rezensent:

Grohmann, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 2

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durch die Handlung, im liturgischen Zeitbegriff ins Bewußtsein,
6ondern durch die Reflektion. Er ist rationale Vorstellung selbst
dort, wo er sich an der trinitarischen Schriftexegese entzündet.
Für die dogmengeschichtliche Forschung ist aber gerade die dogmatische
und d. h. zugleich von der Schrift aus zu begründende
Legitimität des trinitarischen Personbegriffes wichtig.

Solche aufbrechenden Fragen rütteln nicht an dem f. m. V.
bleibenden Hauptergebnis der Studien von Kretschmar, daß die
Ursprünge der trinitarischen Personvorstellung im Bereich der
6pätjüdischen ParaklettradHon zu suchen sind. Sie lassen sich
unter Anbringung gewisser Korrekturen durchaus mit ihm vereinen
. Das läßt 6ich im Rahmen dieser Anzeige nur in groben
Umrissen andeuten, soll aber anderen Ortes noch näher begründet
werden.

1. Bekanntlich hat Harnack die These vertreten, Tertullian habe
den trinitarischen Personbegriff in die theologische Diskussion eingeführt
(Lehrbch. d. DG I', 576 f. mit Anm. 2). Er nahm an, der lat. Kirchenvater
habe ihn seiner lat. Bibel entnommen. Diese These bedarf
insofern einer Korrektur, als sich nachweisen läßt, daß Tertullian ihn
einer älteren exegetischen Tradition verdankt, die zunächst im Osten
entwickelt wurde und chri6tologisch bzw. trinitarisch interpretierte
Schriftstellen unter der Zitationsformel:ix noooco-iov — ex persona zi
tierte. Allerdings kommt in der Geschichte dieser Zitationsformel
Tertullian eine besondere Rolle zu, weil sie unter dem Einfluß seines
Begriffsrealismus zu einer theologischen Aussage über die trinitarischen
Personen werden konnte.

2. Dieser aus der Schriftexegese unmittelbar gewonnene tnnitarische
Personbegriff hatte gerade in der abendländischen Kirche Entwicklungs-

Philoxenie Abrahams, vgl. W. Braunfels, Die hl. Dreifaltigkeit. Lukasbücherei
zur christl. Ikonographie, Düsseldorf 1954 (mit Lit), ferner
Felicetti-Liebenfels, Gesch. der byz. Ikonenmalerei, Ölten 1956, nachdem
auch sie ursprünglich christologisch dargestellt wurde, vgl. S. Maria
Maggiore und dazu C. Cechelli. I Mosaici della S. M. M., Turin 1956,
106 ff. Kr., dem das Material bekannt sein dürfte, scheidet es daher
auch aus.

möglichkeiten, weil hier die mit der Taufliturgie verbundene Trinitäts-
lehre und ihre Personvorstellungen mehrdeutig waren. Warum im Gegensatz
zur östlichen die westliche Taufliturgie für die Ausbildung d:r
trinitarischen Personalität keine Bedeutung gewinnen konnte, hat Kr.
125 ff. in überzeugender Weise erklären können. Hingegen wurde der
rationale, schriftexegeti6che Personbegriff des Abendlandes für den
Osten bedeutsam, als die Diskussionen um das trinitarische Dogma
seit 360 in die entscheidende Phase traten. Wie weit es mit seinem
abendländischen Exil zusammenhängt, daß jetzt Athanasius seinen
Widerwillen gegen die Formel von den drei Hypostasen preisgibt, bleil t
ungeklärt. Auf jeden Fall war die Formel des Basilius von der einen
Ousia und den drei Hypostasen (ep. 3 8, vgl. dazu jetzt H. Dörries, De
spiritu saneto. Der Beitrag des Basilius zum Abschluß des trinitarischen
Dogmas, Abh. G. A. 3, 39, 1956) mit der abendländischen von der una
6ubstantia — tres pereonae nur auf Grund des abendländischen Personbegriffes
zu verbinden.

3. Die „Entmythologisierung" der trinitarischen Personv irstclluni
der östlichen Kirche in den Konzikentscheidungen wäre danach als dogmatische
Korrektur durch einen au« der Schriftinterpretation gewonnenen
Personbegriff zu begreifen. Die Geschichte der trinitarischen Personalität
ist also verwickelter. Unter Aufnahme der Kretschmarschcn
Beobachtungen erscheint sie in den Linien einer Entwicklung, wie sie
W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, gezeichnet
hat. Die theologische Legitimität dieses Prozesse«, der ursprünglich
judenchristliche Traditionen orthodox macht, liegt aber in dem
exegetischen Charakter des dabei angewandten Personbegriffcs.

Es steht außer Zweifel, daß Kretschmars Arbeit im Gegensatz
zu der von Wolfson für die dogmengeschichtliche Forschung
starke Auswirkungen haben wird. Dankbar begrüßt man daher
auch am Schluß ihre Register, denn man wird bei der Behandlung
aller einschlägigen Stellen immer wieder auf sie zurückgieifen
müssen. Angesichts der eingangs angedeuteten Forschungssituation
bedeutet sie einen großen Fortschritt, weil sie die dogmengeschichtliche
Diskussion an einem zentralen Punkte wieder in
Gang bringen wird.

ALLGEMEINES

SUinvcnter, Artur, Prof.: Das Recht der koptischen Urkunden.

/München: Beck 1955. VIII, 66 S. 4° = Rechtsgeschichte des Altertums
im Rahmen des Handbuchs der Altertumswissenschaft. IV.: Das
Recht der Papyri II. = Handbuch der Altertumswissenschaft, 10. Abt.,
IV. Teil, 2. Bd. DM 8.-.

Es mag als eine befremdende Tatsache gelten, daß angesichts
der seit 1879 immer wieder in wachsendem Maße zuströmenden
Papyri eine koptische Rechtsgeschichte erst mehr als 75 Jahre
ßpäteT erscheint. Nicht zuletzt ist der Grund der, daß koptische
Rechtsurkunden immer nur eine leider sehr begrenzte Zahl von
Forschern anzuziehen vermochten und das Hauptgewicht immer
auf der literarischen Seite lag. So blieb eine koptische Rechtsgeschichte
durch Dezennien ein immer wieder gefordertes, aber
nicht erfülltes desideratum der Papyrologie, bis der Romanist der
Grazer Universität, Artur Steinwenter, sich entschloß, diese Lücke
zu füllen. Wie die leider viel zu früh von uns gegangenen Mari-
ano San Nicolo und Paul Kosdhaker Jahrzehnte ihres Lebens den
assyrisch-babylonischen Rechtsurkunden gewidmet haben, 60 hat
auch Steinwenter, vom römischen Recht und der antiken Rechtsgeschichte
herkommend, sich viele Jahre mit ägyptischen, in
Sonderheit den koptischen Urkunden beschäftigt. Er legt nun,
nach wertvollen Vorarbeiten, die Teilprobleme der auf die Urkunden
ausgerichteten Forschung behandelten, eine Darstellung
des Rechts der koptischen Urkunden vor, die als mustergültig zu
bezeichnen ist und allen am Stoff Interessierten sehr willkommen
sein wird.

Sie gibt zunächst eine kurze Übersicht über den Stand der
Forschung (S. 1—5), die Quellen und Editionen (S. 6—9), die
Rechtsgeschichte (S. 9—16), dann eine konzise Bearbeitung fast
des gesamten Personen- und Sachenrechts einschließlich des
Rechtsschutzes, soweit es in den Urkunden belegt ist (S. 16—56).
Ein Schlußwort und gründlich gearbeitete Sach-, Namen- und
Quellen-Register (S. 56—66) beschließen die schöne Arbeit, für

die Juristen und Orientalisten dem Verfasser reichlich Dank
wissen werden.

Die wenigen Bemerkungen, die ich mir anzuschließen gestatte
, betreffen in der Hauptsache die arabische Zeit und die
arabischen juristischen Papyri, in denen Kopten auftreten. Ganz
allgemein möchte ich zunächst nachtragen, daß Kopten oft genug
nicht nur als vollberechtigte Zeugen in arabischen Urkunden, die
von Muslimen errichtet 6ind, auftreten, sondern gelegentlich in
solchen sogar in koptischer Sprache und Schrift gefertigte1. Auffallend
ist ferner, daß sowohl EhevertTäge — die lediglich als
güterrechtliche Vereinbarungen aufzufassen sind (vgl. S. 20) —
zwischen koptischen Partnern, wie auch andere Rechtsgeschäfte
betreffende (z.B. Übereinkommen wegen eineT gemeinschaftlichen
Mauer, Kaufverträge über Grund- und Hausbesitz) vom III. Jahrhundert
d. H., IX. Jahrh. n.Chr. an, nach arabischem Formular und
expressi6 verbis nach islamischem Recht abgefaßt sind (z. B.
'ala sart bai al-isläm)'.

Zu S. 3, Z. 8 ff. zu den Dokumenten der Gauverwaltung, die
Steinwenter in koptischer Sprache als fehlend bezeichnet, gehört
eine interessante, dreisprachige (koptisch-griechisch-arabische) Erklärung3
{6/uoXoyia) einer Reihe von Bischöfen, Kloster- und
Dorfvorstehern einschließlich einer Anzahl arabischer Furktio-
näre, die die Schuldlosigkeit des arabischen Kreisfinanzdirektors
von Afjmim (Panopolis) und Tahta und seines Stabes bescheinigt
und damit eine Beschwerde, die wegen Übergriffen und Bedrückungen
dieses Beamten beim Statthalter 'Abdallah ibn Yazid
(137—141 d. H.) in Alt-Kairo eingebracht worden war, gegenstandlos
macht. In dieser mehr als 2 Meter langen, zwischen 754

') Vgl. A. Grohmann, Einführung und Chrestomathie zur arabischen
Papyruskunde I (Prag 1954). S. 120.

') Vgl. Arabic Papyri in the Egyptian Library 1 (Cairo 1934) ed.
A. Grohmann n° 40 (271 d. H., 885 n.Chr.), 52 (274 d. H., 885 n.Chr.),
54 (448 d. H., 1056 n.Chr.), 57,58 (341 d. H., 952 n.Chr.), 60 (406
d. H., 1016 n.Chr.), 61 (423 d. H., 1032 n.Chr.), 64 (441 d. H., 1050
n.Chr.); II (Cairo 1936), n° 73 (320 d. H., 933 n.Chr.).

') Arabic Papyri in the Egyptian Library III (Cairo 1938), n° 167
(S. 67-93, Taf. VIII—XI).