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Ausgabe:

1959 Nr. 12

Spalte:

943-944

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Eberhard, Otto

Titel/Untertitel:

Abendländische Erziehungsweisheit 1959

Rezensent:

Haufe, Friedrich

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Seite 1

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943 Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 12 944

öätzlichen Wandel der Funktion des Menschenbildes für die Erziehung
und in der neuen Sicht des Verhältnisses von Erziehung
und Unterricht (Hammelsbeck; S. 189—199). In dem Abschnitt
über die Gestalt des Unterrichts ist vor allem die Auseinandersetzung
mit dem Petersen-Schüler H. Mieskes bedeutsam (S. 206
—212), ebenso die Erörterung der Rückwirkungen des kirchlichen
Unterrichts auf die innere Schulreform (S. 212—214).

Im Anschluß daran werden die didaktischen Prinzipien und
die Möglichkeiten des Unterrichtsverfahrens beschrieben, die der
kirchliche Unterricht aufgrund seiner genuinen Prämissen in der
neuen Schule verwirklichen kann (S. 215—259). Mit diesen beiden
letzten Kapiteln kommt die Arbeit zu ihrem konkreten Ergebnis
und zu ihrem praktischen Beitrag zur heutigen Religions-
pädagogik. Von besonderem Wert ist darunter vor allem der Abschnitt
über die Lebensnähe de6 Unterrichts (S. 233—239).

Die besondere Leistung dieser Arbeit besteht darin, daß sie
in zwei verschiedenen und selbständigen Forschungs- und Wissens gebieten
beheimatet ist, um diese an den sachlich richtigen Stellen
und in der richtigen Weise miteinander in Verbindung zu bringen.
Sie verrät weder die Theologie an die Pädagogik noch umgekehrt
die Pädagogik an die Theologie. Der Weg eines partnerschaftlichen
Gesprächs, in dem jede Seite in ihrer Eigenständigkeit zum
Wort kommt, wird mit beachtlicher Sorgfalt und gedanklidier
Sauberkeit begangen. In beiden Wissenschaften werden nicht nur
die bekannten Standardwerke ausgewertet, sondern auch mit
bemerkenswertem Spürsinn versteckte Einzelbeiträge herangezogen
. Die religionspädagogische Literatur ist nahezu lückenlos verarbeitet
. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß die Arbeit
etwa zwei Jahre vor ihrem Erscheinen abgeschlossen wurde. Der
Gefahr, die mit der Aufteilung in die drei Hauptteile gegeben
war, ist Verf. glücklich entgangen. Der vielschichtige und unübersichtliche
Stoff wird systematisch straff und erhellend dargestellt
. Vor allem läßt sich die Arbeit nicht auf ein zweigleisiges
Denken abdrängen, wie es in dem Zwischenfeld zwischen den
beiden Wissenschaften immer wieder geschehen ist, sondern bleibt
überall bis zuletzt den Grundsätzen ihres ursprünglichen theologischen
Ansatzes treu. Sie wahrt damit den eigentlichen Ertrag
der theologischen Neubesinnung auf dem Gebiet der Katechetik.
Auf der anderen Seite schaltet sich die Arbeit auch sinnvoll ein
in das innerpädagogische Gespräch, ohne dabei die Grenzen der
dem Theologen anstehenden Behutsamkeit zu überschreiten.

Es ist dem Verf. besonders anzurechnen, daß er in seinem
konkreten Schlußergebnis keinen extremen Reformismus vertritt,
sondern verhältnismäßig nüchtern und zurückhaltend seine letzten
Folgerungen entwickelt. Das ist gewiß nicht zuletzt eine Frucht
der Tatsache, daß er seine theologische Ausgangsposition durch
die ganze Untersuchung hindurch festhält und sich keine sachfremden
Maßstäbe aufdrängen läßt. Durch sein zurückhaltendes,
abwägendes und überlegtes Urteil tut er seinem eigentlichen Anliegen
einen besseren Dienst als durch irgendwelche Radikalismen
oder Rezepte.

Es ist zu wünschen, daß diese sachkundige und gediegene
Arbeit das Gespräch über die angeschnittenen Fragen neu in
Gang bringt und zu weiteren Bearbeitungen auch der didaktischen
Probleme der Einzelverwirklichung in der Evangelischen
Unterweisung anregt.

Erlangen Kurt Fr« r

Eberhard, Otto: Abendländische Eraehnngsweisheit Eine Hilfe für
die Not der Gegenwart. Berlin: de Gruyter 1958. X, 212S. 8°. Lw.
DM 16.80.

Der Äjährige Pädagoge D. Otto Eberhard widmet, gleichsam
als eine Abschlußgabe, seiner Alterswirkstätte, der Georg-
Herwegh-Schule (Gymnasium) in Berlin-Hermsdorf und ihrer
Elternschaft dieses liebenswürdige und abgeklärte Buch; Erkenntnis
und Liebe, Wissen und Ehrfurcht durchdringen sich darin. Es
ist eine Sammlung von pädagogischen Essais; 21 große Erzieher-
Persönlichkeiten werden knapp und sehr lebendig dargestellt.
Otto Eberhard ist ein leidenschaftlich-wagemutiger Reformpädagoge
gewesen, und bei aller Abgeklärtheit und Alterereife schlägt
dieses sein besonderes Charisma immer wieder durch. Das Wunder
des individuellen Geistes und die lebendige Gemeinschaft
wird er nicht müde, immer neu in Spannung zu setzen. Solch
einem Buche gegenüber gebührt es sich nicht, auf die zeitgebundene
pädagogische Haltung des Verfassers hinzuweisen. Sie gründet
sich auf eine echte, Achtung gebietende und Dank abnötigende
Lebensleistung. Sie gibt sich in diesem Altersbuch ganz persönlich
und locker, aus der Fülle langerworbener Weisheit heraus.
Daß diese sehr lebendige Synthese von Christentum und Idealismus
ihre Zeit gehabt hat, braucht nicht hervorgehoben zu werden
. Sie hat in dieser Zeit und an dieser Zeit auch genugsam zu
leiden gehabt und Grenzen erkennen müssen. Es bewegt den
Leser, wie dem Verfasser an jeder der großen Erziehergestalten
das Evangelium aufgeht und ihm vom Evangelium her der innere
Zugang zu diesen Gestalten sich erschließt. Er hat den Blick für
das Segenserbe der reformatorischen Überlieferung sich bewahrt,
auch wenn säkulare Gedanken dieses innerste Erbe zu überlagern
sdieinen und verdecken. So stehen nun in einer Reihe Luther
und Comenius, John Locke und Fenelon, August Hermann Francke
und Rousseau, Jean Paul, Pestalozzi und Fröbel, aber auch
Goethe, Dickens und Dostojewski, Tolstoi und Ellen Key, Wichern
und Don Bosco, der Holländer Jan Lighthart und die
Italienerin Montessori, Friedrich Wilhelm Foerster, Eduard
Spranger und Gerhard Pfahler. Schon die Zitate, die Eberhard in
den knappen Essais auswählt, sind bezeichnend und sehr persönlich
, aber doch immer den Kern treffend. Das Buch enthält eine
reiche Fülle „pädagogischer Salzkörner", z. B. Dostojewski:
„Der hat vom wahren Christentum nichts verspürt, der bei irgendeinem
Unglück zu sagen wagte, ihn träfe dabei keine Schuld"
(Von Friedrich Wilhelm Foerster zitiert) — Spranger: „Man muß
den jungen Menschen ebenso in sich hinein wie aus sich herausführen
" — Lighthart: „Die zünftige Pädagogik arbeitet mit Maßregeln
, sie gibt 6tets Antwort auf die Frage verzweifelter Erzieher
: .Was muß ich tun?' Und sie, die .Herzpädagogik', muß antworten
auf die Frage, ,Wie muß ich sein?'" — Fröbel: „Die
Spiele des Kindesalters sind die Herzblätter des ganzen zukünftigen
Lebens" — Pestalozzi: „Alles Zivilisationsverderben wurzelt
in dem Wohnstubenraub". — Das Buch ist nicht zuerst für
den Erziehungswissenschaftler geschrieben, sondern für den erziehenden
Menschen, der nach Gespräch mit den großen und erfahrenen
Meistern der Erziehung verlangt und dabei ins Evangelium
hineingeleitet werden möchte. — Der Verfasser hat sich
ausdrücklich viel Mühe gemacht, ein ausführliches Personenregister
und Wort- und Sachregister auszuarbeiten. — Für das
schöne Altersbuch darf dem Verfasser herzlich gedankt werden.

Pönitz bei Leipzig Friedrich Ha u f e

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Trillhaas, Wolfgang: Der Dienst der Kirche am Menschen.

Pastoraltheologie. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt (1958]. 223 S.
gr. 8°. Geb. DM 7.20.

Die Lizenzausgabe der Seelsorgelehre von Wolfgang Trillhaas
für die DDR, die er mit dem Untertitel „Pastoraltheologie"
belegt, gibt Veranlassung, noch einmal auf dieses Werk mit Nachdruck
hinzuweisen. Veränderungen gegenüber der Erstausgabe
sind geringfügig. Nur an einigen Stellen ist das Literaturverzeichnis
bis zur Gegenwart weitergeführt. Wenn der Autor unter
Pastoraltheologie die Lehre von der Seelsorge versteht, prägt er
diesen Begriff sehr eigenwillig und eng. Dedo Müller ist in der
ThLZ, 1955, Nr. 1 auf dieses Problem ausführlich eingegangen.
Es steht außer Zweifel, daß die Pastoraltheologie, die seit Löhe
und Vilmar kaum noch zur Darstellung gekommen ist, eine Belebung
braucht. Es ist nur fraglich, ob das innerhalb einer Seelsorgelehre
sinnvoll geschehen kann. Diesen kritischen Einwänden
könnte der Verfasser mit dem Hinweis begegnen, daß auch er die
personalen und existenziellen Voraussetzungen für die Seelsorge
stark beachtet und in einem Abschnitt im § 3 behandelt habe.
Der Abstand von einigen Jahren zwischen der Besprechung Dedo
Müllers und unserer heutigen Betrachtung verstärkt allerdings
unter Beobachtung der Entwicklung des Lebens innerhalb und
außerhalb der Kirche die Notwendigkeit einer gesonderten, ge-