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Ausgabe:

1959 Nr. 12

Spalte:

908-909

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lys, Daniel

Titel/Untertitel:

Nèphèsh - histoire de l'âme dans la révélation d'Israël 1959

Rezensent:

Eichrodt, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 12

908

Begriffen einzuführen und so zwar nicht eine Gesamtdarstellung,
aber doch wesentliche Teile der biblischen Theologie zu liefern.
In der katholischen Forschung Deutschlands ist die Behandlung
der biblischen Theologie noch verhältnismäßig jung. Der erste
Versuch ist 6. Zt. von Meinertz gemacht worden. Da man sich in
der katholischen Theologie mehr mit Philosophie und Dogmatik
als mit den Bibelwissenschaften beschäftigt, stellt Bauer in der
Einführung die Bedeutung der biblischen Theologie für die Dogmatik
und das Verhältnis der biblischen Theologie zur Dogmatik
heraus. Die neutestamentliche Theologie darf nicht als Fundort
zur Belegung dogmatischer Lehrsätze mißbraucht werden, indem
man einzelne Schriftstellen aus dem Zusammenhang herausgreift.
Man darf auch nicht mit einem vorhergegebenen System, mit
dogmatischen oder anderen Kategorien an die biblischen Texte
herangehen, wodurch die Aussagen einen anderen Ton erhalten,
sondern die biblische Theologie ist bestrebt, jene Kategorien
aufzudecken, in denen die Männer der Bibel dachten, und mit
den der Schrift eigentümlichen Denkformen „zu einem ganzheitlichen
Verständnis der christlichen Lehre zu gelangen, indem
sie zum eigentlichen Kern, bzw. Hintergrund der Offenbarung
vorzudringen sucht" (14). „Die Dogmatik läßt sich nicht auf die
biblische Theologie zurückführen, sondern sie schöpft aus der
Tradition, wenn auch die Tradition nicht völlig unabhängig von
der Schrift betrachtet werden kann, ebensowenig wie die Schrift
unabhängig von der Tradition zu verstehen ist. Dennoch ist die
Bedeutung der biblischen Theologie für die Dogmatik kaum zu
überschätzen. Sie hilft dem Dogmatiker, seine Aufgaben zu erfüllen
, bewahrt davor, daß weniger betonte Wahrheiten untergehen
, daß Akzente versetzt und verschoben, die Proportionen
der einzelnen Elemente verändert werden" (S. 15 f.). Die Arbeit
an der biblischen Theologie hat konfessionelle Bedeutung: denn
sie „fördert auch die Begegnung mit den getrennten Brüdern.
Ihnen ist die biblische Theologie geradezu ihre Dogmatik, die
Bibel also deren Korrektiv" (S. 17). Von der historischen kritischen
Arbeit setzt sich Bauer ab. „Der Bibeltheologe geht nicht
wie der Historiker an die paulinische, johanneische usw. Lehre
heran, um 6ie herauszupräparieren, d. h. aus rein historischem
Interesse, sondern insofern ein solches System offenbar macht,
was die katholische Kirche damals lehrte. Die Lehre wird dabei
betrachtet als ein Aspekt, ein Stadium der heutigen Kirchenlehre,
also nicht unabhängig von ihrem heutigen Stand" (S. 17).

Der Herausgeber läßt von 40 deutschen, österreichischen
und anderen ausländischen Fachleuten verschiedene Begriffe der
Bibel bearbeiten. Unter den Mitarbeitern sind bekannte Namen,
wie z.B. Adler, Bläsner, Danielou, Kosnetter, Michl, Nötscher,
Prümm, Schilling, Schmid, Schnackenburg, Spicq und Warnach.
Auch der evangelische Orientalist G. Molin aus Graz ist mit
herangezogen. In diesem Wörterbuch werden nicht alle biblischen
Begriffe behandelt, sondern nur solche, die dem Herausgeber
wichtig erscheinen. Manche Artikel sind sehr kurz, z.B. über
Habgier eine halbe Seite oder über Lohn eine Seite; andere haben
eine beträchtliche Länge, z.B. Gerechtigkeit 20, Sünde 21, Glaube
22 Seiten, ebenso Rcidi Gottes, Gott 25 Seiten, Kirche 27 Seiten,
Geist 30 Seiten, Mysterium 30 Seiten, Liebe sogar 40. Meist behandelt
derselbe Autor den Begriff im Alten Testament wie im
Neuen. Gelegentlich sind mehrere Bearbeiter herangezogen, wie
z. B. bei Gerechtigkeit, Glaube, Gnade, Gott und Leiden. Daß c;
sich nicht um begriffsgeschichtlichc Untersuchungen, sondern um
bibeltheologische Arbeiten handelt, zeigen die Abhandlungen
über Apokatastasis, Askese, Entmythologisierung, Messianismus,
Mittlerschaft. Mysterium, Solidarität und tausendjähriges Reich.
Wird eine Auswahl von Begriffen getroffen, so ist es schwierig
zu entscheiden, welche Worte man heranziehen 6ollte und welche
man weglassen könnte. Es fehlen z.B. Abhandlungen über Diener
, dienen, Dienst, über Evangelium und Evangelist, über Errettung
oder Heil, über Offenbarung, über Verkündigung oder
Predigt, über Schöpfung und über Vergebung. Dagegen sind behandelt
: Bann, Besessenheit, Ernte, Feind, Handauflegung, Heuchler
, Krieg, Reichtum, Rein, Weg, Wein, Zucht.

Wertvoll sind die Literaturangaben, die gerade auch auf
katholische Arbeiten über neutestamentliche Fragen aufmerksam
machen. Allerdings sind diese Literaturhinweise sehr unterschiedlich
. Beim Artikel Kirche umfaßt die Bibliographie 5 Seiten
, bei der Abhandlung über Menschensohn ist sie ausgesprochen
dürftig. Auch wäre es gut, wenn die Literatur zur besseren Übersicht
alphabetisch oder chronologisch geordnet wäre. Oft werden
Abkürzungen oder Namen benutzt, die nicht erklärt werden, die
der Fachmann kennt, die dem Laien aber unverständlich bleiben,
wie z.B. Bousset - Greßmann, Bultmann, Jacob, Köhler, Heinisch,
Nötscher, v. Rad.

Der Schwerpunkt ist bei den einzelnen Artikeln ganz verschieden
gelagert. Bei Gesetz und Prophet wird fast ausschließlich
das Alte Testament herangezogen, als ob diese Worte im
Neuen Testament keine Bedeutung haben. Bei den Ausführungen
über Zeugnis wird der Begriff selbst nur sehr kurz behandelt, dagegen
wird unter dieser Überschrift z. B. das Leben der Ur-
gemeinde nach der Darstellung der Apostelgeschichte sehr ausführlich
geschildert. Der Artikel schließt mit dem Appell an die
Leser, dem Rufe Pius XII. zu folgen, durch ein Leben echter
Bruderliebe und tiefer Leidensbereitschaft Zeugnis abzulegen,
damit das wahre Antlitz Christi und der Kirche aufleuchtet. Anregend
und gut informierend sind die Ausführungen von
Schnackenburg über Reich Gottes. Wie bei allen Sammelbänden,
so ist auch bei diesem der Wert der einzelnen Beiträge verschieden
.

Buckenhof/Erlangen Gerhard Friedrich

S c h e 1 k 1 e, Karl Hermann: Die Mutter des Erlösers. Ihre biblische
Gestalt. Düsseldorf: Patmos-Verlag [1958]. 96 S. 8° = Die Welt der
Bibel. Kleinkommentare zur Heiligen Schrift, hrsg. v. E. Beck, W. Hillmann
, E. Walter. Kart. DM 4.80.

W o 1 f f, Hans Walter, Moltmann, Jürgen, u. Rudolf Bohren :
Die Bibel — Gotteswort oder Menschenwort? Dargestellt am Buch
Jona und am Apostolat des Paulus nach 2. Korinther 4. Neukirchen
Krs. Moers: Neukirdiener Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins
19 59. 62 S. gr. 8°. Kart. DM 4.60.

ALTES TESTAMENT

L y s, Daniel, Lic: Nephesh. Histoire de l'äme dans la revelation d'Is-
racl au sein des religions proche-orientales. Paris: Prcsses Univcrsi-
taircs de France 1959. 214 S. 4° = fitudes d'histoire et de Philosophie
religieuses, ed. par R. Mehl, 50. Kart. ffr. 1200.—.

Die vorliegende Untersuchung, die sich würdig an diejenigen
von J. H. Becker und A. R. Johnson über denselben Gegenstand
anschließt, bietet wie jene eine Behandlung aller alttestamcnt-
lichen Stellen mit nefesch, fügt aber eine allgemeine Orientierung
über die Voraussetzungen des Problems von 39 Seiten hinzu, die
über die Auslegung des AT, das Verhältnis von Wort und Wirklichkeit
, von Existenz und Wesen, von Anthropologie und Onto-
logie, von psychologischem und phänomenologischem Sinn des
Seelenbegriffs handelt und in sehr umsichtiger Weise die besonderen
Schwierigkeiten der Untersuchung und den theologischen
Charakter der Betrachtungsweise entwickelt. Der am Schluß dieser
Einleitung vorgelegte Aufriß zeigt die ursprünglich beabsichtigte
Breite der ganzen Anlage, indem zum primitiven und altorientalischen
Seelenvcrständnis und zur ausführlichen Besprechung
der alttcstamentlichen Zeugnisse, die in Kap. II und III auf 64
und 92 Seiten dargeboten werden, noch eine Untersuchung der
Übersetzungen von nefesch in LXX und Vulg., eine Besprechung
der verwandten Begriffe, eine Einfügung der Begriffsgcschidite in
die theologische und politische Geschichte Israels und schließlich
eine genauere Erfassung der Tragweite der besprochenen Zeugnisse
für das letzte Ziel der alttcstamentlichen Geschichte in Aussicht
genommen werden. Diese vier letzten Abschnitte sind aber
ungeschrieben geblieben, ohne daß ihr Fehlen besonders begründet
wird. Nur der letzte Abschnitt des Buches weist auf die hier
noch zu lösende Aufgabe hin, die sich der Verf. offenbar für die
Zukunft vorbehalten hat.

Schon das bisher Gebotene stellt eine beachtenswerte Leistung
dar. Der religionsgeschichtliche Rahmen führt neben den
primitiven Vorstellungen vom Wesen des Menschen die Anschauung
der Ägypter, Babylonier, Hethiter, Kanaanäer, Iranier und