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Ausgabe:

1959 Nr. 12

Spalte:

904-905

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mensching, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Söhne Gottes 1959

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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903

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 12

904

Christi bewegt sich immer in einer Bildersprache" (245) — aber
dieser Satz bedürfte einer genauen Interpretation. Er ist unbedingt
richtig, wenn er besagen will, daß die Wirklichkeit jede
Aussagemöglichkeit weit übersteigt. Aber er kann auch zum
mindesten mißverstanden werden in dem Sinn, daß jeder Aussage
in sich der Charakter des Vorläufigen, des Uneigentlichen,
des Nur-Verweisenden anhafte. Was heißt also in diesem Falle
„Bild"? Wird der Begriff im Sinne von Johannes Damascenus
und des zweiten Nicaenums verstanden — wonach die „Ikone"
ein zwar unvollständiges, aber doch im einzelnen sachentsprechendes
Abbild darstellt, in dem das Gemeinte repräsentativ und
wirksam zugegen ist — so ist der Satz richtig. Aber der Leser
des 20. Jahrhunderts hört zunächst doch den Klang des Uneigentlichen
heraus und folgert darum die Unverbindlichkeit
aller „bildhaften" Aussagen. Stählin meint es wohl mehr im
Sinn der alten Kirche, aber er ist durch seinen fließenden Seinsbegriff
nicht genügend geschützt gegen Mißdeutungen in dieser
Richtung. Der Satz z. B., daß die Heilige Schrift des Neuen wie
des Alten Testaments mit mythischem Denken „angefüllt" sei
und von ihm nicht „gereinigt" werden könne (51), müßte zumindest
konfrontiert werden mit den mehr als drastischen Abweisungen
des Mythos in der Bibel selbst (I. Timotheus 4, 7).

Hier folgt Verfasser der heute von Kierkegaard her sehr verbreiteten
Gleichsetzung von „Objektivität" und „ästhetischer
Zuschauerhaltung" (a. a. O.). Ist das richtig? Objektiv heiße
zunächst „entgegengeworfen". Liegt nicht im Begriff der Objektivität
das Moment des Entgegenstehenden, Nötigenden, Bestimmenden
? Nur objektive Tatsachen zwingen uns aus der Unverbindlichkeit
zur Eindeutigkeit, aus dem Subjektivismus zur
Formung. Stählin sagt an anderer Stelle sehr treffend, daß „die
Flucht vor konkreten Entscheidungen in unverbindliche Allgemeinheiten
zu den gefährlichsten Listen des Widersachers gehört
" (112) und „daß Gott die klaren Entscheidungen liebt"
(116). Sollte hier nicht das berechtigte Anliegen des rationalen
Denkens und des rationalen Elements in der Dogmatik gegenüber
dem Bilderdenken des Mythos liegen?

Diese gleichsam schwebende Ontologie ist nicht ohne Konsequenzen
. Einem Satz wie „Im Gebet geben wir uns den Urbildern
hin, die sich an uns und in uns und durch uns verwirklichen
wollen" (398) werden die meisten Leser nicht ohne einige
Bedenken und jedenfalls nicht ohne die Bitte um genauere Interpretation
zustimmen können; ebenso etwa der Kennzeichnung
des Antichrist als eines apokalyptischen Bildes, in dem ein bestimmtes
„Verständnis des Ablaufs der Geschichte" „symbolisiert
" sei (105). Auf derselben Linie liegt die wesentlich tiefenpsychologische
Deutung der Höllenfahrt (230 ff.), die zweifellos
einen sehr interessanten und sehr modernen Blick auf diesen
alten Lehrsatz darstellt, ihn in dieser Ausschließlichkeit aber
jedenfalls nicht ausschöpft.

Das ist aber nur eine Seitenlinie und setzt den Wert des
Gesamtwerks und unseren Dank an den Verfasser in keiner
Weise herab. Zumal in dem umfangreichen und gewichtigen Auf
satz „Was ist lutherisch?" (248 ff.) setzt sich - obwohl auch
hier das Realitätsproblem abgewiesen wird und darum einige
Fragen offen bleiben - schließlich doch der urlutherische Inkarnationsglaube
und die in ihm beschlossene Wertung des Seins
entscheidend durch und führt zu vielen äußerst treffenden Bemerkungen
über den Sinn der doctrina, über die Gcistleiblich-
keit, über die geschichtliche Orientierung und den daraus entspringenden
konservativen Zug. Hierzu ist auch in dem Aufsatz
über die Gestalt des Antichristen manches Treffende gesagt. -
Trotz der kritischen Bemerkungen - dem Verfasser für alles
Dank und viele gute Wünsche!

Hamburg Helmut Echternach

Kirchenlexlkon, Evangelisches. Kirchlich-theologisches Handwörterbuch
. Hrsg. von H. Brunotte u. O. Weber unter Mitarb. von
zahlreichen Fachkräften. Bd. III: P—Z. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1958/59. 1954 Sp. 4°.

Nachdem das Werk jetzt seinen Abschluß erreicht hat, erübrigt
sich fast eine nochmalige Besprechung an dieser Stelle,
weil wir schon dreimal auf Eigenart und Wert eingegangen sind

(1956, Sp. 29, 1957, Sp. 261, 1958, Sp. 741). Der dritte Band
zeigt aufs neue, daß das Schwergewicht auf die großen zusammenfassenden
Artikel gelegt ist, in denen das biblische, rcligions-
und kirchengeschichtliche, philosophische, dogmatische und oft
auch liturgische Material in Untergliederungen verarbeitet und
dargeboten ist, z.B. unter den Stichworten Prädestination, Rechtfertigung
, Strafe, Sünde und Schuld, Theologie, Theologiegeschichte
. Einen besonderen Hinweis dürfte der Artikel über die
Zwei - Reiche - Lehre verdienen, weil er aus zwei selbständigen
Aufsätzen von P. Althaus und J. Heckel besteht; das gut ausgewählte
Literaturverzeichnis wurde in diesem Fall von der Redaktion
beigesteuert. Während sonst die Problematik des jeweils
Behandelten durch einen Referenten aufgewiesen wird, ist hier
ausnahmsweise sehr zu Nutz und Frommen der Leser zwei Debattanten
das Wort gegeben. Wieder sind im neuen Band im
Brennpunkt des gegenwärtigen Interesses stehende Fragen stark
berücksichtigt, z. B. Rundfunk und Kirche, Kirche und Politik.
Psychotherapie, Rassenfrage, Säkularismus, Sport und Kirche,
Waffen (ABC), Wehrdienst, Widerstandsrecht. Alle theologischen
Disziplinen sind entsprechend der Grundplanung beteiligt, besonders
reich die Missions- und Religionsgeschichte und die ökumenische
Kirchenkunde, 60 daß der Auskunft Suchende hier beste
Belehrung erfährt. Daß wir im ökumenischen Zeitalter leben und
daß die Weltprobleme unsere Probleme sind, wird immer aufs
neue deutlich. Gleich gut sind die Liturgiewissenschaft und die
Konfessionskunde vertreten. Die bibelwissenschaftlichen und
kirchengeschichtlichen Stoffe mußten im ganzen Werk begrenzt
werden. Man lernt Geschick und Takt zu bewundern, mit denen
die Auswahl des Wesentlichen und am stärksten Nachwirkenden
glücklich getroffen ist. Die systematische Theologie ist mit ihren
Hauptthemen voll vertreten. Der Anteil der Philosophie mag
besonders hervorgehoben werden (Phänomenologie, Philosophie,
Pragmatismus, Raum und Zeit, Realismus u. a.).

Daß Wünsche verbleiben, braucht kaum ausgesprochen zu werden.
So wäre u. E. eine stärkere Berücksichtigung der religiösen Volkskunde
gut gewesen. „Segen und Fluch" ist ein eminent wichtiges Kapitel im
Volksglauben der Gegenwart. ..Zauberbücher" gab es nicht nur im
Altertum, sondern in Massenauflagen bis in die Gegenwart. Hier hätte
ein Kirchenlexikon die Beziehungen zur Gegenwart aufweisen sollen.

Aber das sind geringe Anstände, die in der ehrlichen Bewunderung
vor dem Ganzen untergehen, in dem Herausgeber,
Mitarbeiter und Verlag sich ein rühmliches Denkmal gesetzt
haben. Das gleichzeitige Erscheinen der RGG in dritter Auflage
hat zu vielen Diskussionen Anlaß gegeben. Wenn schon zwei
Werke angeboten werden, ist es gut, daß auch das im Umfang
kleinere und darum im Preis niedrigere, das übrigens vom Verlag
hervorragend ausgestattet ist, hohen Anforderungen genügt
und den Fragenden zuverlässig belehrt, nicht zuletzt durch die
Literaturangaben. Aussteht noch der Registerband, der nicht
mehr lange auf sich warten lassen wird. Er ist notwendig, weil
er die Stichworte um ein vielfaches vermehren und Überblick
und systematische Zusammenschau des Ganzen erst voll ermöglichen
wird.

Rostock Gottfried Holte

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Memching. Gustav: Die Söhne Gottes. Aus den heiligen Schriften
der Menschheit ausgew. u. eingeleitet. Wien-Münchcn-Bascl: Dcsch
[1958]. 522 S.. 64Taf., gr. 8°. Lw. DM 24.50.

Einleitend erklärt uns der bekannte Vertreter der Religionswissenschaft
, was er unter „Söhnen Gottes" versteht: er faßt
diesen Begriff nicht im Sinne der Mythologie auf, sondern im
Sinne persönlicher Frömmigkeit; er denkt an die führenden Geister
der Religionsgeschichte, die das Erlebnis haben, von Gott
an Kindes Statt angenommen zu sein (ausdrücklich vergleicht er
Rom. 8, 14). Solche Gestalten gibt es in vielen Religionen. Verf.
bringt infolgedessen Abschnitte aus den Werken von Gottessöhnen
oder über Gottessöhne aus den verschiedensten Ländern.
Er beginnt mit Indien und China: für alles Rcligionsgcschichtliche