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Ausgabe:

1959 Nr. 12

Spalte:

893-900

Autor/Hrsg.:

Mehl, Oskar Johannes

Titel/Untertitel:

Zur Revision des Psalters 1959

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 12

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gegebenem Leib und vergossenem Blut als deren Heilsfrucht, die
darin „eingewickelt" uns dargeboten wird.

VII.

Und so ist auch der Glaube, der allein den „Nutz"
des Abendmahls, die Vergebung der Sünden, empfängt, hier doch
nidit auf das „reine" Wort angewiesen, sondern eben in seinem
Vertrauen zu dem Wort hält und hängt er 6ich an das, was
dieses Wort ihm vorsetzt und wodurch es ihm das Zugesagte
«chenkt. — Daß die wirkende und sich darbietende Gegenwart
des für uns dahingegebenen Leibes und vergossenen Blutes Christi
im Abendmahl als heilbringende, zur Vergebung der
Sünden und zum neuen Leben, wofür er eigentlich dahin-
gegeben und geopfert worden ist, nur im Glauben ergriffen
werden kann, das betont Luther ständig. Nur wo die
„Realpräsenz" auf Glauben trifft, kommt ihre eigentliche Intention
, „zur Vergebung der Sünden", zu ihrer Erfüllung. Wo das
leibliche Essen und Trinken nicht von dem „geistlichen" beherrscht
ist, gereicht es nicht zum Heil36. Es kommt auf die
„geistliche Nießung", den Glauben, an; nur daß diese hier nicht
ohne die leibliche oder an dieser vorbei erfolgt — das wäre
„selbsterwählte Geistlichkeit"! -, vielmehr geschieht die geistliche
hier in unlöslicher Verbindung mit der leiblichen, entsprechend
der unlöslichen „unio sacramentalis" von Wort, Leib, Brot
und Sündenvergebung (s. o.). So liegen hier geistliche und leibliche
Nießung ganz ineinander und können nicht voneinander
geschieden werden30. Umschlossen und beherrscht von dem
geistlichen gereicht das leibliche Essen und Trinken zum Heil.

Das bedeutet nicht, daß der Nicht-Glaubende hier überhaupr
nicht mit dem realpräsenten und real wirkenden dahingegebenen

M) Zu dem Zusammenhang von leiblichem und geistlichem Essen
und Trinken bei Luther vgl.: WA 23. 178—190. 260 ff.; WA 26, 295 f.

Es geht an Luthers Auffassung geradezu vorbei, wenn Bizer,
Die Abendmahlslchre .... 4, in bezug auf Kl. Kat. V sagt- „Essen und
Trinken sind nicht in dem Sinn Bedingung des Empfanges, als ob diese
Tätigkeit als solche etwas mit der Gabe zu tun hätte, sondern während
(() sie mit diesen irdischen Dingen beschäftigt sind, bekommen
die Empfänger die Gabe durchs Wort übereignet."

Leib und vergossenen Blut Jesu Christi konfrontiert würde und
er es lediglich mit Brot und Wein zu tun hätte"7, so daß die „Real-
präsenz" nur für den Glauben bestände oder gar kraft
des Glaubens. Nein, sie besteht kraft des schöpferischen Stiftungswortes
, in dem das Zusagewort steckt, wohl auf gläubigen
Empfang h i n, da6 ist ihr eigentliches Ziel, an dem sie zu der
intendierten positiven Wirkung kommt, aber sie selbst ist
doch unabhängig von Glauben oder Nichtglauben des Empfängers
; „denn es stehet nicht auf des Menschen Glaube oder Unglaube
, sondern auf Gottes Wort und Ordnung" (WA 26, 506;
vgl. Gr. Kat. V, 5 f. 16. 17). Die „Realpräsenz" gründet außerhalb
des Glaubens und kommt an ihn heran. Es widerspricht
ja gerade dem Wesen des Glaubens, daß kraft seiner Wirklichkeit
etwas sei, vielmehr zehrt er eben als Glaube von gottgesetzter
Wirklichkeit „exrta nos"; er ist gerade nicht ewas in sich
selbst und aus sich heraus, sondern er ergreift die Wirklichkeit,
die von Gott an ihn herankommt und hängt sich an sie und
haftet daran, darin hat er als Glaube sein Leben (Vgl. WA 23,
258. 267 f.; WA 26, 436).

So können wir die „Realpräsenz" nicht auf den Akt des
gläubigen Empfanges reduzieren, wie wir das Abendmahl überhaupt
nicht auf die rein akthafte Beziehung von Wort und Glauben
beschränken dürfen. Verzichten wir beim Abendmahl auf
bekennende Seinsaussagen (die ja nicht statisch gelten, sondern —
im Gehorsam gegen das Wort — eben auf rechte Aktualität zum
Glauben hin), dann wird das Ganze in bloße funktionale Bezüge
aufgelöst, die sich ohnehin im „Existential" finden! Ja, Luther
sieht wohl das ganze Abendmahl, wie wir sahen, durch die
Promissio - fides - Relation bestimmt, aber er sieht hier diese
Relation doch nicht „nackt" wirken, sondern, wie wir 6ahen,
-.gefüllt", und wir haben kein Recht, diese von Gott gegebene
„Füllung" in irgend einer Weise zu eliminieren, um uns mit der
„nackten" Relation zu begnügen — es wird uns dann diese Relation
selbst in ihrer Lebendigkeit und Wirkmächtigkeit entgehen,
und wir werden sie leicht mit einem bloßen Prinzip eingetauscht
haben!

3?) Auf den ganzen Komplex der „manducatio indignorum" sei nur
hingewiesen, ohne daß wir hier darauf eingehen können.

Zur Revision

Von Oskar Joh. Mehl

Der dem „revidierten Text" des Neuen Testamentes von
1956 beigefügte Psalter scheint noch nicht bearbeitet zu sein.
So findet 6ich darin eine große Anzahl von Stellen, die unbedingt
abgeändert werden müssen. Ich möchte hier nur das Notwendigste
behandeln, indem ich besonders drei Fassungen berücksichtige:
Das „P r o b e t e s t a m e n t" von 1937 (Pr.), die Übersetzung
der Psalmen von Emil K a u tz s c h 1896 (K.) und die Verdeutschung
von Anastasius M i 11 e r O. S. B., Klosterneuburg
1934 (Kl.). Verschiedentlich konnte ich auch die deutschen
„Kirchenämter" Thomas Müntzers (1523) anführen (vgl.
meine Doktor-Dissertation, Jena: „Thomas Müntzer als Bibelübersetzer
"). Selbstverständlich muß man nicht nur den hebräischen
Text, sondern auch die Septuaginta und die Vulgata durchgesehen
haben, sowie die Veränderungen bei den verschiedenen
Bibelrevisioncn von 1524 an bis heute. Wenn es irgend angeht,
sollte man Luthers Sprache beibehalten, denn seine Übersetzung
ist und bleibt unvergleichlich. Seine größte Bedeutung liegt vielleicht
auf sprachlichem Gebiet. Luther „redete", während die
anderen nur „stammelten" (Döllinger); wie auch Nietzsche sagt:
„Die Bibel war das beste Buch. Gegen Luthers Bibel gehalten ist
fast alles übrige nur .Literatur'." Aber mindestens folgendes
muß _ um der Sache und der Sprache willen — m. E. doch abgeändert
werden:

Psalm 1,5; bleiben die Gottlosen nicht im Gericht. Sie
„bleiben" doch gerade im Gericht; denn ihr Wurm stirbt nicht,
und ihr Feuer verlöscht nicht! Warum sagt man nicht mit Luthers
erster Wiedergabe (1 524): darum werden die Gottlosen im Gericht
nicht stehen bleiben ( v.T.-')? K. und KL: nicht bestehen.

des Psalters

• Mörtitz bei Eilenburg

Psalm 2, 7: Ich will von der Weise (1524: Satz — ph) predigen
. KL: Laßt mich verkünden seinen Spruch; K.: Laßt mich
Kunde geben von einem Beschluß. Müntzer: Zur Erfüllung werd
ich predigen seine Gesetze. — V. 9: zerschmeißen. Besser: zerschlagen
, zertrümmern. — V. 12: Küsset den Sohn. Das aramäische
"15 (für Sohn) macht Schwierigkeiten. Gunkel meint: Die Worte

seien unübersetzbar, der Text sei verderbt. Kl. hat: nehmt Weisheit
an (apprehendite diseiplinam); Müntzer: ergreift die Zucht.

Psalm 5,1: für das Erbe ( r'-b-rorj "bx ). K.: „Nach der
üblichen, aber ganz unsicheren Erklärung ,zu Flöten'. Hierbei
möge ein für allemal bemerkt sein, daß die Überschriften und
Beischriften musikalischen Inhalts fast ausnahmslos für uns unverständlich
sind."

Psalm 6, 6: bei den Toten - so seit 1913. Luther (L): in
der Höllen (bxr3 TV "fy — infernum). Das so oft für
Totenreich gebrauchte Wort „Hölle" muß aus der Bibel (und dem
Bekenntnis) verschwinden und darf nur noch für den Ort der
Qual angewendet werden!

Psalm 9, 5: Stuhl ( - tfpovoc) sollte durch „Thron"

ersetzt werden.

Psalm 16,7: auch züchtigen mich meine Nieren ( Trt'Va
- renes — vtqpni) des Nachts. K.: mahnen mich; KL: drängt
mich mein Herz dazu.

Psalm 17, 1: erhöre die Gerechtigkeit ( piK rTTtttä ) 1524:
höre. Im Griechischen und Lateinischen steht noch „meine".