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Ausgabe:

1959 Nr. 1

Spalte:

65-67

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Diekamp, Franz

Titel/Untertitel:

Katholische Dogmatik 1959

Rezensent:

Schultz, Werner

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Seite 1, Seite 2

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_______ Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 1 55

fassers (S. 15/16), die als junges Mädchen Bücher von Schweitzer
geschenkt erhalten hatte und dadurch ein inneres Bild Schweitzers
unverlierbar gewann, das sie befähigte, später „alle Verfolgungen
und Leiden zu ertragen, die in unserer Zeit der Mensch dem
Menschen angetan hat". Dies Beispiel stehe für viele. Bilder aus
Leben und Werk Schweitzers erstehen vor dem Leser und immer
60, daß er spürt: tua res agitur.

Wendungen wie die „nicht wahr?" in unmittelbarer Anrede
an den Leser (S. 14,288) sind Geschmackssache. Auch 6onst ist der
Stil des Verfassers gelegentlich in Gefahr, einem breiten Geschmack
zu sehr entgegenzukommen. S. 5 3 wird von dem Knaben
Schweitzer in Günsbach gesagt, daß „er ein richtiger Landjunge
war. Kleinigkeiten wie die Angabe des Lebensjahres u. ä. in Zahlen
statt in Buchstaben zu schreiben, mitten im laufenden Text,
ist zwar heute oft üblich, aber unschön (S. 66, 195).

Die Ausdrudesweise ist manchmal etwas unscharf und ungenügend
in der Tatsachenwiedergabe. Das macht sich besonders
in der Wiedergabe der theologischen und religionswissenschaftlichen
Bezugnahmen Schweitzers bemerkbar. Eine solche unerlaubte
Vereinfachung findet sich z. B. auf S. 82, wo im ununter-
richteten Leser der Eindruck entsteht, daß die Bestreiter der
Historizität Jesu nur die „römischen Stoiker" bemüht hätten, um
den historischen Jesus auszulöschen. Zu den störenden Kleinigkeiten
gehört auch, daß der Hamburger Orientalist Samuel Rei-
i.iarus zum „Pastor" gemacht wird (S. 8 3). Erfreulich ist, daß für
den Kenner ersichtlich wird, daß der VerfasseT nicht nur die
„Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" herangezogen hat, sondern
auch die zu Unrecht oft vergessene Studie vom Jahre 1900
„Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis". (Werkangaben — ja
auch nur eine Tabelle des Lebensganges Schweitzers — fehlen dem
Buche leider.)

Diese Beanstandungen, denen noch die eine oder andere beizufügen
wäre, wollen nicht den Wert des schon äußerlich vom
Verlag sehr ansprechend und gefällig ausgestatteten Werkes
herabmindern. (Die Lizenzausgabe wirkt — durch Einband und
Handlichkeit z. B. — viel anziehender für den Bücherfreund als die
westdeutsche Originalausgabe.)

Die Eigenständigkeit des Verfassers kommt am stärksten in
dem breiter angelegten Kapitel „Im Wettlaufe mit der Zeit
(S. 191 ff.) zum Ausdruck. Das Bild, Schweitzer habe einen „durch
die Forschung erhellten Kontinent" außer acht gelassen, nämlich
das christliche Mittelalter, i6t in der Sache treffend und im Ausdruck
schön. Störend ist nur, daß bei Erwähnung der Unterlassungen
Schweitzers auch Ignatius von Loyola steht. Vom Stifter
der Gesellschaft Jesu zu Albert Schweitzers Denken führt
keine Brücke.

Wenn das Kapitel mit dem Satze endet (S. 235), Schweitzer
„lebte und wirkte im Wettlauf mit der Zeit — damals und er tut
es noch heute", so kann nur hinzugefügt werden, daß die Anti-
Atomkriegsappelle Albert Schweitzers in den Jahren 1957 und
195 8 die ernste Unterstreichung dieses Satze6 auch für die unmittelbarste
Gegenwart bedeuten.

Leipzig Rudolf Grabs

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Diekamp, Franz: „Katholische Dogmatik" nach den Grundsätzen
des heiligen Thomas, neu hrsg. v. K Jünsen Bd I. 12.-13. Aufl.
-195?, 371 S.; Bd. II, lO.Aufl. 1952, 606 S.; Bd. III, 11.-12.Aufl.
1954, 512 S. Münster: Aschendorff. 8°.

Die Dogmatik von Diekamp liegt jetzt in der neuen Ausgabe
von Jüssen, Professor der Dogmatik an der Universität
Freiburg i/Br., vollständig vor. Bei der Überarbeitung des ursprünglichen
Werkes hat sich der Herausgeber von dem Bestreben
leiten lassen, die Eigenart dieses Werkes „voll und ganz zu wah-
re" und daher größere Eingriffe in den Text zu vermeiden. Die
sachlich bedeutsamen Abänderungen oder Erweiterungen 6ind von

1 m in den Vorworten zu den einzelnen Bänden jeweils vermerkt
.

Das Werk ist als ein Lehrbuch gedacht „zum Gebrauch beim
theologischen Studium" und macht als solches in der Klarheit

und Kürze seiner Diktion und Anordnung einen vorzüglichen
Eindruck. In den einzelnen Abschnitten werden jeweils die theologischen
Lehrsätze vorangestellt und im Rückgriff auf die Schrift,
Tradition und kirchlichen Beschlüsse näher begründet, wobei ein
erstaunlich umfangreiches Material vorgetragen wird und die genannten
Lehrsätze in fortgehender Auseinandersetzung mit dem
gegnerischen Standpunkt weiter entwickelt werden.

Wie der Untertitel des Werkes besagt, und von dem Verf.
selbst näher begründet wird, ist da6 Ganze entscheidend orientiert
an der „klassischen" Summa des Thoma6, wobei allerdings
auch großes Gewicht auf die Übereinstimmung mit allen „von
der Kirche anerkannten Theologen" gelegt wird, da diese Übereinstimmung
beweise, daß die vorgetragenen Lehrsätze „wirklich
geoffenbarte Wahrheit" seien (I, 54). Es wird 60gar bemerkt:
•■Jeder darf auch von klar und bestimmt vorgetragenen Sätzen
des heiligen Thomas abweichen, wenn hervorragende Theologen
sie bestreiten, und wenn ihm deren Ansicht besser begründet zu
«ein dünkt" (I, 61). So wird auch die Gliederung der Dogmatik
wohl an das Sy6tem des Aquinaten angeschlossen, aber dennoch
Werden auch einige Änderungen vorbehalten (I, 83).

Von hier aus ergibt sich der Aufbau des vorliegenden Werkes
. An die Spitze tritt wie bei Thomas die Lehre von Gott an
sich mit den beiden Unterteilen: der Lehre vom Wesen Gottes
und der Lehre von der göttlichen Trinität. Sie bilden den Inhalt
des ersten Bandes. In dem zweiten Band wird dann die Lehre von
der Schöpfung vorgetragen in einer Darstellung der Werke Gottes
, die auch die Lehre von den Engeln umfaßt und die Deutung
der Ur- und Erbsünde im Menschengeschlecht. Daran schließt sich
die Lehre von der Erlösung durch Jesus Christus, von der Person
des Erlösers, seines Erlösungswerkes und der jungfräulichen
Mutter Maria. Den Abschluß dieses Teils bildet die Gnadenlehre.
Der dritte Band bietet dann die Lehre von den Sakramenten und
den letzten Dingen.

Aus der Fülle der gewaltigen Stoffsammlung seien nur einige
Grundzüge hervorgehoben, die besonders für das katholische
Denken charakteristisch sind. Theologie ist „Wissenschaft im
e'gentlichen Sinne", und zwar „Wissenschaft von Gott", die zu
endgültigen unumstößlichen Resultaten führt. Diese Resultate
"egen zunächst vor in den Dogmen der Kirche. „Dogma ... ist
^ine von Gott unmittelbar geoffenbarte Wahrheit, die durch das
kirchliche Lehramt klar und endgültig für alle Christen als Gegenstand
des pflichtmäßigen göttlichen und katholischen Glauben»
Verkündigt worden ist" (I, 12). Der jetzt vorliegende Dogmen-
Besitz der Kirche ist „unwandelbar abgeschlossen für immer"
17). Der eine wahre Gott kann durch die Vernunft „mit Sicherheit
" erkannt werden (I, 103). Daher noch heute die Gültigkeit
der Gottesbeweise. Nur zur Erkenntnis der Dreipersönlichkeit
Gottes kann die menschliche Vernunft mit ihren natürlichen
Mitteln nicht" kommen (1,271). Hier muß auf die geoffenbarten
Und kirchlichen Traditionsquellen zurückgegriffen werden. Aber
au<h diese Quellen führen zu festen dogmatischen Ergebnissen,
Wenn auch einzuräumen ist, daß die Trinität „das größte und
tiefste Geheimnis des Christentums ist" (I, 274). Das Profil des
hier gegebenen Gesamtbildes wird also überall bestimmt durch
den streng objektivistisch-diktatorischen Zug, der für die katholische
Haltung 60 charakteristisch ist und seinen letzten Grund
jn der Auffassung von der Kirche hat als einer objektiven,
intumsfreien Heilsanstalt, an deren Spitze der Papst steht als
"Oberste kirchliche Lehrgewalt", der „in seinen Kathedralentscheidungen
unfehlbar" ist (1,68). So heißt es ausdrücklich:
»Die kirchliche Lehrgewalt und ihre Unfehlbarkeit erstreckt sich
auf die gesamte Offenbarungswahrheit und alles, was zu dieser in
innerer Beziehung steht" (I, 72). Wenn in dem Werk auch keine
besondere Lehre von der Kirche vorgetragen wird, so steht der
eben genannte Satz doch hinter allen seinen dogmatischen Formeln
. Ein anderer Grundzug katholischen Denkens enthüllt sich
in der Anthropologie, die im zweiten Band vorgetragen wird.
Die Deutung des Menschen folgt hier grundsätzlich dem Schema
der binaren antiken Anthropologie in ihrer Gegensätzlichkeit
von Wesen und Erscheinung, Vernunft und Sinnlichkeit. „Die
menschliche Seele ist eine Substanz" (II, 103). Daraus folgt spontan
eine relative Entwertung der Sünde. Erbsünde ist nur der
„Mangel der urständlichen Gerechtigkeit", der „Mangel der hei-