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Ausgabe:

1959 Nr. 11

Spalte:

866-869

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Brinkel, Karl

Titel/Untertitel:

Die Lehre Luthers von der fides infantium bei der Kindertaufe 1959

Rezensent:

Althaus, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 11

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Hinsicht ist die Einführung des Meontologischen in Theologie
und Dogmatik ein Dienst zur Reinhaltung der Lehre vom Worte
Gottes, der Hermeneutik, der Verkündigung usw.

Wie weit z. B. Barth und andere meontologisdie Formen in ihrer
Theologie haben, weist Samuel des öfteren nach (z. B. Kultur 254:
Logik 326 f.; Offb. 52 ff. passim). Das paradoxe paulinische d>{ m<
die unaufhebbare echte Spannung des Glaubens, die Widersprüchlidikeit
darin, das weiß „die neue Ontologie", gemeint ist Meontologie, „recht
zu deuten, ohne der Dunkelmänncrci zu verfallen" (60). Mit der
Einführung des Meontologisdien in die Theologie kann Samuel aber
auch Barth eines gewissen unkritischen Eklektizismus und Bonhocffcr
wie Barth eines gewissen Offenbarungspositivismus überführen (Offb.
13. 16). Der nichtreligiöse Offenbarungsbegriff Bonhocffers „erzeugt
nicht eine nichtrcligiösc Interpretation, sondern eine fragwürdige, religiöse
Interpretation unter demselben einen Offenbarungsbegriff" (20).
Er verläßt nicht wirklich den religiösen Seinsbereich (ontologisdicr Fehler
), wie er aber audi das bloße Übertragen „göttlicher Funktionen und
Befugnisse" auf die Welt unter Gefährdung der „Einmaligkeit und
llnvcrändcrlichkcit der christlidicn Offenbarung" (13) vornimmt (theologischer
Fehler).

Samuel bringt einen wirklich „nichtreligiösen Offenbarungsbegriff"
zur Anwendung und schließt damit den verkürzenden Partikularismus
einer bloß religiösen Begrifflichkeit aus, um „die Reichtumsfülle der
echten und ganzen Offenbarung nidit zu kurz kommen" zu lassen („die
eine unteilbare, holistischc . . . Offenbarung des lebendigen Gottes in
Christo In all ihrer unausmeßlichen Rcichtumsfülle, Herrlichkeit und
schlackenlosen Reinheit") (44). Mit dieser meontologischen Methode
zur Klärung der Offenbarungsbegriffe ist dann die Basis zu einem Gang
durch die Hauptstückc der christlichen Lehre gelegt: Auferstchungslehre
(Bejahung des leeren Grabes in der Zeit vom meontologischen Verständnis
her der verschiedenen Dimensionen von „Zeit") (44 ff.); Ontologie
der göttlidicn Liebe (1. Kor. 13; 15,24—28); Lehre vom Wort
Gottes (63); Trinitätslehrc (66 ff.); Christologie (89 ff.); Lehre vom
Geist (Pfingsten, 115—117); Mündigwerden durch den Geist (117—121);
Kirche (121—125); Glaube und Gehorsam (127—129); Meontologisdie
Auslegungsprinzipien für die Offenbarung Johannis (130—143) (interessante
Analyse!); Prädestinationsichre (147—152); Lehre von der
Schöpfung (152 ff.); Ursprung und Wesen des Bösen (160 ff.); Rccht-
fcrtigungslehrc (zeitgeschichtliche Gestalt des wiederentdeckten Paulinismus
. „Hier zehren wir alle von der großen Leistung des Ricscngeistes
Luthers") (165); Taufe und Abendmahl (174 ff.); Entmythologisierung
und meontologisdie Verteidigung des Mythus (190 ff.). Die Auseinandersetzung
mit Bultmann setzt sich dann am Joh.-Evangelium fort (210 ff ).
Der Teil über die christliche Lehre schließt mit der Diskussion über die
Meontologie des Paulinismus (219—239). — Die Fülle der hinter diesen
noch nicht einmal vollständig aufgezählten Kapiteln stehenden wertvollen
Einzcleinsichten, die alle in Bezug zur Offenbarungslehrc bleiben
und dodi noch weitergehende Probleme erörtern, kann nicht referiert
werden, ebensowenig die sich anschließende „ontologische Auseinandersetzung
mit Kant" (Teil III, 243—345) mit den Zusätzen „Barths Kant-
Verständnis" (345—347), „Die Ästhetik", „Die Biologie", einer
..Schlußbetrachtung" (356) und „Nachwort" (358). Es ist nicht nur eine
ausgezeichnete Einführung in Kants Denken und Schriften, sondern auch
die Untersuchung der Beziehungen der Philosophie zu den nichtreligiösen
Offcnbarungsbcgriffen, an Kant vorgeführt, den Samuel „für den
größten Philosophen der Welt" hält (243)". Daß das Ringen um das
Verständnis des Problems von Nichtseiendcm und Seiendem, von o>
und f'/nv, auch die Debatte um den Mythos in den biblischen Schriften
befruchten wird, ist mir in Beschäftigung mit einer Arbeit von Wolfgang
E. Kretschmer zu Genesis 1—3lr' besonders deutlich geworden. Es kann
das dem nadi jahrelanger nazistischer Verfolgung in Emigration lebenden
tiefschürfenden Denker O. Samuel kaum voll übersehbar sein. -

Ohne Frage bringt Samuel durch die Einführung des Meontologischen
in Theologie und Dogmatik uralte und ebenso ganz
moderne Gedankengänge in Verbindung. Das rechtfertigt nicht
zuletzt die eingangs vorgenommene Erinnerung an die bleibende
Bedeutung der Dogmengeschichte mit ihren dogmatischen Problemen
. Eine Reihe solcher Probleme neu beleuchtet und dem
Versuch einer Lösung näher gebracht zu haben, gehört auch zum
Verdienst des theologischen Werkes. Z. B. dürfte das Problem
der Verborgenheit Gottes, das in den zwanziger Jahren in aller
Schärfe gestellt worden ist, geradezu radikalisiert und in Heraus-

1 verziditen auf eine Liste von Corrigenda, da sie sich auf
eine Anzahl von Druckfehlern erstrecken würden (in Offb.. nicht in
KtUtm u. Logik), aber sinnstörende nicht begegnet sind (z. B. oft
Jasper statt Jaspers, m u. n verwechselt u. ä.).

') Psychologische Weisheit der Bibel. Urbilder des Seins und Werdens
im b.blischen Schöpfungsbericht. 1955.

Stellung des Begriffs der echten Transzendenz als absolute totale
Anderheit gefördert worden sein. Gott ist Geist und durchwaltet
alles Lebendige, das sucht wohl der holistische, religiöse und
nichtreligiöse Offenbarungsbegriffe zugleich bedenkende Offenbarungsbegriff
zu erfassen. Gott will geglaubt sein, und insofern
werden Offenbarung und die Welt des menschlichen Wissens abgrundtief
unterschieden bleiben. Aber den Gedanken, daß alle
Wahrheit zuletzt nur eine sein kann und daß die Verschiedenheit
der Bereiche von Religion, Philosophie usw. doch gemeinsame
Schnittpunkte zuläßt, bei totalen Andersheiten, die einander aber
entsprechen und bestehende Zusammenhänge zeigen, hat Samuel
entschieden gefördert. Er mag nicht unrecht haben, daß die Philosophie
mit der Meontologie in ein neues Stadium tritt und das
nicht ohne Belang für den Dienst am Worte Gottes ist, weil das
fruchtbare Theologisieren immer mit philosophischen Elementen
gearbeitet hat. Samuel sieht es keinesfalls als sein Verdienst,
Wenn die Meontologie in der Philosophie durchbricht, weil diese
neue Stunde der Philosophie gerade in Jesu einzigartiger Existenz
(„dieses Gott plus Welt, Schöpfer plus Geschöpf, Ansich plus Erscheinung
") schlägt (Offb. 196).

, Wenn wir Samuel auf Grund seines eigenen Hinweises auch
nicht zu folgen brauchen als Theologen in den logistischen Begriffen
(358), so möchte die Warnung vor dem Mißverständnis
-Logistik und Ontologie miteinander zu verwechseln" (ebd.) doch
beachtet sein. Wir werden ihm auch nicht da folgen, wo mit Begriffen
logistischer Art uns nicht allzuviel für theologische Erkenntnis
gewonnen zu sein scheint. Sie besagen an sich selbst
nicht viel. An positiver Förderung theologischer Probleme bleibt
des Reichtums genug. Darum möchte Samuels tiefschürfendes und
überaus anregendes Denken die gebührende Wirkung nicht verfehlen
.

GrcifswalH Horst Bein tk er

Brjnkel, Karl: Die Lehre Luthers von der fides infantium bei der
Kindertaufe. Berlin: Evangelische Vcrlagsanstalt (1958). 136 S. 8° =
Theologische Arbeiten, hrsg. v. H. Urner, Bd. VII. Lw. DM 7.50.

Diese Arbeit will Luthers Lehre von der fides infantium bei
der Kindertaufe auf Grund einer möglichst vollständigen Befragung
der Quellen darstellen und sodann ,,im Zusammenhange
seines theologischen Denkens interpretieren".

In einer Einleitung (A) gibt der Verf. zunächst einen Überblick
über die Behandlung jenes Gedankens Luthers in der bisherigen
Luther-Forschung, darauf stellt er die in Betracht kommenden
Quellen zusammen, wobei er die besonders kennzeichnet
, die von der bisherigen Forschung noch nicht berücksichtigt
sind. Es folgt der Hauptteil (B; Darstellung, S. 24-70), der
"-uthers Gedanken zum Thema in 4 chronologisch bestimmten
Abschnitten wiedergibt (1517-1520; 1521-1525; 1526-1529;
1530—1546). Im nächsten Teile (C; Erörterung, S. 71—88) setzt
der Verf. Luthers Lehre von der fides infantium ins Verhältnis
zu seinem Begriff des Glaubens, seinem Verständnis der Taufe
und der Kirche. Der nächste Teil (D; Bestätigung und Auseinandersetzung
, S. 89—99) will Luthers Aussagen über die fides
puerorum als Bestätigung der Lehre von der fides infantium erweisen
und setzt sich sodann mit den Theologen auseinander,
die Luther an diesem Punkte ablehnen. Der Schluß (E; S. 100—102)
gibt Andeutungen über das, was jene Lehre Luthers für das
gegenwärtige Gespräch über die Kindertaufe und die kirchliche
Unterweisung der Kinder bedeutet.

Die historische Darstellung verdient alles Lob. Sie zeichnet
sich durch ein umfassendes Verhör der Quellen aus und bezieht
sich zugleich ständig auf die Literatur — davon geben auch die
reichhaltigen Anmerkungen einen Eindruck. Brinkel zieht, wie
schon erwähnt, eine Reihe von Texten Luthers heran, die für
das in Frage stehende Thema bisher noch nicht ausgewertet sind;
er gibt sich dabei immer auch Rechenschaft über die Zuverlässigkeit
des jeweiligen Textes. Sein Ergebnis in historischer Hinsicht
ist dieses: Luther hat den Gedanken der fides infantium niemals
preisgegeben, ihn vielmehr ohne wesentliche inhaltliche Wandlungen
bis in seine späten Jahre festgehalten, auch wenn er das
Recht der Kindertaufc nicht auf die fides infantium, sondern auf
die Einsetzung der Taufe gründete und den dialektisch gemein-