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Ausgabe:

1959 Nr. 11

Spalte:

855-855

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Cirne-Lima, Carlos

Titel/Untertitel:

Der personale Glaube 1959

Rezensent:

Cullberg, John

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855

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 11

856

Cirne-Lima, Carlos: Der personale Glaube. Eine erkenntnismeta-
physisdie Studie. Innsbruck: Raudi [19 59]. 156 S. 8° = Philosophie
und Grenzwissensdiaften. Schriftenreihe, hrsg. v. Philos. Institut a.
d. Theol. Fakultät Innsbruck, IX, 3. Kart. DM 10.—.

Cirne-Limas Buch ist ein gutes Beispiel der Versuche, die
auch in der katholischen Philosophie und Theologie vorliegen,
das in den letzten Jahrzehnten stark aktualisierte Du-Problem zu
durchdringen. In einer phänomenologischen Untersuchung stellt
der Verf. zunächst dar, daß der Glaube im zwischenmenschlichen
Sinn nicht bloß wahrscheinliche Annahme bedeutet, sondern wesentlich
ein personaler Akt ist. Der Verf. redinet mit drei Stufen
des Erkennens: Intuition, Begriff und personales Erkennen, wo
daß Objekt nicht nur theoretisch erkannt ist, sondern auch
Gegenstand einer persönlichen Stellungnahme in einem Akt der
Bejahung oder Verneinung wird. Der Glaubensakt ist das personale
Jasagen zu einem Du. Die Vorerkenntnis des Glaubens ist
eine Intuition des konkreten Du.

Die Hauptsache für den Verf. ist aber nicht die phänomenologische
Beschreibung, sondern die „erkenntnismetaphysische"
Analyse. Das bedeutet eine Anknüpfung an die Seinsfrage
(„Sein des Seienden"), so wie sie in der scholastischen Philosophie
bestimmt worden ist. Der Ausgangspunkt ist der klassisch-
subjektivistische: Erkennen heißt Bei-sich-sein, also primär
Selbsterkenntnis. „Wenn der Erkennende seinsmäßig bei einem
Anderen ist, so ist die Andersheit das Medium, in dem er erkennend
bei sich selbst ist" (S. 48). Da6 personale Erkennen soll
aber über das eigene Ich hinausgehen, um das Du in seiner perso
nalen Eigenart zu erfassen. In einem transzendentalphilosophischen
Gedankengang, der teilweise an Fichte erinnert, führt Verf. das
so aus, daß das Ich, das in sich begrenzt und sich seiner Begrenzung
bewußt ist, jenseits der Grenze das Andere entdeckt (oder
setzt?) als eine Bedingung des Ich-Bewußtseins, also als existierend
. Wenn das Andere als geistig erkennend und wollend anerkannt
wird, entschleiert es sich als das andere Ich oder als ein
Du. Gleichzeitig wird indes der Subjektivismus festgehalten:
Personale Erkenntnis bedeutet, daß das Du in das personale Leben
des Ich eingeordnet wird. Dazu kommt nun die persönliche
Stellungnahme, wo das Du „vollmenschlich" bejaht oder verneint
wird. Bejahung des Du heißt Glaube, Verneinung Unglaube. Im
personalen Glauben können zwei Momente unterschieden werden:
der Aussage-Glaube (für-wahr-halten der Aussagen des Du) und
der eigentliche Du-Glaube (Bejahung des Du als solches). Der
Glaube ist die Aufgipfelung menschlichen Erkennens; seine Gewißheit
ruht logisch in sich selbst als ein Apriori.

In einem Anhang zieht der Verf. die Konsequenzen für den
„übernatürlichen Glauben" (fides divina). Aus einer vorwissenschaftlichen
Meditation stammt die intuitive Gewißheit, daß es
einen einzigen, überweltlichen und personalen Gott gibt. Er ist
die absolute Person, kann sich also auch personal mitteilen. Das
ist durch Christus geschehen. Die intuitive Gottesgewißheit vollendet
sich in der personalen Stellungnahme, in der ich zu Christus
ja sage, einem actus fidei, der aus der Gnade Gottes entspringt
. —

Trotz des unstreitigen Scharfsinns des Verfs. müssen ernste
Fragezeichen angefügt werden. Wie ist es überhaupt möglich, von
dem subjektivistischen Ausgangspunkt aus (Erkennen = Bei-
sich-sein) den Anderen ernst zu nehmen? Und wie kann man den
Anderen wirklich als ein Du erkennen, wenn man die strukturale
Gegenseitigkeit der Ich-Du-Beziehung übersieht? In der Tat
kommt der Verf. „erkenntnismetaphysisch" nicht zum Du, sondern
höchstens zum Fremd-Ich. Schließlich: Wenn das Objekt
des „übernatürlichen" Glaubens Gott als „absolute Person" sein
soll — wie kann die Gottesoffenbarung in Christus diesen Glauben
vermitteln? Etwas Absolutes, das sich mitteilt, ist contra-
dictio in adjecto. Das Objekt des Glaubens ist daher nicht der
deus absconditus, sondern der deus revelatus. Im Übersehen dieser
Tatsache steckt der metaphysische, un-existentielle Hintergrund
des ganzen Gedankenganges.

Västeris John Cullbcrg

Diwald, Hellmut: Das historische Erkennen. Untersuchungen zum
Geschichtsrealismus im 19. Jahrhundert. Leiden: Brill 1955. V, 109 S.
gr. 8° = Beihefte der Zeitschrift f. Religions- u. Geistesgeschichte IL
Kart. hfl. 9.-.

Diese Studie stammt aus der Schule von N. Hartmann und
setzt es sich zur Aufgabe, die Frage nadi einer sachangemessenen
Geschichtsdeutung zu stellen. Der Autor wendet sich gegen den
im Historismus von Dilthcy und Troeltsch vorherrschenden Neukantianismus
mit seiner These, daß Geschichte überhaupt erst in
der nachbildenden Subjektivität des Historikers Gestalt annimmt.
Als ersten Typus im 19. Jhdt., der die geschichtlichen Dinge in
ihrem Gewordensein sprechen läßt, so wie sie sind, hebt Diwald
das romantische Geschichtsverständnis heraus. Damit korrigiert er
das Bild der Romantik, in dem diese nur idealistisch gezeichnet
wird. Es folgt eine kurze Beleuchtung der historisch-philologischen
Kritik in den Gestalten des Historikers B. G. Niebuhr und
des Altphilologen A. Boeckh, in deren Quelleninterpretation
Diwald Vorläufer der spezifisch historischen Schichtungstheorie
Nicolai Hartmanns sieht. In Droysen zeigt Diwald den Kampf
zwisdien Idealismus und Realismus auf, indem Droysen einerseits
von der „einfachen und sicheren Basis des Gewordenen" ausgeht,
anderseits sich zur Identität von Gedanken und Sein bekennt.
Das von Diwald in diesem Zusammenhang als Beleg für den
Idealismus Droysens angeführte Zitat, daß „alle Empirie auf der
spezifischen Energie der Sinnesnerven beruht", ist allerdings kein
Beweis für die vom Verfasser aufgestellte Behauptung, sondern
eher für ein fundamentales Mißverständnis des Autors vom Wesen
des Idealismus. Dieser ist nicht mit Psychologismus gleichzusetzen
und mit der Reduktion der Realität auf sinnesphysiologische
Vorgänge, sondern ist das Vertrauen in die Selbstbewegung
des Geistes, unabhängig vom materiellen Substrat. Immer wieder
belastet dieses Mißverständnis die Darstellung und mindert
ihren Wert. — Ranke schneidet bei Diwald besser ab als Droysen.
weil er „die großartigste Ausformung des Geschichtsrealismus"
(S. 106) war. Leider ist dem Autor das eine entgangen: daß
Ranke zwar durchaus objektbezogen war in seiner Geschichtsdarstellung
, aber daß bei ihm der Subjektivismus (und damit im
Sprachgebrauch des Autors der „Idealismus") im Auswahlprinzip
(Geschichte — Geschichte der großen Politik) doch durchbricht.
Diese Tatsache, vom Autor nur kurz gestreift, hätte ihm zu denken
geben sollen, weil an dieser Stelle die eigentliche Problematik
des Historismus sichtbar wird. Sie liegt nicht in der mehr
oder minder großen Nähe zum geschichtlichen Objekt, sondern
in der Selektion des Gegenstandes möglicher Geschichte, im Aus-
Wahlprinzip aus der unendlichen Fülle des historisch Gegebenen-
Das war aber genau das Problem, das Männer wie Dilthey und
Troeltsch bewegt hat. Leider wird der Leser dieser auch für
Theologen durchaus anregenden Schrift durch die Fülle der
Druckfehler unnötig gestört.

Berlin Heinz-Horst S c h r c y

Büchsei, Elfriede: Hamanns Schrift „Die Magi aus Morgenland".

Theologische Zeitschrift 14, 1958 S. 190—213.
Pinckaers, Servais: Recherche de la signification vcritablc du terr«

„speculatif".

Nouvelle Revue Theologique 91, 19 59 S. 673—69 5.
Raedemaeker, F. de: „Identität und Differenz".

Bijdragen — Tijdschrift voor Filosofic en Theologie 20, 1959 »•
bis 174.

Schrey, Heinz-Horct: Der Begriff Komplementarität und seine Bedeutung
für Erkenntnistheorie und Theologie.
Evangelische Theologie 19, 1959 S. 391—398.

Wischmann, Günter: Sicherung des Bestandes. - Zu F. Bollnow»
Versuch einer Überwindung des Existentialismus.
Kirche in der Zeit XIV, 1959 S. 299-301.