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Ausgabe:

1959 Nr. 11

Spalte:

853-854

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Lindström, Valter

Titel/Untertitel:

Efterföljelsens Teologi hos Sören Kierkegaard 1959

Rezensent:

Holm, Søren

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Seite 1

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853

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 11

854

PHILOSOPHIE UND UELIGIONSPHILOSOPHIE

Kierkegaardiana, udgivne af Seren Kierkegaard Selskabet ved

Niels T h u 1 s t r u p. Kopenhagen: Munksgaard 1955/57. I: 129 S.
B: 95 S. gr. 8°. Dan. Kr. 16 - u. 14.-.

Die erst seit 11 Jahren bestehende Saren-Kierkegaard-
Gesellschaft hat mit großer Tatkraft, teils durch Vorträge für die
Mitglieder der Gesellschaft und teils durch literarische Veröffentlichungen
, gewirkt. Zu den letzteren gehört „Kierkegaardiana",
welches eine Art Jahresschrift ist, die jedoch, da der erste Band
1955, zum hundertjährigen Gedenken von Kierkegaards'Geburt,
und der zweite Band 1957 erschienen, während der dritte Band
für dieses Jahr geplant ist, nur jedes zweite Jahr herausgegeben
zu werden scheint. Die Bände bringen zum Teil Abhandlungen
über Kierkegaard oder in bezug auf ihn und zum Teil Rezensionen
, die jedoch bei weitem nicht alle ihn betreffen, welches ein
Mißverständnis sein dürfte, das mit der Zeit behoben werden
kann. In dem redaktionellen Vorwort zum ersten Band heißt es,
daß es der Zweck der Studien ist, sowohl der Forschung als der
Orientierung zu dienen, und zu dem letzteren tragen auch biblio-
grafische Notizen über die jüngst herausgegebene Kierkegaard-
Literatur bei.

Es würde unzweckmäßig sein, die vielen Abhandlungen in
den zwei Bänden zu referieren. Ich muß mich damit begnügen,
die Titel und Namen der Verfasser anzuführen. Die meisten Beiträge
sind dänisch geschrieben; in Band II jedoch findet man auch
Abhandlungen in englisch und deutsch. Professor Paul L.
H o 1 m e r, der in Kopenhagen studiert hat, schreibt über
„Kierkegaard and Logic", und der in Deutschland geborene Dr.
Heinrich R o o 6 S. J. berichtet über „Soren Kierkegaard und die
Kenosis-Lehre". Im gleichen Band schreibt der Finne Dr. K.
Sorajnen in schwedisch über Kierkegaard und Finnland, der
japanische Professor Masaru Otani, der sich auch für längere
Zeit in Kopenhagen aufgehalten hat, schreibt über die Geschichte
des Kierkegaard-Studiums in Japan. Der ukrainische Kierkegaardforscher
Dr. M a 1 a n t s c h u k, der jetzt in Kopenhagen wohnt,
behandelt den Begriff Verdoppelung bei Kierkegaard, und Dr.
Johs. S 1 0 k (Universität Aarhus) schreibt über Kierkegaard und
Luther und schildert die sehr unterschiedliche Situation, in der
6ie sich befanden.

Im ersten Band hat Dr. Malantschuk Kierkegaards Theorie
vom „Sprung" und seinen Wirklichkeitsbegriff behandelt, Arild
Christen6en hat über die Romantik und Kierkegaards
Anschauung vom Leiden geschrieben, Frau Marie Thulstrup
stellt Betrachtungen über Kierkegaards „schlechte Welt" an.
N. H. S 0 e, Professor für systematische Theologie in Kopenhagen
, behandelt das Verhältnis zwischen Kierkegaard und Karl
Barth, Kantor Olaf K ierkegaard, der ein Verwandter von
Sorcn Kierkegaard ist, berichtet über Seren Kierkegaard und
seine Familie, und K. Bruun Andersen schreibt über Kierkegaard
und die Juden.

Die Beiträge, die Kierkegaardiana enthält, 6ind 6ehr verschieden
geartet, welches auch dem Sinn der Sache entspricht.
Jeder Artikel und jede Rezension - aus Band II kann Professor
Steffen Steffensens Würdigung des Buches „Kierkegaard
und Goethe" (1955) aus der Feder seines Vorgängers Carl Roos
genannt werden - steht für sich alleine und kann dies inhalts
mäßig auch mit Leichtigkeit tun. Die Existenz von „Kierkegaardiana
" macht überdies einmal mehr deutlich wie wichtig es für
das Studium Kierkegaards (ebenso wie z. B. Grundtvigs und
Andersens) ist, wenn man den betreffenden Autor in seiner
eigcnen Sprache liest, die ja für ihn mehr als nur das „neutrale
Vehikel seiner Gedanken" war.

Kopenhagen Seren Holm

Lindström, Valtcr, Prof.: Eftcrföljclscns Teologi hos Sörcn Kierkegaard
. Stockholm: Diakonistyrclscns Bokförlag [1956] 310 S. 8°.

Verfasser, der Theologieprofessor an der schwedischen
Akademie in Abo in Finnland war und nun Dompropst in Karl-

stad, Schweden, ist, gab 1943 „Stadiernes teologi" heraus, eine
„Kierkegaardstudie", die der erste Teil einer Darstellung von
Kierkegaards Gedankenwelt ist. Es ist des Werkes zweiter und
letzter Teil, der jetzt erschienen ist und die Zeit nach der Herausgabe
von „Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift" (abschließende
unwissenschaftliche Nachschrift), die Anfang 1846 erschien, behandelt
. Zwischen den zwei Bänden liegen 13 Jahre; aber in
diesen hat der Verfasser in zunehmenden Maße die Überzeugung
gewonnen, daß sich nach 1846 in Kierkegaards Christentumsauffassung
, die mehr und mehr im Zeichen der Nachfolge stand,
eine fundamentale Änderung geltend gemacht hat. Kierkegaard
entwickelte allmählich eine imitatio-Theologie, die zur Aufgabe
mehrerer Hauptgedanken seiner früheren Veröffentlichungen
führte.

Die Gedanken über die Nachfolge brachten Kierkegaard der
katholischen Christentumsauffassung und der pietistischen Imitationsfrömmigkeit
näher, und damit entfielen wichtige Gedanken
wie Existenz, Paradox, die Gleichzeitigkeit mit Christus und
die verborgene Innerlichkeit. In der Imitationsfrömmigkeit ist der
Mensch nicht mehr an die aktuelle Handlung Christi oder an
sein Wort an uns als Richter und Erlöser gebunden. Die Werke
Christi werden nun zu einem abgeschlossenen objektiven Faktum.
Welches die objektive Bedingung für des Christen subjektives
Bestreben nach der Verwirklichung der Nachfolge in seinem
Lebenswandel ist. Die subjektive Lebensführung strebt danach,
in der Übereinstimmung mit einem gegebenen ethischen Lebensmuster
das entscheidende Zeugnis wahren Christenglaubens zu
werden. Die Situation, die zum Kirchenkampf führte, und die
Argumente, die Kierkegaard darin anwandte, können nur aus der
erwähnten Verschiebung in Kierkegaards Auffassung vom zentralen
Inhalt des Christentums, vom Wesen des Christentums,
verstanden werden.

Der Verfasser fragt am Schluß seiner instruktiven Erläuterung
, ob wohl in Kierkegaards früherem Leben Momente liegen
sollten, die diese Verschiebung in seiner Chri6tentumsauffassung
erklären, und hierauf antwortet er bejahend, ohne daß er jedoch
deshalb sagen möchte, daß der Kirchenkampf die logische Konsequenz
der früheren Auffassungen K's sei — was er gewiß auch
nicht war, und dies bedeutet, daß der Verfasser in solchem Falle
mit der Hauptthesis des Buches recht hat. Das eine Moment sind
Kierkegaards Erfahrungen im Leiden während des Streites mit
dem Witzblatt „der Corsar", welches Lindström zu vollem Unrecht
a's ein „Skandalblatt" bezeichnet. Das war der „Corsar" nicht;
denn im Gewand des Witzes hatte es sein ethisches Anliegen,
ganz wie Kierkegaard sein religiöses hatte. Der Fehler war, daß
der „Corsar" mit dem gleichen Witz in der Ironie und im Humor
geschrieben wurde, wie ihn Kierkegaard selbst besaß, und deshalb
hatten die Götter nicht ihr Versprechen ihm gegenüber eingehalten
, daß „ich immer den Lacher auf meiner Seite haben
sollte". Das andere Moment ist Kierkegaards Auseinandersetzung
mit der Imitationsfrömmigkeit bei Tauler und Thomas von Kem-
Pi«, und das dritte sind seine 6trenge Erziehung zu Hause und in
der Schule und die orthodoxe Tradition in der Theologie. An
dem letzten Faktor zweifle ich. Es wäre besser gewesen, einen
vierten Punkt anzuführen, der Kierkegaards Auseinandersetzung
mit Schopenhauer in den Jahren vor seinem Tode im Jahre
1855 anführen sollte. Der pessimistische Philosoph lehrte Kierkegaard
bitter und frivol zu sein, nicht zuletzt in seiner Auffassung
von der Frau.

Zuletzt deutet der Verfasser die Möglichkeit an, einen
..gemeinsamen Faktor" in Kierkegaards Gesamtanschauung, der
sein existentielles Denken mit seiner Imitationsfrömmigkeit verbinden
können sollte, finden zu können; dies will er jedoch nicht
versuchen. Er tut gut daran, denn teils ist diese Aufgabe gewiß
unlösbar, und teils würde eine Lösung die ganze, gewiß so wahre
Thesis des Buches von der Verschiebung in Kierkegaards Christentumsauffassung
, die genau bis an die Grenze der Gewißheit
wahrscheinlich gemacht ist, umstoßen.

Kopenhagen Seren Holm