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Ausgabe:

1959

Spalte:

790-791

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Stieglitz, Klaus von

Titel/Untertitel:

Die Christosophie Rudolf Steiners 1959

Rezensent:

Köberle, Adolf

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Analyse hinter das Bild dieses Christus zurück wollen oder auch
zurückführen können? . . . Die größere methodische Konsequenz
Bultmanns gegenüber Dibelius und den anderen .Formgeschicht-
lern' [die aber an dem Zwiespalt „Kerygma als literarische
Größe" und „dem als reinem Anruf verstandenen Kerygma" leidet
] deckt auf, daß die gattungsgeschichtliche Forschung am
biblisdien Zeugnis gerade ihre Eigenart als Zeugnis nicht in den
Blick bekommt und damit auch das die Formung der Texte tragende
Element außer acht lassen muß" (36). Dem Zeugnis selbst
gilt das Interesse Schlattcrs in einer Weise, daß er die „Evangelien
wirklich jeweils" als eine Einheit versteht, „die stärker ist
als alle im Stoff lebendigen immanenten Entwicklungstendenzen.
Die Entwicklung und Gestaltung des Stoffes muß vom Kerygma
des einzelnen Evangeliums, vom .Glauben' des Evangelisten her
sichtbar gemacht werden" (38). Also nicht durch vorhergehende
literarische Kritik, sondern auf dem Wege über das Christuszeugnis
der Evangelisten versucht Schlatter die evangelische Überlieferung
und ihre Gestalt zu erfassen. Das bedeutet freilich nicht
Gleichgültigkeit gegen die ntl. Forschung nach literarkritischen
Methoden: ..Schlatters Arbeit wäre ohne die Ergebnisse der
historisch-kritischen Theologie nicht denkbar, und er erkennt
ausdrücklich das Recht solcher Arbeit an. Aber die historische
und Iiterarkritische Kritik gewinnt bei ihm genau so wenig die
Herrschaft über die Wahrnehmung und Erkenntnis der urchristlichen
Geschichte, wie nach seiner Meinung in dieser Geschieht;
der konkrete Glaube und das verantwortliche Zeugnis von allgemeinen
Entwicklungstendenzen beherrscht wurden" (137).
Insofern rücken Kerygma und Überlieferung eng zusammen. Ist
von der Bestimmung des Kerygmas als reinem „Anruf" in der
literarhistorischen Forschung „das Verhältnis zur Überlieferung
immer problematisch", so kann auch „der Eigenart der mit dem
Kerygma verbundenen Überlieferung" nicht Rechnung getragen
werden (l 34).

Das ist die kritische Weiterführung der ntl. Forschung von
einem systematischen Erkenntnisgang her. Nicht die historischen
Methoden des Schriftverständnisses, sondern der Glaube als die
mit der Entstehung der Zeugnisse selbstverständlich gegebene
Voraussetzung bietet den Schlüssel für das Verständnis der in
der Verkündigung und Überlieferung wirksamen Motive und
Kräfte. Das heißt „Einblick in den lebendigen Glauben der
.Männer des Neuen Testaments' . . . Kerygma ist nicht nur Anruf
, Vollzug der Verkündigung, und Geschichte ist nicht nur
eine Reihe von Tatsachen der Vergangenheit, die in der Überlieferung
ihren Niederschlag gefunden haben. Erst die Einheit
dieser beiden Faktoren macht die Wirklichkeit aus, die im Glauben
das Leben bestimmt und trägt" (13 5). Luck sieht die Bemühung
Schlatters. „die Bedeutung des Glaubens für das Kerygma
und sein Verhältnis zur Überlieferung von seiner eigenen
Begegnung und Erfahrung mit der verkündigten Geschichte Jesu
her zu erfassen", wiewohl sie in die Gefahr einer „Psychologisierung
des Verständnisses de6 Glaubens" geraten kann (137),
als die von ihm der Arbeit am NT gestellte Aufgabe an.
„Schlatters Intention geht darauf hinaus, die Forschung von der
bloßen Anknüpfung an die Geschichte der Forschung mit ihren
Problemen und Ergebnissen freizuhalten, um sie mit der .Sache
selbst in Verbindung zu bringen, die auch uns immer wieder in
der gegenwärtigen Verkündigung begegnet und im Glauben bewegt
. Auf diese Weise meint er. die historische Aufrabe wirklich
ernst zu nehmen, weil der Blick in die Geschichte nicht nur
auf Fakten und Ideen stößt, sondern den Grund konkreter Taten
und Vorgänge selbst wahrnehmen kann. Erst in dieser Tiefe
kommt es für Schlatter zum .Verstehen' und .Begreifen' der Geschichte
. (Die Theologie des NT und die Dogmarik, S. 38)" (136)-
... D'ese von Schlatter her an der Einseitigkeit formgeschicht-
J r Methoden geübte Kritik scheint uns ein Zeichen für die
"isdi Gemeinsamkeit exegetischer Arbeit und theolo-

d-S P *?esir|nung zu sein. Die Ergebnisse Lucks sind gegenüber
j r°blematik gattungsgcschichtlicher Methoden von besonderer
Wichtigkeit. An der grundsätzlichen Darlegung der Einheit
es Kerygmas jeweils in den synoptischen Evangelien (51 ff.) und
der Bedeutung des Kerygmas für die Formung des Überlieferungs-
storres (6I-133) wird bei Diskussion im einzelnen die neu-

testamentliche Forschung, wie auch die systematische Theologie,
nicht vorbeigehen dürfen.

Grcifswald Horst Bein tk c r

Adam, Karl: Der Christus des Glaubens. Vorlesungen über die kirchliche
Christologie. Düsseldorf: Patmos-Verlag [1954]. 384 S. S*.

DM 16.-.

Bedauerlicherweise, doch ohne Schuld des Berichterstatters,
erscheint diese Besprechung um Jahre verspätet. Es handelt sich
um dogmatische Vorlesungen des bekannten Tübinger katholischen
Dogmatikers, der auch mit anderen vielverbreiteten Bü-
Aern über Jesus Christus hervorgetreten ist. Doch gilt dieser
„dogmatische" Charakter des vorliegenden Buches in einem eingeschränkten
Sinne. Einmal ist es an eine Hörerschaft gerichtet,
bzw. nunmehr auch an eine Leserschaft, die sich nicht nur aus
Theologen zusammensetzt. Offenkundig rechnet der Verf. überdies
auch mit protestantischen Hörern und Lesern. Gelehrte Anmerkungen
und Stellennachweise fehlen; das Buch hat dadurch
einen gemeinverständlichen Zug, obwohl es dem Leser an Dog-
tnatik und Dogmengeschichte einiges zumutet. Zum andern sind
die Ausführungen nicht ausschließlich dogmatisch, sondern sie
bringen kapitelweise einfach neutestamentliche Theologie, 6etzen
sich apologetisch mit der historischen Kritik auseinander und
greifen auch in die Religionspsychologie wie in die urchristlichc
Religionsgeschichte hinüber.

Die Einteilung des in 25 Kapitel gegliederten Buches folgt
dem bekannten dogmatischen Schema, daß zunächst in einem
1. Buch 19 Kapitel unter der Überschrift: Die Person des Christus
zusammengefaßt 6ind, die restlichen 6 Kapitel stehen unter
der Überschrift: Das Werk des Christus. Das Buch enthält, als
eine Laiendogmatik, keine eigenen Thesen; so kann ich mich auf
die Hervorhebung einiger weniger Gesichtspunkte beschränken.
Das 2. Kapitel über die kirchliche Lehrentwicklung im Lichte der
christologischen Kämpfe enthält eine vorzügliche Dogmengeschichte
der Christologie in nuce. Es ist eine Meisterleisrung an
Verständlichkeit für eine schwierige Sache. Das dogmatische
Thema wird dann erst im 12. Kapitel wieder aufgegriffen, nachdem
vorwiegend biblisch-theologische Ausführungen dazwischen
geschaltet waren. Es ist auffallend, wie die dogmatischen Ausführungen
unter modernen Leitbegriffen erscheinen, vor allem
unter dem Gesichtspunkt des „Selbstbewußtseins Christi".

Ferner hebe ich mit einem Satz hervor, daß die neutesta-
mentlichen Darlegungen etwa dem entsprechen, was wir als konservative
Auffassung der Texte zu bezeichnen pflegen. Radikale
Thesen 6ind durchweg vermieden, was z. B. in der Behandlung
der eschatologischen Botschaft Jesu sichtbar wird, die zwar bejaht
, aber dann durch die Betonung der Gegenwart und der Immanenz
des Reiches Gottes wieder abgeschwächt wird.

Es ist ein katholisches Buch, in das aber reichliche Bezugnahmen
auf die protestantische Forschung eingeflossen sind. Es
hätte nichts geschadet, wenn die Übereinstimmung der Christologie
der Reformatoren und der protestantischen Orthodoxie mit
dem altkirchlichcn Dogma offener, als es hier geschieht, zugestanden
worden wäre. Die spürbare Hemmung stammt natürlich aus
der Wahrnehmung der „freien Forschung" auf protestantischem
Boden, die der „Katholik" leicht als Verfallssymptom versteht.
Das ist zwaT begreiflich, aber es reicht doch nicht ganz hin zu
einer gerechten Deutung. Das schließt aber nicht aus, daß man
gerne zugesteht: Hier beweist ein gelehrter Theologe seine große
Gabe, aus der Fülle seines Wissens und seiner Einsichten Altes
und Neues warmherzig und lehrhaft mitzuteilen.

Böttingen Wolfgang T r i 11 h aas

Stieglitz, Klaus von: Die Christosophie Rudolf Steiners. Voraussetzungen
, Inhalt und Grenzen. Witten'Ruhr: Luther-Verlag [1955].
3 52 S. 8° = Glaube und Forschung. Vcröff. d. Christophorus-Stiftcs
in Hemer, hrsg. v. G. Howe, Bd. 11. Lw. DM 12.80.

Die Gesprächsbegegnung und Auseinandersetzung zwischen
evangelischer Kirche und Anthroposophie stand bislang, von
ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, auf keiner sehr erfreulichen
Höhe. So wurde die Anthioposophie zumeist in billiger Apologetik
abgetan als Selbsterlösungslehre auf der Grundlage einer