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Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

785-786

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Lang, Albert

Titel/Untertitel:

Wesen und Wahrheit der Religion 1959

Rezensent:

Hessen, Johannes

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

786

man mit Energie und Pathos wählt, kurz gesagt, mit Ernst wählt.
Der Beschluß selbst ist Ernst, und es geht darum, daß wir im Beschluß
die Totalität unserer Existenz, die Ganzheit menschlichen
Daseins, übernehmen können. Danach setzt der Verfasser das
Verhältnis zwischen Ernst und Religion auseinander, wo es
heißt, daß das Religiöse der Ernst ist, und dieser Ernst ist wiederum
der alleinstehende, denn im Religiösen gibt es kein Publikum.
Im christlichen Glauben haben wir den Ernst; denn das Christentum
ist der höchste Ernst. Christlich gesehen haben wir die Freiheit
zu tun, was wir wollen, aber — und hier kommt der Emst —
es gibt eine Rechenschaft in der Ewigkeit. In der höchsten Freiheit
kennt man die höchste Strenge und den größten Ernst. Auch
in der E t h i k spielt der Ernst seine große Rolle. Im Ernst liegt
Anstrengung, und es ist Angst im Ernst, das letztere verbunden
mit der Angst vor dem Unernsten. Auch mit der Sünde ist der
Ernst verbunden als das subjektive Moment in der Tatsache,
daß ich ein Sünder bin, und die Sünde zeigt sich in dem unernsten
Ernst, der sich nur an das Endliche hält, anstatt sich an Gott zu
halten. Das totale sich dem Endlichen Verschreiben oder das totale
Ernstnehmen des Endlichen ist der Ernst, der zugleich Sünde ist.

Man kann fast sagen, unter dem Gesichtswinkel des Ernstes
betrachtet, daß es interessant ist, Kierkegaard in seiner Totalität
zu sehen. Es ist gewiß zum ersten Mal, daß dies versucht wird,
und damit wird ein neues Licht auf „den Dänen" geworfen, wie
er ein über das andere Mal bezeichnet wird, obwohl er alles andere
als der typische Däne war. Der Verfasser liest Kierkegaard
dänisch, die Hinweise sind auf die dänische Ausgabe von Kierkegaards
„Gesammelten Werken" bezogen, und in diesen scheint
der Verfasser sich zu Hause zu fühlen wie ein Einheimischer.
Dieses Buch hat uns einen tüchtigen und interessanten Beitrag
zur Kierkegaard-Literatur geliefert, und dafür möchte ein anderer
Däne gerne seinen aufrichtigen Dank aussprechen.

Koprrlragen Seren Holm

Lang, Albert, Prof.: Wesen und Wahrheit der Religion. München:
Hucber 1957. XII, 265 S. 8° = Einfühlung in die Rcligionsphilosophie.
DM 11.80.

Wie der Titel des Werkes andeutet, behandelt der Bonner
Theologieprofessor im ersten Teil die Wesensfrage, im zweiten
die Wahrheitsfrage. Nach Erörterung der Methodenfrage sucht
er den religiösen Grundakt, seine psychische Struktur wie seine
gegenständliche Bezogenheit, ins Licht zu stellen. Im Gegensatz
zu den meisten, an der intellektualistisch gerichteten Scholastik
orientierten Theologen hält er sich frei von jeder einseitigen psychologischen
Deutung des religiösen Phänomens. „Wenn der
religiöse Mensch in seiner Ergriffenheit vor Gott steht, dann sind
nicht einzelne seiner Vermögen auf Gott gerichtet, sondern alle
Kräfte der Seele beteiligt, aber so, daß sie zu einer lebendigen
Einheit und Synthese verschmolzen sind" (S. 47).

Die Erörterung der Wahrheitsfrage bewegt sich in den Bahnen
der Tradition. Was Verf. hier vertritt, ist im Grunde genommen
nicht Religionsphilosophie, sondern jener Teil der scholastischen
Metaphysik, der Theologia naturalis heißt. Die Lösung
der Wahrheitsfrage ist nach der Überzeugung des Verfs. nur
mittels der Gottesbeweise möglich, von denen er den kosmolo-
gischen und den axiologischen des Näheren behandelt. Nun
wird gewiß kein Sachkundiger die Bedeutung der Gottesbeweise
bestreiten wollen. Aber was sie nicht vermögen, ist, den Gottesglauben
in Wissen zu verwandeln. Sie vermögen das nicht, weil
sie immer nur zum Gott der Philosophen (Pascal), nicht jedoch
zum Gott der Religion und erst recht nicht zum Gott der christlichen
Offenbarungsreligion führen. Was sie leisten, ist eine nachträgliche
rationale Rechtfertigung und Bekräftigung des Gottes-
S'aubens, der seinerseits auf der religiösen Erfahrung beruht. Die
^''gion ist auf keinen äußeren, von der Metaphysik erborgten
'»'Jeitsbcweis angewiesen; sie trägt vielmehr den Erweis ihrer
Wahrheit in sich selbst, der in der unmittelbaren Gewißheit liegt,
die der echten religiösen Erfahrung eignet. Diese Selbstbegrün-
ung der Religion verkennt man, wenn man die Wahrheit der
Keligion mit metaphysischen Argumenten sicherstellen will. Man
gründet dann die Religion erkenntnistheoretisch auf Metaphysik
und verstrickt sich damit in die ganze Aporctik des sogenannten

partiellen Identitätssystems von Religion und Philosophie. (Vgl.
dazu den zweiten Band meiner „Religionsphilosophie".)

Auch Lang ist nicht blind für die „Problematik der Gottesbeweise
" (wie er ein Kapitel überschreibt). Das zeigt sich nicht
nur darin, daß er eine Reihe von kritischen Einwänden gegen die
thomistischen Gottesbeweise vorbringt, sondern vor allem in
seiner These, daß die Gottesbeweise keine „logisch zwingende",
sondern nur eine „freie Gewißheit" erzeugen. „Sie haben objektive
Gültigkeit, üben aber keinen Zwang aus: es kommt ihnen
eine freie oder moralische Gewißheit zu" (S. 185). Hier wird der
Logiker Einspruch erheben und geltend machen, daß das Wesensmerkmal
des Beweises gerade in seinem logisch zwingenden
Charakter liegt. Was Verf. Beweis nennt, kann nur als Beweis
im weiteren, nicht aber im strengen Sinn bezeichnet werden.
Immerhin ist es erfreulich, daß er bei aller intellektualistischen
Begründung des Glaubens doch der freien Entscheidung der Persönlichkeit
einen Platz zu retten sucht, und wir können ihm nur
freudig zustimmen, wenn er schreibt: Die Gotteserkenntnis verengt
„den Einsatz der ganzen Persönlichkeit, weil es sich um
eine bis in den Existenzkern hineinwirkende Wahrheit handelt. . .
Erkennendes Subjekt ist hier nicht der impersonale, abstrakte
Verstand, sondern die in Raum und Zeit hineinvcrflochtene Person
. Nur wenn diese bereit ist, die aus der Wirklichkeit Gottes
sich ergebenden Folgerungen zu ziehen, wird 6ie diese Wirklichkeit
bejahen" (S. 188 f.).

Köln Johannes Hessen

Artz, Johannes: Die Eigenständigkeit der Erkenntnistheorie J. H.
Newmans.

Theologische Quartalschrift 139, 1959 S. 194-222.

Breek, B.: Heidegger en de ethiek.

Nederlands Theologisch Tijdsdirift 13, 1959 S. 190-205.

C T e s P y, Georges: Marxisme et Theologie.

Etudes Theologiques et Religieuses 34, 1959 S. 10—30.

K a u 1 b a c h, Friedrich: Schleiermachers Theoriedes Gesprächs.
Die Sammlung 14, 1959 S. 123—132.

Lombard i, F.: Reflexioncs sobre el Concepto de Libertad en Kierkegaard
.

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Marie, Rene: La „Philosophie de la Religion" de Henry Dumery.

Recherdies de science religieuse XLVII, 1959 S. 225-241.
MöHer, Joseph: Das Wesen der ontologischen Differenz.

Theologische Quartalschrift 139, 1959 S. 129-156.
Schröter, Manfred: Jugend- und Altersphilosophie.
Univereitas 14, 1959 S. 731—737.
0 s, H. de: Het gesprek.

Nedcrlands Theologisch Tijdsdirift 13, 1959 S. 264-288.

V

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

B°uillard, Henri: Karl Barth. 1.: Genese et evolution de la theo-
logie dialectique. Paris: Aubier 1957. 284 S. gr. 8° = Theologie,
Etudes publiees sous la direction de la Faculte de Theologie S. J. de
Lyon-Fourviere, Bd. 38.

Von den drei Bänden des großen Werkes wird hier der erste
Band angezeigt.

AU Barth und Brunner sich zu Beginn des Kirchenkampfes
über die Möglichkeit und Tragweite einer natürlichen Theologie
stritten, verwies Barth auf die katholischen Theologen, „die den
Protestantischen Einwand so deutlich vor Augen haben, wie es
jetzt in Deutschland, in Frankreich und Belgien immerhin bei
einigen der Fall ist" (Nein! S. 33). Inzwischen sind auch Deutschschweizer
und Italiener dazu gekommen, und zwar mit sehr ausgewachsenen
Werken. Wie hat man das zu deuten, daß sich katholische
Theologen, auch Philosophen, so intensiv mit Karl
Barth, überhaupt mit der im Gefolge von allerlei Neuansätzen
im Bereich der evangelischen Theologie entstandenen Situation
befassen? Der er^te Band gibt keinen wesentlichen Anstoß, der
Frage nachzugehen. Er will einen geschichtlichen Bericht bieten.
Das ist sein Thema. Die Ausführung beschränkt sich allerdings
streng auf die Entstehung und die Entwicklung der „dialektischen
Theologie", es wird kein Gesamtbild der theologiegeschichtlichen
Situation versucht, der diese Entstehung und Entwicklung zugehören.