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1959 Nr. 10

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

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ist insofern von besonderer Bedeutung, als sie die geistigen Ursachen
der Entwicklung verschiedener Epochen und auch unserer
Zeit und insbesondere die Gründe der Krise der Gegenwart klar
aufzeigt. W. gelangt zu der Feststellung, daß die Frage nach der
Kunst eine Frage nach dem Wesen des Menschen selbst ist. „Es
geht auch in der Kunst um eine hoministische Fragestellung. Die
Kunst wird also nicht von der Technik bestimmt... Ob es
weiterhin eine wirklich kulturgestaltende Kunst geben wird,
hängt nicht von der Technik ab, sondern eindeutig allein vom
Menschen der Zukunft, davon, ob er sich für die Technik oder
für die Kunst entscheidet: für die Idee oder für die platte Wirklichkeit
. Dabei erhebt sich die prinzipielle Frage, ob der Mensch
im Kunstwerk symbolhaft sein Weltbild zu gestalten und festzuhalten
beabsichtigt, oder ob er lediglich mit Hilfe von Maschinen
die Welt im Sinne zu benutzender Weltkräfte verarbeiten
will" (S. 102).

Die Gedanken F. Würtenbergers finden eine wertvolle Ergänzung
in einem kürzlich erschienenen Aufsatz des schwedischen
Gelehrten Gregor Paulsson (Die zwei Quellpunkte der romanischen
Plastik Frankreichs Toulouse und Cluny, in: FORMOSITAS
ROMANICA, Beiträge zur Erforschung der romanischen Kunst.
Joseph Gantner zugeeignet. Frauenfeld, Verlag Huber & Co.,
1958, S. 7-27). P. schreibt hierin, zum vollen Verständnis eines
Kunstwerkes sei es notwendig, die Situation zu klären, aus der
heraus es entstanden ist. „Eine solche Betrachtungsweise führt es
mit sich, daß der einzelne kunsthistorische Gegenstand nicht nur
als isoliertes Artefakt (oder als Artefakt in einer Reihe ähnlicher
Artefakte) auftritt, sondern als lebendiger Teil einer
Lebenssituation und Lebensfunktion, eben jener Situation, in der
es entstand" (S. 13). Während Paulsson unter dem Begriffe
„Situation" die allgemeine religiöse Lage, die politischen und die
wirtschaftlichen Verhältnisse, Wünsche und Absichten des Auftraggebers
, das soziale Milieu und die Beweggründe, die den
Künstler leiteten, zu erfassen sucht, richtet Würtenberger - dem
Titel seines Buches entsprechend - seine Aufmerksamkeit auf
die Abhängigkeit des Bildwerkes vom Weltbild, d. h. von der
Weltposition oder vom Gesamtdenksystem, des Künstlers und
seiner Zeit. Wir meinen, daß beides zusammen berücksichtigt
werden muß, wenn man den eigentlichen Sinn eines Kunstwerkes
erfassen will: die Situation und das Gesamtdenksystem der betreffenden
Zeit. Ja, wir sind der Ansicht, daß das Gesamtdenksystem
der Zeit ein wesentlicher Teil der Situation ist, aus der
heraus das Bildwerk entsteht.

Der Hinweis auf den Aufsatz G. Paulssons schmälert in
keiner Weise den Wert der Arbeit F. Würtenbergers, sondern
läßt erkennen, daß beide Gelehrte sich mit derselben Frage beschäftigen
. Das Verdienst beider ist es, darauf aufmerksam zu
machen, daß wir es in der bildenden Kunst nicht mit einer Aufeinanderfolge
von Stileigentümlichkeiten zu tun haben, die sich
in einer bestimmten Richtung langsam und stetig entwickeln,
daß wir es aber auch nicht mit autonomen Künstlern zu tun
haben, die zeitlos und überzeitlich schaffen. Die Kunstwerke
stellen sich vielmehr als „lebendiger Teil einer Lebenssituation
und Lebensfunktion" (Paulsson) dar, als Werke von Menschen,
die mit einem bestimmten „Denksystem" (Würtenberger) verhaftet
sind und in ihren Werken von ihrem Weltbild, von ihrer
■ •Wcltposition", auch notwendigerweise Zeugnis ablegen. Die
Ergebnisse der Arbeit Würtenbergers gehen also nicht bloß die
Kunstwissenschaft an, sondern alle Wissenschaftsgebiete, die sich
mit dem Wesen des Menschen befassen, darunter auch und nicht
zuletzt die Theologie. Die Ergebnisse haben auch nicht nur für
die Werke der bildenden Kunst Gültigkeit, sondern sind auch
auf die anderer Künste, wie die der Dichtkunst und der Musik,
anwendbar.

Cuxhaven Alfred W c c k w c r 1 Ii

Barth, Hermann: Das hat er alles uns getan. Albrcrht Dürers Kleine
Passion der Christenheit erklärt. Gladbcck'Westf.: Schriftcnmissions-
Verlag [1959]. 96 S. m. 26 Abb., Ii Taf. 8°. Lw. DM 4.50.

Pr„e,e,t,°,r,iUS' Em'l: Die modc™ Kunst und die Wandlungen der
WirKlidikeit.

Univcrsitas 14, 1959 S. 113—121.

Röthel, Hans Konrad: Lovis Corinth und die Malerei der deutschen
Impressionisten.

Universitas 14, 1959 S. 471-480.
Ubbelohde-Doehring, Heinrich: Die Kunst der Inka.
Univcrsitas 14, 1959 S. 573-586.

LITVHGIEWISSEISSCHAFT

Onasch, Konrad, Doz. Dr.: Das Weihnachtsfest im orthodoxen Kirchenjahr
. Liturgie und Ikonographie. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt
11958]. 296 S. m. 5 u. 28 Abb. 8° = Quellen und Untersuchungen
zur Konfessionskunde der Orthodoxie, hrsg. v. K. Onasch.
Bd. II. DM 16.-.

Der Verfasser eröffnet sein Buch mit einer ausführlichen
Inhaltsübersicht, die den sehr reichen Inhalt wenigstens ahnen läßt
und einen alphabetischen Index ersetzen muß. Nach einer reichhaltigen
Bibliographie behandelt der Verf. im I. Hauptteil die
Herrn- und Marienfeste innerhalb des orthodoxen Kirchenjahres,
und zwar zunächst — knapp und so klar, wie es die Verwirrung der
Nomenklatur zuläßt —die gottesdienstlichen Bücher. Dann wendet
er sich dem orthodoxen Kirchenjahr selbst zu. Das christliche
Kirchenjahr war ursprünglich ein variables, bestimmt durch
Ostern. Die Sonntage waren Osterfeste im kleinen. Die Entstehung
der beiden kalendarisch feststehenden Christusfcstc.
Weihnachten und Epiphanias, 6tellt Verfasser nach Usener, Lictz-
mann und Holl dar. Meine Arbeit „Über Jahrespunkte und Feste,
insbesondere das Weihnachtsfest", Akademie-Verlag Berlin 1956.
ist ihm zu meinem Bedauern erst während der Korrekturen bekannt
geworden. Sie betrifft übrigens nur die Zeit, die vor der
Entstehung der typisch byzantinischen Form des Festes liegt.
K. Onasch nimmt mir u. a. ab, daß Hippolytos, also nicht der
Chronograph Julius Africanus, der früheste Zeuge der christlichen
Feier des 25. XII. ist und selbst dieses Fest als Protest gegen den
von Kaiser Heliogabalus soeben eingeführten Rcichsfeiertag der
Geburt des Sol Invictus und gegen die ebenfalls am 25. XII. gefeierten
Isia = Kikillia (Kykellia) propagiert hat. Die Auffassung
Lietzmanns, das Weihnachtsfest sei das liturgische Dankgcbct für
den Sieg Konstantins, sollte aufgegeben werden. Da war Baumstark
auf dem richtigen Wege, wenn er das Weihnachtsfest als
Fest des nieänischen Dogmas verstand. Ich darf hoffen, daß hinsichtlich
der Durchsetzung des Weihnachtsfestes die Bedeutung
der Novatianer mit ihrer Sympathie für die Niedrigen gewürdigt
wird, aber auch die Hypothese, daß die beiden scharfen Gegner
Novatians, der alexandrinische Bischof Dionysios und der römische
Dionysius, das nach dem Vorgang der Gnostiker konzi-
pierte Epiphanias-Fest gegen das ältere Weihnachtsfest der Sektierer
gestellt haben. Richtig stellt Onasch fest, daß das Weihnachtsfest
im Osten sehr unbeliebt war. Chrysostomos und die
beiden Kappadokicr haben das meiste für die Einführung des
Festes im Osten getan. Sie haben das Fest noch wesentlich als
christologisches verstanden, aber die beiden Kappadokicr und
schon Papst Liberius haben betont, daß man von der wahren Gottheit
des Gottmenschen nur reden könne, wenn man Maria
Theotokos nenne. Alle Marienfeste scheinen auf lokale jerusa-
lcmische zurückzugehen und haben ökumenische Geltung erst in
der Zeit nach 431 erhalten. Das Weihnachtsfest hat seine

endgültige
Gestalt im byzantinischen Kirchenjahr im engsten Zusammenhang
mit dem Ausbau der Marienfeste erhalten; das zeig1
sich deutlich in der Weihnachtsliturgie und in der Ikonographie.

Im II. Hauptteil behandelt Onasch die Liturgie mit viele"
interessanten Angaben und ausführlichen Texten.

Besonders eingehend wird im III. Hauptteil die theologisch
bisher noch wenig ausgewertete Ikonographie des Weihnachtsfestes
behandelt und als optische Darstellung der Liturgie und
Pflegerin von Traditionen verstanden, die noch unter der Schicht
des offiziellen Kultus lagen. Sehr wertvoll ist, daß Onasch sein-*
Leser mit 23 Skizzen in die Hermeneutik der Wcihnachtsikon;:
einführt. Er bemüht sich, den Komplex der „mystischen Höhle
mit ihrer geheimen Verbindung zur Gottesmutter in etwa jflj
entwirren. In den Ikonen figuriert eine rätselhafte Gestalt, die
Onasch „Figur X" nennt, die von den meisten für einen einfachen
alten Hirten, von einem bekannten Liturgieforschcr rur
den Versucher des Joseph, also für den Teufel, von einer dritten