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Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

778-779

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Würtenberger, Franzsepp

Titel/Untertitel:

Weltbild und Bilderwelt 1959

Rezensent:

Weckwerth, Alfred

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777 Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10 778

In Edinburgh 1959 ist er mit zwei neuen Arbeiten vertreten. Für
ihn als Chinesen „ist Malen Poesie ohne Worte". Obwohl er
lange in Amerika lebte und die Kunstschätze aller europäischen
Länder aus eigener Anschauung kennt, will er nur „mit dem
chinesischen Pinsel" malen: im eigentlichen und im übertragenen
Sinne. Ob es richtig und wünschenswert ist, daß die biblischen
Geschichten in der Kunstart der verschiedenen Länder
und Völker dargeboten werden, darüber gehen die Meinungen
auch unter den Gliedern der sogenannten Jüngeren Kirchen
weit auseinander, zumal man leicht die Gefahr des Synkretismus
auch in der Malerei heraufziehen sieht. Hat man sich
aber einmal für diese Ausdrucksform entschieden, so ist Johnny
Shcks Leistung als beglückend gelungen, „als echt chinesisch"
anzusehen. Die Natur, die Gebäude, die Gesichtszüge (mit
einiger Reserve bei Christus!), die Haartracht, die Gewänder
sind ebenso typisch chinesisch wie die künstlerische Komposition
, Malart und Tonigkeit. Natürlich wollen die Bilder betrachtet
und nicht beschrieben werden. Hier seien nur zwei
Hinweise gestattet. Die Flucht nach Ägypten läßt der Maler
ohne den angeblich selbstverständlichen Esel geschehen. Maria
und Joseph gehen zu Fuß, und Joseph trägt über seiner linken
Schulter eine lange Tragstange, an der hinten das Gepäck hängt
und an der vorne in einem Korbe das Jesuskind ist. Von erschütternder
Eindrücklichkeit ist das Bild der Kreuztragung: da
ist das Kreuz in einer solchen Größe und Schwere gemalt, daß
der Betrachter spürt, daß hier mehr getragen wird als nur das
Holz.

Felix zu Löwenstein legt eine eindringliche Studie
mit 68 ein- und 3 mehrfarbigen Abbildungen vor, die um 4, 3
und 2 Jahrhunderte zurückführen und von indischen Malern
stammen, von denen wahrscheinlich keiner Christ gewesen ist.
Die Bilder stellen einen bedeutsamen Beitrag für die Kunstgeschichte
dar, weil sie Beispiele sind des Aufeinanderstoßes
von West und Ost in der Kunst. Es ist eine verdienstliche Leistung
, den Einfluß westlicher Kunst in Indien und das Bemühen
um Umsetzung ins Indische aufgezeigt zu haben. Aus einer
Kopie wurde dabei ein indisches Bild. Auf den Seiten 5—42
wird lehrreich über Kaiser Akbars Zeit und Kunstsinn, über
die europäischen Malvorlagen, über Madonnen und Christus-
bildcr, über alttestamentlichc Szenen, Heilige und Engel in den
Abbildungen gehandelt und mit einer Bewertung abgeschlossen.
Auch in jener Zeit herrschte das Madonnenbild vor, das Christusbild
tritt dagegen zurück, wofür es gute Gründe gibt. Wie
auch sonst, so zeigt sich auch bei den Madonnen diese Entwicklung
: „Erst sorgfältig genaue Kopien europäischer Vorlagen,
dann Bilder, die halb europäisch, halb indisch genannt werden
müssen, schließlich solche, bei denen keine Spur einer europäischen
Vorlage mehr zu finden ist, die den Gegenstand in rein
indischen Formen gestalten" (S. 19). Ein Inder konnte doch die
Madonna nicht ohne reichen Schmuck malen; man konnte doch
die Maria als vornehme indische Frau nicht ohne den Punkt auf
der Stirn lassen! Von dem Bild 18 meint der Verfasser, daß mit
ihm „ein ganz neuer und zweifellos höchst ansprechender
Immaculata-Typ" geschaffen sei.

Ganz anderer Art ist der von evangelischer Seite besorgte
Sammclband „Christian Art in India", der 12 farbiee Bilder von
11 zeitgenössischen Malern bringt, nämlich zwei Madonnen, den
zwolfiährigen Jesus im Tempel. ..Folee mir nach", die Fischer am
See, den verlorenen Groschen, Heimkehr des verlorenen Sohnes,
„Stehe auf und wandle", Agonie (ein Christuskopf), Jesus und
Thomas, den guten Hirten, die Hausandacht. Dieser Kunstart
gegenüber haben wir im Grunde nur betrachtend Kenntnis zu
nehmen. Wollen wir uns gleichwohl ein Urteil erlauben, so wird
ai|ch hier über den Geschmack nicht zu streiten sein. Sicher aber
;•*< daß hier wirklich mit dem indischen Pinsel gemalt worden

Bei jedem Bilde steht zu lesen, wie der Künstler zu dem
ema gekommen ist und welche Aussage er dem Bilde wünscht.
A ^,arunter stehen Notizen „über den Künstler", denen Alter
und Werdegang zu entnehmen ist.

f-h Iii ^Cr Broscnurc „Indian C u 11 u r e" liegt ein ausführlicher
Bericht über eine röm.-kath. allindische Studienwochc
im Dezember 1956 vor, bei der es um intensivierte Indisierung

des kirchlichen Lebens ging. Diese Beiträge beziehen sich auf
unser Sachgebiet: „Symbolismus und Kultus", „Schönheit — ihr
Begriff und Werden", „Indische christliche Kunst", „Östliche
und westliche Kunst", „Brief an einen christlichen Künstler" und
..Indische Musik in der Liturgie". All das ist lesenswert auch für
Evangelische. Ein protestantisches Gegenstück zu dieser kath.
Studienwoche ist leider nicht zu nennen, da auf unserer Seite
fast jede Führung und jedes Mäzenatentum fehlten, die den
jungen Künstlern und ihren Kirchen zu gönnen wären. Eine
Nummer von „Africa South" bietet neben drei Beiträgen über
afrikanische Poesie und Literatur auch Beiträge über „Die Kunst
Afrikas", „Westafrikanische Holzschnitzerei" und über „Religiöses
Patronat — Cyrene". Cyrene, die anglikanische Schule in
Süd-Rhodesien, ist als leistungsfähige Kunststätte bestens und
weithin bekannt. Was dort nebenbei gelehrt und geschaffen wird,
davon zeugen Hunderte von Kunstwerken auf Wanderausstellungen
in Europa und in Afrika und in Museen und Schlössern.
..Die Stoffe werden in endloser Verschiedenheit aus dem täglichen
Leben, dem Alten und dem Neuen Testament, der afrikanischen
Geschichte und dem Volkstum entnommen." Als die bedeutendsten
Künstler wären die Krüppel Samuel Songo und
Lazarus Kumalo zu nennen.

Ganz reizvoll und dabei unwahrscheinlich preiswert ist Rolf
'taliaanders Einführung in die „Neue Kunst in Afrika".
Sie bringt auch einen Abschnitt über „Christentum und Negerkunst
" (S. 19-21). Die gebotenen Bilder sind hier erstmalig in
der deutschen Literatur greifbar geworden. Es sind dies die Num-
mem 1 (Kaiser Haile Selassi), 6 (Salomo begrüßt die Königin
von Saba), 7 (die Liebesgeschichte der beiden), 11 (der barmherzige
Samariter), 25 (ein Kruzifix aus Angola, vor 1800),
26 (Kreuzigung), 27 (HI. drei Könige: als wundervolle Nige-
r'er), 28 (der hl. Franziskus, als Nigeria-Neger). Ganz hervorragend
ist das Bild Nr. 39, mit dem das Büchlein abschließt:
..Sklaverei" von Benjamin Mensah in Leopoldsville. Dieser gewaltigen
Plastik eignet eine Aussagekraft, die das Kunstwerk
des Afrikaners zu den Großleistungen in der Kunstgeschichtt
zählen läßt.

Halle/S. Arno Lehmann

Wittenberge r, Franzsepp: Weltbild und Bilderwelt von der
Spätantike bis zur Moderne. Wien u. München: Schroll-Verlag 1958.
'04 S., 126 Abb. 4°. Lw. DM 19.80; öst. S. 120.-.

Franzsepp Würtenberger, Professor an der Technischen
Hochschule und an der Kunstakademie in Karlsruhe, untersucht
in diesem gedankenreichen Buche, in welchem Bezug die Werke
der bildenden Kunst zum Weltbild, d. h. zu den Denkvoraussetzungen
ihrer Zeit stehen. „Jedem Kunstwerk im Ablauf der
Zeiten ist eine konkrete geistige Gesamtregel, ein eigenes Denksystem
eigen . . . Daraus folgt, daß man stets nur von festgelegten
Denkvoraussetzungen aus, unter unverrückbarer Einnnahme eines
Weltstandpunktcs, den jeweiligen Kunstschöpfungen ihren eigent-
]'chen Sinn ablauschen kann. Diese Tatsache zieht nach sich, daß
man für die Kunstwerke verschiedener Epochen je eine neue
Denkrcgel, ein neues Gesamtdenksystem annehmen muß. Unterläßt
man es, diese Grunderkenntnis zu beachten, so geht man in
die Irre" (S. 5). „In derselben Weise, wie sich die Weltpositionen
verschieben, ändern sich auch die äußeren Gefäße, in welche
die jeweiligen Weltpositionsanliegen sich ergießen konnten: die
Bildgattungen" (S. 8). W. unterscheidet in dem von ihm untersuchten
Zeitraum folgende Bildgattungen: 1. das christliche Kult-
hild, 2. das Altarbild, 3. das privat-religiöse Andachtsbild, 4. das
moralisch-dialektische Tafelbild, 5. das profane bürgerliche Tafelbild
, 6. das Galeriebild und das persönliche Naturcrlebnis-Bild.
7. das moderne Ausstellungsbild, 8. das planetarisch-metaphysische
Weltstrukturbild. „Alle diese Bildgattungen stellen sich
im Weltganzen und in ihren jedesmal verschiedenen Weltsystemen
voneinander völlig verschiedene Aufgaben" (S. 8). Anhand
vortrefflich ausgewählter Beispiele aus dem Zeitraum von der
Spätantike bis um 1950 legt W. dar, warum das betreffende
Kunstwerk nur an einer bestimmten geschichtlichen Stelle und
an keiner andern entstehen konnte und daß es jeweils von dem
derzeitigen Weltbild Zeugnis ablegt. Die Arbeit Würtenbergers