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Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

772-776

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Smith, B. A.

Titel/Untertitel:

Dean Church 1959

Rezensent:

Becker, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

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verläßlichen Übersetzungen einem weiten Leserkreis zugänglich
zu machen. Auch den Forschern und Studierenden der Mediävistik
ist mit dieser Reihe die Möglichkeit gegeben, sich auf
einem Gebiet zu orientieren, das, von den Slavisten abgesehen,
vielen schon aus Gründen der Sprache verschlossen bleiben mußte.

Die Einführung der Reihe durch den vorliegenden Band von
Bujnoch kann als vollauf gelungen bezeichnet werden. Wer weiß,
wie kompliziert und vielschichtig die historischen Probleme und
die der Quellenforschung sind, wie fast schon unabsehbar die
Spezialliteratur (vgl. S. 26) angewachsen ist, wird die methodisch
sichere Führung durch den ganzen Fragenkomplex bewundern. Die
Beherrschung der Materie durch den Verf. gibt dem Leser eine
vorzügliche Orientierung auch über die einschlägigen Probleme,
ohne daß er durch ein Zuviel verwirrt würde. So hat B. z. B.
S. 164 die berühmte Frage des „russischen Psalters" kurz und
instruktiv entfaltet, wobei er genau die bisher beste Deutung und
wichtigste Übersicht von D. Gerhard anführt und nicht etwa den
Leser mit der geistreichen „Notule" Vaillants belastet. Übrigens
findet sich jetzt auch bei M. V. Levcenko: Ocerki po istorii
russko-vizantijskich otnosenii. Moskva 1956, S. 87f. eine sachliche
und überlegte Darstellung dieses Gegenstandes. Ausgezeichnet
ist die kurze Übersicht zur Geschichte der Erforschung
der Cyrillo-Methodiana S. 19-26, wie überhaupt alle Einleitungen
zu den Quellen selbst. Es gibt natürlich eine Reihe von Fragen
an den Verf. Sie würden sich aber zu einem Dialog zwischen Verf.
und Rezensent ausweiten, zu einem Fachgespräch, mit welchem
dem angesprochenen Leserkreis kaum gedient sein wird. Ich
möchte hier nur auf zwei Dinge zu sprechen kommen. 1. Der
Traum Konstantins in VC II wird immer wieder auf Gregor von
Nazianz zurückgeführt (S. 160, Anm. 12). M. E. hat aber das
Erscheinen der Sophia im Traume einen weit interessanteren
Hintergrund. Im Zusammenhang auch mit dem Kirchbau (Sophienkirchen
) und der Ikonographie (Sophienikonen) müßte einmal
untersucht werden, welche Bedeutung und Gestaltwandlung die
Sapientia bei den Byzantinern gehabt und erhalten hat. Einiges
wird angedeutet bei A. M. Ammann: Darstellung und Deutung
der Sophia im vorpetrinischen Rußland, in: Or. Chr. Per. IV
(193S), S. 120-156. So befindet sich z. B. in der alten Klemenskirche
in Ochrid ein Fresko vom Jahr 1295, welches die Sophia-
Premudrost' darstellt (vgl. Petkovic: La peinture Serbe du Moyen
Age, 2. Teil, Beograd 1934, S. 55 ff. und V. N. Lazarev: Istoriia
Vizantijskoj Zivopisi, l.Bd., Moskva 1947, Reg. S. 451 s.v.:
Premudrost'). Sowohl in der byzantinischen Theologie wie in der
Kunst spielt die Sophia als die zweite Person der Trinität eine
bedeutsame Rolle (G. Florovskij: Christ, the Wisdom of God,
in the byzantine Theology and Art, in: Actes VIe Congr. Intern.
Et. Byz. Paris 1948, l.Bd., Paris 1950, S. 229f. und A. Grabar:
Etudes critiques, 2.: Iconographie de la Sagesse Divine et de la
Vierge, in: Cahiers Archeolog. VIII (1956), 254-261). Photios
selbst, der mit dem ganzen Komplex der Cyrillo-Methodiana
aufs engste zusammenhängt, hat in zwei Hymnen auf den Kaiser
Basileios auf die Sapientia Dei angespielt (MG 102, 580 C,
584 B, vgl. Christ-Paranikas, Anthologia Graeca Carminum
Christianorum, Leipzig 1871, 50—51). Als Vicarius Christi ist
der byzantinische Basileus und mit ihm sein Reich das uynkfja
oorpIaQ. Ihr, d. h. der dritten Person der Trinität, gehört die
Völkerwelt kraft der Vorhersehung Gottes. Sie ist, wie es scheint,
ein Symbolbegriff der Byzantiner für ihre weltweite „Kulturpolitik
" gewesen, für das, wie wir heute unbyzantinisch
„Missionsidee" nennen würden. Von daher gesehen erscheint die
Sophia als konkrete, „ideologische" Symbolgestalt in Konstantins
Traum. 2. Es fehlt eine kurze Einführung in die wesentlichen
Charakteristica einer Vita und in die daraus sich ergebenden
Probleme des Historischen unserer Quellen der byzantinischen
Slavenmission (vgl. u.a. H. Schaeder, in: Histor. Zeitschr. 152
(1935), 229—255). Damit würden auch die Ausführungen über
hagiographische Fragen in den Anmerkungen mehr Hintergrund
bekommen.

Halle (Saale) KonradOnasch

Smith, B. A.: Dean Churdi. The Anglican Response to Newman.
London: Oxford University Press 1958. XIII, 334 S., 6 Abb., 1 Taf.
8°. Lw. 30 s.

Richard Church, geb. 1815 in Lissabon, gest. 1890 als
Dekan von St. Paul's in London, hat einen entscheidenden Abschnitt
der Geschichte der Anglikanischen Kirche mitgestaltet.
An den wichtigsten Jahren der Oxforder Bewegung, deren Chronist
er gegen Ende seines Lebens geworden ist („The Oxford
Movement. Twelve Years, 1833-1845", London 1891) wie auch
an der neuen Blüte der Anglikanischen Kirche in den 70er und
80er Jahren hatte er einen großen Anteil. Was im Gedächtnis
der Nachwelt fortlebte, war der Eindruck der überaus gewinnenden
Persönlichkeit des Oxforder Gelehrten, des Seelsorgers
, der zunächst eine kleine Landpfarrei und schließlich
London „in 6ein Gewissen nahm", eines „Genies der Jüngerschaft
" (S. 95) und der Freundschaft, eines versöhnenden Geistes.
B. A. Smith zeigt in seinem zuverlässig gearbeiteten Buch, daß
Church noch mehr bedeutete: Auf dem Grunde, den Newman
gelegt hat, hat er weiter gebaut, seit 1845 „ohne Newman",
aber so, daß ihre alte Freundschaft jederzeit wieder auferstehen
konnte; lange Zeit als Freund und Berater Gladstones, aber 60,
daß er auch dem großen christlichen Staatsmann gegenüber seine
Selbständigkeit bewahrte. So ist er der „Gründer einer neuen
Schule" im Anglikanismus.

Das Buch von Smith verbindet in glücklicher Weise eine
Biographie Churchs mit der Darstellung seines Geistes und seiner
Schriften. Der Untertitel „Die anglikanische Antwort auf Newman
" gibt auch den Gesichtspunkt für unsere Besprechung an.
Es ist als Ganzes ein Zeugnis dafür, wie sehr die Kirchengeschichte
des 19. Jhdts. in England von der überragenden Gestalt
Newmans bestimmt ist.

Eine Predigt, die Newman als Pfarrer der Universitätskirche
in Oxford hielt, über „Die Wagnisse des Glaubens", sollte der
religiöse „Wendepunkt" im Leben des 14 Jahre jüngeren Studenten
werden — eine jener Predigten, die „mit ihrer edlen Strenge,
die alles, was kalt und unreal, was kleinlich und affektiert in
der Religion war, ausmerzen mußte, in den 30er Jahren des vorigen
Jahrhunderts eine ganze junge Generation in Oxford geformt
haben (vgl. die soeben vollendete deutsche Ausgabe der Predigten
aus Newmans anglikanischer Zeit, hrsg. von der Newmanarbcits-
gemeinschaft der Benediktiner von Weingarten, Bd. I—IX, Stuttgart
1949—1959). Damit war Churdi auch für die Sache der Oxforder
Bewegung gewonnen. Smith setzt gut auseinander, wie
damals — anders als bei den typisch evangelikalen Bekehrungen,
die auch mit einer „armseligen Theologie" zusammen bestchei1
konnten — die Erwcckung zu einem persönlich verantworteten
Christentum mit der „Erweckung zum wahren Wesen der Kirche
(S. 67), zum „Kirchenprinzip" verbunden war, (ähnlich dem, wa*
R. Guardini 1922 „das Erwachen der Kirche in den Seelen" ge'
nannt hat). Ernstmachen mit dem Christsein, das hieß für einen
jungen Oxforder Studenten auch, „die Grundmauern seines
Geistes" tiefer „anzulegen" in ernsthaftem theologischem Studium
(S. 27). Die Verantwortung vor der Geschichte mußte bestanden
werden. Oxford rief dazu auf, in der Rückbesinnung tm
seine große Tradition, insbesondere auf die Zeit der karolini'
sehen Theologen. War die Heilige Schrift der Maßstab, so war
die Geschichte zumindest der Prüfstein „realisierten" Christentums
.

Die Oxforder Bewegung hat nicht nur aktuelle Traktate in
großen Auflagen auf den Markt geworfen, sondern auch manche«
auf dem Gebiet der Geschichte der alten Kirche und des Mittelalters
getan. Der Beitrag Churchs zu diesem Schrifttum ist besonders
seine Arbeit über Anselm von Canterbury. Hier begegnete
ihm ein genialer Gelehrter, der ein Heiliger war, der junge Menschen
um sich sammelte mit ähnlicher Anziehungskraft wie Newman
. der sein Kloster verließ, um für die Rechte der Kirche gegen
die Übergriffe normannischer Fürsten zu kämpfen. Für Church
war ein mittelalterliches Kloster „mit seinem Gebetsdienst und
seiner inneren Sammlung ... die höchste Möglichkeit zur lebendigen
Realisierung der Communio sanetorum und der Gegenwar
des Unsichtbaren" (S. 63). So schreibt er 1842, in einer Zeit-
als Newman schon in bezug auf seine Zugehörigkeit zur anglika-