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Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

768-769

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Börsch, Ekkehard

Titel/Untertitel:

Geber - Gabe - Aufgabe 1959

Rezensent:

Hägglund, Bengt

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

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des sich ausbreitenden Islam typisch städtisch, so diese eine
„landbasierte Gesellschaft" (S. 108). "Toughly welded, aggressive
" (eng zusammengeschweist und missionarisch aggressiv),
war sie sturmhart (73). Inmitten davon konnte (wesentlich seit
dem 4. Jhdt.) eine neue Haltung gegenüber der Welt ausgeformt
werden (l. c). Das Funktionale (S. 70) der Gesellschaft kam dem
zu statten. Sie war theologisch ausgerichtet. Und es „bleibt
wahr", daß sie ihre theol. Dispute — oft um Fragen von nie ersterbender
Aktualität kreisend — mit Brillanz und Aufrichtigkeit
vorantrieb und einen impetus gab zur Entwicklung rechtschaffenen
, logischen, kühnen Denkens (S. 72 f.). Pirenne hat das Überwechseln
vom wesentlich noch im Altertum Verhafteten zum schon
wesentlich Mittelalterlichen in die Zeit von 650—750 verlegt.
Bark betont, daß der Wechsel früher schon begann und
noch länger sich hinzog. Daß Gregor d. Gr. schon distinktes MA.
ist, wird man nicht bestreiten können, aber daß Augustin noch
Altertum sei — der vom Neuplatonismus und Manichäismus losgekommene
A. —, das wird man nicht behaupten können. So hat
B. sicherlich recht. — B. wendet sich scharf gegen die idees fixes
vom dunklen MA. Er stellt die Lernbegierde des frühen MA. und
die Ausdruckskraft des (hohen) MA. dagegen. Mit Recht. — Das
Buch wird auch dem Theologen einiges zu sagen haben.

Tölz-Oberfisehbach C. Frhr. von H ey I

C o n g a r, Y. M.-J.: „Arriana haeresis" comme designation du neomani-
cheisme au XII0 siecle.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques XLIII, 1959
S. 449—461.

H a u b s t, Rudolf: Nikolaus von Kues als theologischer Denker.

Trierer Theologische Zeitschrift 1959 S. 129-145.
Wucher, Albert: Kleine Papstgeschichte. Frankfurt/M.: Scheffler

[1957]. 176 S. 14 Taf. 8°. Lw. DM 7.80.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Bizer, Ernst: Luther und der Papst. München: Kaiser 1958. 56 S.

8° = Theol. Existenz heute. Eine Schriftenreihe, hrsg. v. K. Steck u.

G. Eichholz, N. F. Nr. 69. DM 3.50.

Dem Vorwort ist zu entnehmen, daß diese Schrift keine
antikatholische Streitschrift, sondern eine historische Darstellung
sein will. In seinem Buch „Fides ex auditu" (Neukirchen 1957)
hatte Bizer behauptet, daß Luther durch seine Entdeckung zu
Rom. 1, 17 zu seinem Kampf gegen das Papsttum veranlaßt worden
sei. Der Beweis für diese Behauptung wird in der vorliegenden
Schrift nachgebracht. Als aktuellen Anlaß zur Veröffentlichung
weist Bizer allerdings auf die publizistische Tätigkeit
Hans Asmussens und seines Kreises hin, „wo mir das evangelische
Anliegen so wenig gewahrt zu sein scheint, daß ich vielmehr
den Eindruck habe, es 6ei überhaupt noch nicht gesehen
worden". Die historische Darstellung von Luthers Kampf kann
dazu dienen, „die Diskussion auf den Boden zurückzuholen, auf
dem sie sich allein lohnen wird, und der Beunruhigung der evangelischen
Gemeindeglieder zu steuern" (Vorwort). Im folgenden
geht Bizer der Entwicklung in Luthers Stellung zum Papsttum
Schritt für Schritt nach. Dabei kommen Luthers Schriften
und Briefe mit reichlichen Zitaten zu Wort, so daß sich der
Leser selbst ein Bild machen kann. Bis 1520 ist Luther geneigt,
das Papsttum als weltliche Ordnung anzuerkennen, falls es sich
nicht gegen die Lehre der hl. Schrift wendet. Durch die Bannandrohungsbulle
wird für Luther diese Voraussetzung hinfällig.
Eine 2. Periode des Kampfes gegen den Papst beginnt 15 36 im
Zusammenhang mit dem Kampf um das Konzil. Luther ist jetzt
überzeugt, daß das Papsttum nicht reformiert werden kann. Der
sachliche Höhepunkt dieser Polemik ist die Schrift „Von Konzilien
und Kirchen" 1539. Die erneute Aufroüung der Konzilsfrage ist
auch der Anlaß für die Schrift „Wider das Papsttum zu Rom vom
Teufel gestiftet. 1545". Neben exegetischen und historischen
Einwänden führt Luther vor allem die Lehre vom Glauben ins
Feld. „Die Durchschlagskraft dieser Polemik hängt... ab von der
Sicherheit, mit der man diese lutherische Lehre in der Schrift
findet, und von dem Ernst, mit dem sie vertreten wird. Ist es so.
daß jede Gefährdung hier teuflische Verführung ist, so kann

man gegen Luthers Polemik allenfalls noch Einwände des Geschmacks
erheben" (S. 5 5). Dem Verf. wird man für sein solides
Referat über die einschlägigen Äußerungen Luthers dankbar sein.
Erlangen Walther t. Loewenich

Borsch, Ekkehard, Dr. theol.: Geber - Gabe - Aufgabe. Luthers Pro-
phetie in den Entsdieidungsjahren seiner Reformation 1520—1525.
München: Kaiser 1958. 132 S. 8° = Forschungen z. Geschichte u.
Lehre d. Protestantismus, hrsg v Ernst Wolf, 10. Reihe Bd. XIII.
Kart. DM 9.-.

Diese Arbeit stammt aus der Schule Karl Barths, ist übri- '
gens aus seinen Seminaren über Luthers Theologie hervorgegangen
. Von der dialektischen Theologie her wird eine Untersuchung
über die Grundanliegen der Reformation wie auch eine kritische
Würdigung der Theologie Luthers vorgenommen. Teilweise wird
aufs neue die schon bekannte Kritik der Regimenten- und der
Sakramentslehre hier wieder aufgenommen, die Auseinandersetzung
und Prüfung wird aber auch auf andere noch zentralere
Gebiete weitergeführt.

Die Disposition geht schon aus dem Titel hervor: Als
Evangelium von der freien Gabe Gottes zum Heil des Menschen
wird das Zentrum der Lutherschen Verkündigung angegeben und
demgemäß verläuft die Darstellung in drei Kapitel mit den Titeln
: Der Geber — Die Gabe — Die Aufgabe. Daran schließt sich
ein viertes Kapitel „Der Prophet", worin das Problem der Kirchenreformation
und das prophetische Sendungsbewußtsein LutheTS
erörtert wird. Die Stichworte des Titels geben an, daß hier die
Lehre von Gott, von der Rechtfertigung und von den „guten
Werken" behandelt werden. Der Verfasser fragt aber zugleich
nach dem ganzen inneren Zusammenhang der Theologie Luthers;
er will nicht nur einzelne „Lehrpunkte" darstellen. Jeder Abschnitt
wird mit „Fragen" abgeschlossen, worin die kritische
Auseinandersetzung zu Worte kommt. Der Verfasser will nicht nur
historisch analysieren, sondern auch systematisch die vermeintlichen
oder wirklichen Aporien der reformatorischen Verkündigung
aufzeigen.

Es ist für die Darstellung bezeichnend, daß sie mit Fragen
endet, die keine direkte Antwort bekommen und bisweilen auch
nicht eindeutig beantwortet werden können, weil sie unausweichlichen
, mit der christlichen Verkündigung immer verbundenen
Paradoxien gelten. Die erste Frage (S. 39 f.) nach der
Objektivität Gottes, die Frage, ob nicht der Glaube von Luther
so gepredigt wird, daß das Wort und Jesus Christus selbst nicht
mehr ins Zentrum gestellt werden können, konnte vielleicht mit
einer Gegenfrage beantwortet oder mindestens geklärt werden:
Entsteht nicht dies Problem wirklich ernsthaft erst dann, wenn
man die Theologie Luthers einseitig mit Hilfe der cxistentialisti'
sehen Denkweise deutet, wie es der Verfasser in diesem Abschnitt
selbst tut, wenn man also das Evangelium nur als Z«"
sprach, nur in den personalen Kategorien des Schenkens einer
Gabe darstellt. Wenn es sich so verhält, hat der Verfasser m. E-
eine gefährlidie Methode gewählt, nämlich zuerst ein Zentrum
in der Theologie Luthers zu postulieren, um dann von diesem
Zentrum her eine Kritik anzustellen und theologisdie Schwierig'
keiten zu finden, die vielleicht von anderen Gesichtspunkten her
gar nicht in der Theologie Luthers zu sehen, sondern nur in diesen
vermeintlich zentralen Gedanken vorhanden sind.

Die „Gabe" ist das durch Wort und Sakrament vermittelt«
Evangelium. Die Frage, die im zweiten Abschnitt vor allem cr-
örtert wird, ist das Verhältnis Luthers zu den Schwärmern-
Warum lehnt Luther die Vermengung von Gesetz und Evangelium
so scharf ab, die die enthusiastische Verkündigung kennzeichnet,
warum betont er die Realpräsenz des Leibes Christi im Abendmahl
? Es geschieht, meint der Verfasser, nicht nur um der MbH*
sehen Wahrheit willen, sondern auch mit Stütze einer „Ordnung«'
theorie", die nicht unbedingt mit der ursprünglichen reformatorischen
Botschaft zusammenhänge. — Die Kritik an dieser Ordnungstheorie
wird noch weiter im dritten Abschnitt ausgeführt
wo die Lehre von den beiden Reichen behandelt wird. Die grundlegende
Einwendung des Verfassers ist die, warum nicht die
„Aufgabe" direkt vom Evangelium, d.h. von der Rechtfertigung^
lehre her motiviert wird, sondern sozusagen in ein anderes Re-'