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Ausgabe:

1959 Nr. 1

Spalte:

53

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lo Bue, Francesco

Titel/Untertitel:

Che cosa è il Nuovo Testamento 1959

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 1

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griechischem Boden noch viel deutlicher in Erscheinung treten
lassen" (S. 20). Vielleicht gelingt dieses durch die neu in Angriff
genommene Arbeit des Corpus Hellenisticum. W. Bauer selbst ist
trotz seines hohen Alters nicht müßig geblieben. Mit unermüdlichem
Fleiß hat er planmäßig die hellenistischen Schriftsteller
gelesen und Parallelen zusammengetragen. Das meiste, was er
an Beispielen in diesem Abschnitt bietet, hat bzw. wird er bei
der 5. Auflage des Wörterbuches einarbeiten können. An einigen
Beispielen macht er deutlich, wie die Verfasser der neutestament-
lichen Schriften vom Judentum her dachten, von den Lesern
aber aus ihrer Umwelt heraus anders verstanden wurden.

Die Einführung in das Wörterbuch zum NT ist kurz, wie
es einer Einführung zukommt. Aus ihr kann jeder, der sich mit
der Sprache des Urchristentums beschäftigt, viel lernen.

Buckenhof/Erlangen Gerhard Friedrich

Lo Bue, Francesco: Che cosa i il Nuovo Testamente). Breve introdu-
zione alle lettcrature del cristianesimo nascente. Torre Pellice
(Torino): Libreria Editrice Claudiana 19 54. 160 S. 8°. L. 500.—.

Eine „Einleitung in das Neue Testament" scheint seit Jahrzehnten
in italienischer Sprache nicht mehr erschienen zu sein,
eine „Einleitung" aus der Feder eines italienischen Protestanten
wohl überhaupt noch nicht. Es entsprach darum sicherlich einem
wirklichen Bedürfnis, daß Francesco Lo Bue 1954 (der Verfasser
ist inzwischen verstorben; die Verspätung der Anzeige ist Schuld
des Referenten) in einem Waldenser-Verlag eine kurze Einführung
in das NT veröffentlicht hat, die offensichtlich Leser im
Auge hat, die historisch zuverlässige Information suchen, aber
kaum irgendwelche Vorkenntnisse mitbringen. Das Büchlein gibt
darum vor der Erörterung der eigentlichen Einleitungsfragen eine
6ehr kurze Darstellung der Umwelt und der Geschichte des Urchristentums
bis zu Paulus, behandelt dann nacheinander die
Paulusbriefe, die Synoptischen Evangelien mit der Apostelgeschichte
, die johanneischen Schriften und die übrigen Katholischen
Briefe und schließt mit einem wiederum nur skizzenhaften
Überblick über die Entstehung des ntl. Kanons und die Grundfragen
der ntl. Textkritik.

Die Kürze des zur Verfügung stehenden Raumes und das
Nebeneinander der beiden Tendenzen, die primitivsten Kenntnisse
über die biblischen Sachverhalte zu vermitteln, zugleich aber
auf wichtige neueste Fragestellungen in der Erforschung des
Neuen Testaments hinzuweisen, hat dazu geführt, daß die geschichtlichen
Probleme sehr ungleichmäßig erörtert werden. Zwar
erklärt der Verf. ausdrücklich im Vorwort, daß nur solche ausgewählte
Literatur erwähnt werden solle (in Deutsch, Englisch
und Französisch), die einigermaßen leicht zugänglich ist, und daß
bibliographische Vollständigkeit nicht erstrebt sei, und in dieser
Hinsicht hat der Verf. zweifellos sehr sorgfältig ausgewählt. Aber
schwerlich rechtfertigt es der Raummangel, wenn die eigentlichen
kritischen Probleme meistens nur angerührt und dem Leser in
ihrer Bedeutsamkeit überhaupt nicht klargemacht werden (das
gilt etwa für das religionsgeschichtliche Problem beim 4. Evangelium
und den Pastoralbriefen). Und wenn der Verf. sehr konservativ
urteilt (nur Judas und 2. Petr. sind eindeutig nicht von ihren
angeblichen Verfassern), so läßt er die kritischen Fragen doch
allzu oft offen oder hilft sich mit der Annahme von Beauftragten
(1. Petr.) oder Schülern (Jakobus). Die Datierungen sind mehrfach
auffällig früh (l. Petr. zwischen 60 und 66, Hebräer zwischen
50 und 70), ohne daß dem Leser die dadurch entstehenden
Schwierigkeiten auch nur angedeutet würden (auch die durch die
Einordnung der Pastoralbriefe in das von der Apostelgeschichte
berichtete Leben des Paulus entstehenden Probleme werden nicht
erwähnt). So wird das Werk wohl seinen Lesern eine zuverlässige
Kenntnis der ntl. Tatbestände und auch eine Ahnung von den
geschichtlichen Problemen vermitteln; aber schwerlich bietet der
Yerf. ihnen eine ausreichende Hilfe zur wirklichen Erkenntnis
er geschichtlichen Fragen oder zur Einsicht in die konkurrierenden
Lösungsmöglichkeiten. Und das ist bei der zweifellos großen
Belesenheit des Verf.s schade.

M«rt>urg/Lahn Werner Georg K Um m el

Schulz, Siegfried: Untersuchungen zur Mcnschcnsohnchristologic im
Johannesevangelium. Zugleich ein Beitrag zur Methodengeschichte der
Auslegung des 4. Evangeliums. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1957. 182 S.gr. 8°. DM 18.60.

Dieses Buch ist für die Forschung am 4. Evangelium sowohl
durch seine Zielsetzung wie durch sein methodisches Vorgehen
bedeutsam. Der Verf. will an einem bestimmten Punkte den
Mutterboden der johanneischen Paradosis, besonders das Verhältnis
der jüdischen und gnostischen Elemente, in den Griff bekommen
. Als Weg dazu dient ihm die von ihm 6elbst so genannte
themageschichtliche Methode.

Der erste Teil gibt einen geschichtlichen Überblick über die
bisher auf das Johannesevangelium angewendeten Methoden.
Diese bisher fehlende methodengeschichtliche Rüdcsdiau nennt
nicht weniger als 13 Methoden, darunter Konjekturalkritik, Stilstatistik
, Begriffs-, Literatur-, Formgeschichte usw. Dabei enthüllt
6ich die Tendenz der Forschung, in steigendem Maße den
eigenen Anteil des Evangelisten an seinem Werke anzuerkennen.
Daneben ist mit immer kleineren Elementen (Logien) der Überlieferung
zu rechnen und zugleich ihre große Streuung über ein
komplexes religionsgeschichtliches Feld zu erkennen. Schulz geht
nun bei seinem eigenen weiterführenden Ansatz davon aus, daß
s'ch (wie übrigens auch sonst im NT) in den Redepartien besondere
, vor allem christologische Themata abheben, die durch einen
zentralen Begriff gekennzeichnet sind, um welchen sich wort- und
sachverwandte Motivreihen gruppieren. Damit wird es möglich,
ihren Überlieferungscharakter und den religionsgeschiditlichen
Wurzelboden zu untersuchen, wobei die bisherigen Forschungs-
Hethoden, vor allem die Traditions- und Religionsgeschichte, voll
Angesetzt werden. Diese themengeschichtliche Methode unterscheidet
sich von der Begriffs- und Formgeschichte vor allem
durch ihr Ziel, steht aber mit beiden innerhalb der Traditionsgeschichte
.

Der zweite Teil (S. 96 ff.) analysiert nun die Tradition der
joh. Themagruppe „Menschensohn, Sohn, Paraklet, Wiederkunft"
auf deren Eigenständigkeit und Suffizienz des Anschauungskreises
. Das doppelte Ziel dabei ist es, zu zeigen, daß diese Themata
aus der spätjüdischen Apokalyptik 6tammen, zugleich aber (teils
schon vor Joh., teils durch ihn selbst) mit neuem Begriffsmaterial
hellenistischer und gnostisdier Prägung uminterpretiert worden
sind.

Die eigentliche Menschensohntradition tritt zu Tage in
Einzellogien wie 1,51; 3,13—15; 5,27—29 u.a. Sprache und
Thematik weisen deutlich auf die spätjüdische Apokalyptik, wobei
verschiedene literarische Formen wie Midrasch (l, 51), Ho-
m'lie, (6, 27. 53) und Hymnus (13, 31 f.) verwendet sind. Die
Untersuchung der Motive zeigt, daß schon im vorjoh. Stadium
eine Neuinterpretation durch christliches, at.liches (Bethelmotiv
au« Gen 28 in Joh. 1, 51, S. 102 f.) und auch gnostisches Gut
(Katabasisvorstellung 3, 13 ff., S. 105) vorgenommen worden ist.
7- Beim Sohn-Thema macht sich die gnostisch-hellenistische Re-
interpretation noch stärker bemerkbar. Die Subordination des
Menschensohnes unter den Vater wird umgebogen in das Verhältnis
der Liebe (3, 35 f., S. 127). Aus dem zukünftigen Menschensohn
wird der Sohn, welcher schon in der Gegenwart Leben
und Gericht vermittelt (S. 137), wie gerade in der Spruchreihe
5, 19—26 sichtbar wird. Joh. 3, 16 geht mit dem Motiv der Hingabe
des Sohnes auf die at.liche Gottesknechtvorstellung zurück,
2eigt aber ebenfalls eine Reinterpretation in der Richtung des
hellenistisch verstandenen Gottessohnes, wodurch das Verhältnis
zwischen ursprünglich at.lich - spätjüdischem Mutterboden und
hellenistischer Neuauslegung bestätigt wird (S. 142). — In Anlehnung
an Bornkamm findet Verf. den ursprünglichen Mutterhoden
für das Thema vom Parakleten in der spätjüdischen Apokalyptik
(S. 142 ff.). Analoges ist vom Thema der Wiederkunft
zu sagen (S. 158 ff.).

Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt in der Feststellung
des spätjüdischen Mutterbodens, doch läßt der Verf., vor
allem in der wichtigen Anmerkung auf S. 173 erkennen, wie er
sich die Triebkräfte der Neuinterpretation vor und durch Johannes
vorstellt. Diese ist notwendig, weil die Leser nicht mehr mit
der apokalyptischen Welt vertraut sind und weil die Vorstellung