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Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

743-745

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Soisalon-Soininen, Ilmari

Titel/Untertitel:

Der Charakter der Asterisierten Zusätze in der Septuaginta 1959

Rezensent:

Kahle, Paul

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743

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

744

Secci, Emilia: Tradizioni cultuali tirreniche e pelasgiche nei fram-
menti di Callimaco.

Studi e Materiali di Storia delle Religioni XXX, 1959 S. 83-107.
S o g g i n, Alberto: Enoc ed Elia come profeti escatologici nel folklore
romanesco.

Studi e Materiali di Storia delle Religioni XXX, 1959 S. 119—122.
Sommers, H.: L'homme, image de Dieu. Origine du theme.

Bijdragen — Tijdschrift voor Filosofie en Theologie 20, 1959 S. 126
bis 145.

ALTES TESTAMENT

Soisalon-Soininen, Ilmari: Der Charakter der asterisierten
Zusätze in der Septuaginta. Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia
1959. 200 S. gr. 8° = Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia.
Annales Academiae Scientiarum Fennicae. B. 114. Finn. mk. 1000.—.

Dr. Soisalon Soininen, ein Schüler von Professor A. F.
Puukko in Helsinki, hat schon früher eine wertvolle Arbeit über
die Septuaginta publiziert, in der er die Textformen der Septua-
ginta-Übersetzung des Richterbuchs behandelt hat (Annales...
Ser. BTom. 72,1, Helsinki 1951). Er setzt nun in dem vorliegenden
Buche seine Arbeit an der Septuaginta fort, indem er dem
Charakter der von Origenes mit Asteri6ken versehenen Zusätzen
nachgeht. Die Wirkung des revidierten Textes der LXX-Spalte
von Origenes' Hexapla sei auf die spätere Textgeschichte der
LXX zweifellos sehr bedeutend gewesen. Die von Origenes geschaffene
LXX-Spalte der Hexapla sei weitverbreitet gewesen,
auch die gut bekannte Rezension des Lukian (genannt nach dem
312 gestorbenen Märtyrer, von der sich jetzt aber Fragmente
gefunden haben, die etwa 500 Jahre älter als Lukian sind) zeige
z. B. in den Propheten den Einfluß des hexaplarischen Textes.
Außerdem hätten beinahe alle erhaltenen Septuaginta-Hand-
ßchriften Zusätze, die in anderen Hss mit Asterisk versehen sind.
Zwar sei die LXX auch schon vor den sog. „jüngeren" Übersetzungen
von Aquila, Symmachos und Theodoticn dem hebräi schen
Text angeglichen — wir wissen heute, daß schon die Juden
ihre griechischen Bibeltexte dem hebräischen Original angeglichen
haben -, aber es bleibe dabei, daß der Einfluß der Hexapla sich
sehr weit erstreckt habe. Die Hauptaufgabe sei, wie schon
Thackeray gezeigt habe, das hexaplarische und das ältere Material
auseinander zu halten. Das sei nicht immer so wie es sein
sollte geschehen. Seine Arbeit habe sich auf das asterisierte Material
, also auf das der alten LXX fremde Material beschränkt.

Der Verfasser behandelt nun mit aller Sorgfalt die verschiedenen
Probleme der mit Asterisken versehenen Zusätze und
Textvarianten in den Textzeugen: die Zusätze und den alten
Text, die Zusätze und den masoretischen Text, und schließlich
sehr ausführlich die übersetzungstechnischen und die sachlichen
Zusätze, in beiden Fällen nach den grammatischen Kategorien
geordnet. Im Ansdiluß daran gibt er einige Textproben.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Dt. Soisalon-
Soininen sehr sorgfältig gearbeitet hat und zu gewissen Gesichtspunkten
über die Arbeit des Origenes gekommen ist. Aber es
erscheint mir fraglich, ob Untersuchungen dieser Art heute nidit
in vieler Hinsicht anders geführt werden müssen. Es ist zunächst
zu bedauern, daß der Verfasser von der Veröffentlichung des
Hexapla-Palimpsests keine Kenntnis genommen hat, das Giovanni
Mercati im Jahre 1894 in dem Palimpsest O 39 der Ambrosiana
in Mailand entdeckt hat, und von dem gerade vor einer
Reihe von Monaten aus dem Nachlaß von Cardinal Mercati im
Auftrage der Vaticana durch Professor Castellino in Rom der
erste Teil des ersten Bandes herausgegeben worden ist1. Hier
sind die fünf Kolumnen der Hexapla, die erhalten sind, unter
Beigabe der ausgezeichneten Photographien des Palimpscstes,
von Cardinal Mercati aufs sorgfältigste entziffert worden. Nach
Mercati ist der Text der unteren Schrift des Palimpsests. der den
Hexaplatext enthält, im 9. oder 10. Jahrhundert geschrieben worden
. Aber auch wenn er, wie Professor Paul Maas, ein besonderer
Kenner dieser Handschriften - Periode, meint, nicht vor dem

») Psalterii Hexapli Reliquiae. Cura et Studio Iohannis Card.
Mercati. Bybliothecarii et Scriniarii S. R. Ecclesiae Editae. Pars Prima.
Codex Rescriptus Bybliothecae Ambrosinnae O 39 SVP. Phototypicc
Expressus et Transcriptus. In Bybliotheca Vaticana MCMLV1II.

11. Jahrhundert geschrieben ist, es handelt 6ich hier doch um ein
Stück Hexapla, das letztlich auf das Original des Origenes zurückgeht
, und das, auch wenn es erst durch eine Reihe von Abschreibern
auf uns gekommen ist, doch als Ersatz für das Original gelten
kann. Es ist natürlich schade, daß dieses Stück der Hexapla
nicht verglichen werden konnte in einem Buche, das in so starkem
Maße auf der Hexapla des Origenes aufgebaut ist.

Als ich dem Verfasser des Buches schrieb, daß dieses Spe-
zimen der Hexapla auch in der Septuaginta-Kolumne nicht irgendeinen
Asterisk oder Obelus aufwies, war er ganz enttäuscht und
wollte annehmen, daß die von Mercati als Septuaginta-Kolumne
gerechnete Kolumne gar nicht die Septuaginta enthalte, da es
ihm vollkommen undenkbar erschien, daß in der Hexapla des
Origenes eine Septuaginta-Kolumne ohne alle diakritische Zeichen
stehen könnte. „Da Origenes selbst schreibt, wie er die
Abschriften des Alten Testaments korrigiert hat und dabei
Asterisken und Obelen gebraucht hat (Ad Matth. 15 : 14), muß
man diese Arbeit meiner Ansicht nach dem Origenes zurechnen."
Er habe ohne weiteres die Hexapla für das betreffende Werk von
Origenes angenommen. „Eine zweite Möglichkeit wäre natürlidi
die Tetrapia. Daß aber eine so große Arbeit (Origenes spricht ja
nicht nur von Teilen des ATs) in einem uns unbekannten Werk
geleistet wäre, scheine wohl undenkbar."

An die Möglichkeit, daß die Hexapla nur die Grundlage für
die textkritische Arbeit des Origenes gewesen sein könnte, daß
die in ihr vorliegende Zusammenstellung von wichtigen jüdischen
Bibeltexten ihm redit eigentlich das Material für seine Arbeit
bot, hat der Verfasser offenbar nicht gedacht. Wir können, glaube
ich, ganz sicher sein, daß weder in der Hexapla noch in der
Tetrapia die Septuaginta-Kolumne die diakritischen Zeichen auf gewiesen
hat, die Dr. Soisalon-Soininen dort als selbstverständlich
voraussetzt.

Aber aus dem von Cardinal Mercati entzifferten Palimpsest
läßt sich sehr viel weiteres entnehmen. Auf eine Beobachtung
möchte ich hier hinweisen: der Gottesname ist in allen fünf
Kolumnen durchweg durch das mit hebräischen Quadratbuchstaben
gesdiriebene Tetragramm (flirr) wiedergegeben. Daß zur
Zeit des Origenes christliche Septuaginta-Handsdiriften mit dem
in hebräisdien Buchstaben geschriebenen Gottesnamen im Umlauf
gewesen sind, widerspricht allem, was wir sonst wissen. Bekanntlich
haben wir griechische Bibelhandschriften, die älter sind
als Origenes. Der Chester Beatty Papyrus mit dem Text von
Num. und Deut., der 1935 von Sir Frederic Kenyon veröffentlicht
worden ist, muß nach Kenyon vor der Mitte des 2. Jahrhunderts
geschrieben sein. Er war also zur Zeit des Origenc«
schon vorhanden. In dem Mailänder Palimpsest haben wir Psalnr
texte. Solche haben wir in den Chester Beatty Papyri nicht. Aber
Psalmtexte auf Papyri sind in der Bibliothcca Bodmeriana i°
Genf-Coligny zu finden. Ich habe davon die Photographic cines
Beispiels aus dem 2. oder 3. Jahrhundert gesehen, eines Beispiel5
also aus der Zeit des Origenes. Der Gottesname ist hier wiff
stets in christlichen Septuaginta-Handsdiriften mit Kurzformen
von xvnioQ wiedergegeben. Wenn nun Origenes in seiner Hex«'
pla auch in der Septuaginta-Kolumne den Gottesnamen nii*
hebräischen Quadratbuchstaben geschrieben hat, so kann sein*
Vorlage kein diristlichcr Scptuagintatcxt gewesen sein, sondern
es muß ein jüdischer Text gewesen 6ein, wie ja die anderen K**
lumnen seiner Hexapla, die zweite Kolumne, sowie die Kolumnen
mit Aquila, Symmachus und der Quinta ganz zweifellos aus
jüdischen Handschriften stammten. Origenes muß also auch fur
die Septuaginta-Kolumne eine jüdische Vorlage gehabt haben.

Uns waren griechische Bibelhandschriften, die von Juden für
Juden geschrieben waren, bis vor kurzem vollkommen unbekannt-
Erst in den letzten Jahrzehnten sind ein paar Fragmente solche
Handschriften bekannt geworden. Ich habe von ihnen zuletzt
handelt in meinem Artikel "The Grcek Bible and the Gospcls •
Studia Evangelica, Berlin 1959, pp. 613-621. Sie stammen aber
alle aus vorchristlicher Zeit. ,

Es berührt natürlich etwas sonderbar, ein so gelehrtes Bu*
in die Hand zu bekommen, das ganz wesentlich von der Hcxap!^
Arbeit des Origenes handelt, ohne daß von dem Mailand^
Hexapla-Palimpsest die Rede war. Ich habe mit Dr. Soisalon *°