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Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

742

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lotz, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Meditation im Alltag 1959

Rezensent:

Melzer, Friso

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

742

sachenmatcrials auch in seiner deutschen Ausgabe dienen können,
zumal es auf den verschiedenen religionsgeschichtlichen Gebieten
den neuesten Stand der Forschung oft bis in sehr spezielle Fragen
hinein darbietet.

Das Buch ist in folgender Weise gegliedert: der Darstellung der
Religionen ist ein L Absdinitt „Prinzipienfragen und Grundbegriffe"
(S. 1—32) vorangestellt. Die vier darauf folgenden rcligionsgeschicht-
lichcn Absdinitte tragen die Übcrsdiriften: II. „Die Schriftkulturen des
vorderen Orients" (Ägypter, Sumerer und Akkader, Westsemiten, Hethiter
, Israeliten, Islam); HI. „Die indogermanischen Schriftkulturcn"
dränier, Inder der klassisdien Zeit, Hinduismus, Buddhismus, Griechen.
Römer, hellen. Synkretismus, Kelten, Germanen, Slaven und Balten):
IV. „Die ostasiatisdien Schriftkulturcn" (Chinesen, Japaner); V. .Die
schriftloscn Kulturen" (Afrika, Asien, Amerika, Australien).

Zu dieser Einteilung lassen sich versdiiedene Bedenken anmelden.
Zunächst ist zu fragen, warum allenthalben von Kulturen und nicht von
Religionen, von denen doch allein die Rede ist, gesprochen wird. Der
Begriff „Kultur" ist doch fraglos umfassender als der Begriff „Religion",
die ein Teilgebiet des kulturellen Lebens ist. Weiterhin scheint mir zu
beanstanden zu sein, daß verschiedene Einteilungsprinzipien verwendet
werden: drei Abschnitte behandeln „Schriftkulturen", ein Abschnitt
..schriftlose Kulturen". Der Schriftbesitz, nicht der Besitz heiliger Schriften
, sondern die Fähigkeit oder Unfähigkeit der Völker zu sdircibcn,
wird zum obersten Einteilungsprinzip der Religionen gemacht, obwohl
m. E. damit kein religiöses Strukturmoment berücksichtigt ist. Die drei
Schriftkulturcn sind nun entweder nach sprachgcschichtlichcr Einheit
(„indogermanische Sdiriftkulturcn") oder nach geographischer Zusammengehörigkeit
(vorderer Orient, Ostasien) eingeteilt. Man sollte das
eine oder das andere Prinzip für die Einteilung verwenden, aber nicht
verschiedene gleichzeitig. Was die Vollständigkeit der behandelten „Religionen
der Völker" betrifft, so fällt auf, daß das Christentum ohne
weitere Begründung fortgelassen ist. Das könnte den Grund haben,
daß die Verfasser das Christentum nidit zur „allgemeinen Religions-
geschichte" rechnen, weil es — etwa nadi der Auffassung einer bestimmten
Richtung innerhalb der evangelischen Theologie — keine Religion
sei. Ein wissenschaftlich begründbarer Standpunkt wäre das jedoch nicht.
Es ist aber auch möglich, daß die Verff. einfach der vielfach (z. B. bei
Chantepic de la Saussaye) geübten Praxis folgten, die aber m. E. auch
nicht empfehlenswert ist.

So gründlich und im Tatsadienmäßigen zuverlässig der religions-
gcschichtlidie Hauptteil des Buches ist, so unzulänglich ist der grund-
sätzlidie erste Abschnitt. Offenbar liegt den Verfassern die systematische
und verstehende Religionswissenschaft weniger als die geschicht-
lidie Religionsforschung, deren Ergebnisse wohl deshalb in diesem Buche
in einer etwas nüchtern registrierenden Weise dargeboten werden. Im
einzelnen möchte ich folgende Punkte hervorheben: das viel erörterte
Problem des Verhältnisses von Religion und Magic wird (S. 6 ff.) deshalb
unzulänglich behandelt, weil der Verf. den Ursprung der Magie
(S. 8) in dem „heftigen Wunsche, 6eincm Feind zu sdiadcn oder Gesundheit
zu erlangen" sieht. Offenbar hat der Verf. nur den profanen Zauber
im Auge und berücksichtigt nicht, daß es auch eine religiöse Magie gibt,
wie denn Religion und Magie in der Frühzeit und viclfadi noch heute
bei den Naturvölkern und im Volksglauben eng miteinander verbunden
sind. (Vgl. C. H. Ratschow, Magic und Religion, 1947.) — Die Frage
nach dem Ursprung der Religion (S. 10) wurde nicht erst im 19. Jahrhundert
gestellt. Der Sophist Kritia6 stellte sie bereit« im 5. Jhdt.
' ^-nr- Aber auch andere antike Philosophen wie Xcnophanes und
Aristoteles haben sich mit dem Ursprung der Religion beschäftigt. —
Unter den Theorien über die Entwicklung der Religion (S. 15 ff.) ist die
tnt altungsthcoric R. Ottos nidit berücksichtigt. - Seltsam ist, daß das
"ölige neben Tabu und Fetisch (S. 19) behandelt wird, also wie
e was, das mit beiden Phänomenen nichts zu tun hat — S. 27 wird bc-
nauptet daß eine Entartung des Kultus möglich, aber nicht die Regel
•et. Indessen ist gerade die stets nahe liegende Entartung des Kultes,
ic neben anderen Entartungsphänomenen sicher nicht die Regel, aber
loch eine weit verbreitete Ersdicinung ist, Anlaß sdiöpfcrisdier refor-
matonschcr Kritik in der Religionsgeschichte. - Besonders dürftig ist
• 27 die Theorie des Opfers ausgefallen (vgl. im Gegensatz dazu:
; van der Lecuw, Phänomenologie der Religion. 2. Aufl. 1956, 393 ff.),
sidh Star'< ration'"l'istiscne Grundeinstellung der Verfasser zeigt

Urs W'C m'r s*cint' aucn darin, daß behauptet wird, die Erörterung des
didiPr"T dcr Welt Ri2vcda Xi 129 sei ein "rcin philosophisches Ge-
sophic handelt sich aber fraglos nicht um reine, d. h. profane Philo-
danken *° unl mystische Einheitsschau, die sich in abstrakten Ge-
tiir dcr """Pricht. - Es trifft auch nicht zu, daß in der vedischen Litera-
(S 201) T?pfllnRsglaubc durdi philosophische Spekulation ersetzt sei
in der ved 1" vcr8leicnc dxzu C- A- Scharbau, Die Idee der Schöpfung
(S 271 ff) fn" Literatur, l932- — In dcr Darstellung des Buddhismus
lune des T ^* Erorterung der Dharma-Thcorie. — Bei der Bchand-
IdJ- d« Ai2S?tt> (S- 42* ff ) vermißt man die im Tao-tc-king zentrale

es Abfa|ls vom Tao.

Diese kritischen Anmerkungen sollen den Wert dieses im
Stofflichen ungemein reichhaltigen Buches nicht beeinträchtigen.
Es ist ohne Frage eine bedeutende Leistung, daß hier das weit
verzweigte Gebiet der Religionsgeschichte und die darauf sich
richtende Forschung von zwei Gelehrten in einer in manchen Bereichen
auch die Spezialfragen berücksichtigenden Weise bewältigt
wurde.

Burin Gustav Mcnsching

Lötz, Johannes D„ Professor, S. J.: Meditation im Alltag. Zweite
Auflage von „Meditation / Der Weg nach Innen". Frankfurt/M.:
Verlag Josef Knecht [1959]. 254 S. 8°. Lw. DM 10.80.

Das vorliegende Buch unterscheidet sich von anderen (nicht-
oiristlichen) Meditationsbüchern in mehrfacher Weise wesentlich
: es bietet dem Leser eine klar durchdachte Darlegung, wie sie
nur gegeben werden kann, wenn hinter dieser Praxis eine lange
Geschichte sowie persönliche Erfahrung steht. Der Verfasser
spricht als Jesuit und beruft sich auf die Erfahrungen sowie Anweisungen
des Ignatius von Loyola. Er übersetzt sie aber in die
Geisteslage unserer Zeit.

Man kann sagen, daß der Verf. die theoretischen Voraussetzungen
durchdenkt und erläutert, denen etwa die Praxis der
••Exercitia spiritualia" des Ignatius von Loyola entspricht. Er
tut es als ein Mann, der über die nötigen psychologischen wie
philosophischen Einsichten verfügt. Er erklärt die Grundspannungen
im meditativen Geschehen: das Unpersonale und das
Personale — Passivität und Aktivität — das Übergegenständliche
und das Gegenständliche. Der ganze Fragenkreis des Seelen-
grundes wird ausführlich erörtert, dazu die Einbildungskraft
(wo lesen wir in ev. theol. Literatur etwas Ähnliches?).

Daß Lötz als Kundiger spricht, ersieht man daraus, daß er
ein eigenes Kapitel über die Gefahren der Meditation bringt.
Die erste Auflage erschien gleichzeitig mit dem ersten Meditationsbuch
des Rezensenten (1954). Diese beiden Bücher sind bis
zum heutigen Tag die einzigen geblieben, die — unabhängig von
einander — die Gefahren deutlich in den Blick nehmen und dem
Leser helfen, sie zu bestehen. Ein Meditationsbuch, daß diesen
Dienst versäumt, ist unglaubwürdig. Diese Hilfe leisten kann
einer aber nur aus der Erfahrung eigenen Übens und zureichender
seelischer sowie geistiger und geistlicher Erkenntnis.

Die zweite Auflage bietet den Text der ersten um drei
Kapitel erweitert: Die Grundgestalt der Meditation und ihre
Fehlgestalten - Die Christus-Meditation als Erfüllung des meditativen
Lebens — Wesen des Vollzugs der Meditation; dazu
tritt ein Anhang: Aus dem Schrifttum der letzten Jahre (S. 249
bis 254).

Wer sich ernsthaft mit Meditation abgeben will, kann an
diesem Buch nicht vorübergehen. Er wird allerdings zweierlei
beachten müssen: schon Ignatius unterscheidet nicht scharf
genug zwischen bloßer Konzentration und eigentlicher Meditation
(er nimmt Wollen und Denken bewußt in die Übung mit
hinein). Außerdem sind bei Lötz die Grenzen zwischen dem Gebet
höherer Stufe und der Meditation fließend, aber das ist Absicht
, denn für ihn stellt sich die Meditation, „katholisch gesehen
, wesentlich als innerliches Gebet" dar (S. 249).

Daß ich bei meiner Unterscheidung zwischen Meditation und Gebet
das innerliche Gebet auch kenne, sogar hoch schätze, zeigt eine
kleine Bemerkung in meinem letzten Buch „Anleitung zur Meditation"
(1958), wo ich nach den dort dargelegten vier Stufen der Inncrung als
die unmittelbar darauf folgende das innerliche Gebet nenne (S. 29).

Kiinzclsan FrisoMelzer

Castagnoli. Fcrdinando: Dcdica arcaica lavinate a Castore e
Pollucc.

Studi e Materiali di Storia delle Religioni XXX, 1959 S. 109-117.
G a 11 i n i, Clara: Animali e al di lä.

Studi e Materiali di Storia delle Religioni XXX, 1959 S. 65—81.
L a n t e r n a r i, Vittorio: La festa dei maiali.

Studi e Materiali di Storia delle Religioni XXX, 1959 S. 15—63.
M a r 6 1, Käroly: Homerus expurgans.

Studi e Materiali di Storia delle Religioni XXX, 1959 S. 1 — 13.