Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 10

Spalte:

731-740

Autor/Hrsg.:

Altendorf, Hans-Dietrich

Titel/Untertitel:

Die römischen Apostelgräber 1959

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5

Download Scan:

PDF

731

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 10

732

für, daß durch Sakrament und Wort in diesem Bau und Raum
und an diesem Tisch die besondere Heilsgegenwart Gottes Ereignis
wird (nach P. Brunner). Darin liegt die eigene Gestalt der
Kirche, daß sie in dieser Zeichenhaftigkeit dogmatische Aussage
ist!

Und aller Gottesdienst und alles Bauen zur Ehre des Dreieinigen
Gottes ist ausgerichtet auf die eine Aufgabe, der im Namen
Jesu Christi versammelten Gemeinde glaubhaft und sichtbar
zu machen, daß das Dogma der Kirche repräsentativ und autoritativ
genug ist, um neben der Wortgestalt auch in der B a u -
g e s t a 11 der Kirche vor der Welt gültig ausgesagt zu werden.

Der Baumeister bedarf der Zurüstung und der Hilfe durch
den Theologen, wenn er zum Bau eines Gotteshauses eingesetzt
wird. Diese seine Berufung (Ordination) stellt ihn zugleich mit
seiner Kirche in die Ganzheit des Bekenntnisses und gibt ihm
die Möglichkeit zur Glaubensaussage in allem seinem Tun und
Wirken.

Ihm wird darin deutlich zum Bewußtsein kommen, daß der
Kirchenbau als Bau und Raum nicht da6 Primäre 6ein kann.
Primär ist:

die im Namen Jesu Christi versammelte Gemeinde und
die gottesdienstliche Feier dieser Gemeinde als Gehorsamsakt
und als Begegnung mit ihrem Herrn.

Der Primat von Gemeinde und Präsenz im Kirchenbau gibt
nun auch völlige Freiheit in bezug auf den umhüllenden, bergenden
und tragenden Charakter in baulicher und gestalterischer
Hinsicht.

Gemeinde und Präsenz 6ind beide raumzeugende Phänomene
, und die Geburt des Raumes bedeutet zugleich eine Inkarnation
göttlicher Heilszusage und ihre Darstellung vor der Welt.

Gewiß lassen 6ich die Gedanken baulicher Aussagekraft nun
entfalten bis hin zu den gottesdienstlichen Handlungen, Gebärden
und Formen. Gewiß kann nun nach den „Entsprechungen"
von Liturgie und Bau in allen Einzelheiten gesucht werden. Hier
muß aber gleichzeitig gewarnt werden vor einem vordergründigen
Symbolismus oder vor kurzschlüssigen Rezepten, die aus vorsichtigem
Fragen nur zu leicht gleich Regeln und Gesetze machen.



Der evangelische Kirchenbau nimmt heute eine besondere
Stellung ein, nicht nur unter den Bauten im allgemeinen, sondern
auch und nicht zuletzt in der Reihe der Fragen, die an die Kirche
selber gestellt werden. Noch einmal sei von dem Grenzcharakter
der Kirche und des Kirchenbaues gesagt, daß ihm eine besondere
Ausprägung, eine besondere Gestaltung eignet. Im Bau von Kirchen
liegt eine Konfrontierung zweier Welten und Mächte. An
dieser Begegnungsstelle, an diesem Knotenpunkt, wo die Mächte
einander ablösen und die irdischen Gestaltungen der Kirche zum
Hinweis auf eine andere Welt werden, muß sich eine eigene Form
bilden. Am Ort größter Spannungen ist für den menschlichen
Gcstaltungswillcn immer der Ort seiner größten schöpferischen
Leistungen gewesen.

So sollte der Kirchenbau der Zukunft stehen: im Spannungs-
fcld von Heute und Morgen, von Welt und Kirche, von Zeit und
Ewigkeit, und 60 sollte seine Form diesen Spannungen Rechnung
tragen durch Höchstleistungen architektonischer Gestaltungskraft.
Dann würde der Kirchenbau als bauliche Aussage zugleich eine
dogmatische werden.

Die römischen Aposlelgräber'

Von Hans-Dietrich Altendorf, Tübingen

Die langjährigen Grabungen unter der Peterskirche fanden
ihren ersten Niederschlag in zwei Foliobänden, die am 19. Dezember
1951 dem Auftraggeber, Papst Pius XII., überreicht wurden2
. Sie berichten über die Erforschung des Teils der unter der
Kirche befindlichen heidnischen Nekropole, der dem Papstaltar,
der „Confessio", am nächsten liegt (die amtliche Veröffentlichung
über die ganze Nekropole steht noch aus), und über die Arbeiten
unmittelbar unter der Confessio selbst, die Aufschlüsse über die
Baugeschichte von Kirche und Confessio vor allem für die Zeit
Gregors d. Gr. und Konstantins vermittelten und zur Entdeckung
der Reste eines kleinen Monumentes, einer Aedicula, führten,
die sich als das von dem Römer Gaius zu Anfang des 3. Jhdts.
erwähnte „Tropaion" des Petrus deuten ließ. Sie lehnt 6ich an
eine rot verputzte Mauer an, die unterhalb der Aedicula eine
unterirdische ,,Nische" aufweist, in der Gebeinreste lagen; auf
Grund eines Indizienbeweises schließen E, hier habe das Grab
des Petrus einst gelegen. Diese Mitteilungen haben Zustimmung
und Ablehnung hervorgerufen. In vorliegendem Buche unternimmt
es einer der Mitverfasser von E, den Inhalt des Grabungs-
berichtes „einem breiteren Kreis von Interessenten" (10) in
deutscher Sprache zugänglich zu machen und zugleich auf die in
den Jahren nach der Veröffentlichung erhobene Kritik einzugehen
; er erkennt in mehreren Fällen ihre Berechtigung an,
weicht auch selbst gelegentlich von E ab", lehnt die Kritik jedoch
in allen wesentlichen Punkten als unzutreffend ab.

K. verfährt in der Weise, daß er zunächst die vatikanische
Topographie und die heidnische Nekropole beschreibt (I), dann

^Kirschbaum, Engelbert, S. J.: Die Gräber der Apostcl-

fürsten. Frankfurt/M.: Sdieffler [1957]. 255 S., 66Taf., 57 Zeichnungen,
gr. 8°. 2., neu bearb. Aufl. 1959 256 S , 70 Taf., 60 Zeichnungen. I.w
DM 22.80.

J) B. M. Apollonj-Ghetti, A. Ferma, E. Josi, E. Kirschbaum S. J.,
Esplorazioni sotto la Confessionc di S. Pietro in Vaticano eseguitc
negli anni 1940-1949 (Citta del Vaticano 1951) = E.

3) Abb. 24; S.99 (2.A.100), 110 (2.A.111), 227, Anm. 56
(2. A. 226, Anm. 56), 231, Anm. 44 u. 46 (2. A. 230 f., Anm. 46 u. 49),
240, Anm. 41 (2. A. 241, Anm. 45), 242, Anm. 66 f. (2. A. 243.
Anm. 70 f.).

chronologisch rückläufig von den Arbeiten Konstantins, dem
Tropaion des Gaius und dem unter ihm erschlossenen Petrusgrabe
berichtet (II), auf die Kritik eingeht (III) und dann noch einmal
in chronologischer Reihenfolge die Geschichte des Petrusgrabes
bis zur Zeit Gregors d. Gr. erzählt (IV). An diese sich mit dem
Inhalt von E deckenden Abschnitte schließen 6ich zwei weitere
an: V behandelt die Geschichte der an der Via Ostiense gelegenen
Paulusba6ilika samt ihrer Confessio mit dem Ergebnis, es spreche
alles dafür, „daß die uralte Überlieferung, die unter dem Papstaltar
von St. Paul das Grab des Völkerapostel6 verehrt, zu Recht
besteht, wie in St. Peter" (178. 2. A. 182). VI bespricht die
Schicksale der Gebeine der Apostel und vertritt die Hypothese,
im Jahre 258 habe man wegen der valerianischen Verfolgung
die Köpfe aus den Gräbern an Vatikan und Via Ostiense entfernt
und in der an der alten Via Appia gelegenen, „ad Cata-
cumbas" genannten christlichen Grabanlage geborgen, von V°
sie durch Konstantin wieder zurückgebracht worden seien, und
zwar habe man da6 Petrushaupt in einem Marmorkästchen in der
sog. Graffitimauer neben dem Tropaion beigesetzt. Nach vorübergehender
Aufbewahrung in Altären (8. Jhdt.) und im Lateranpalast
(9. Jhdt.) hätten beide Häupter ihren heutigen Platz im
Ciborium der Lateranbasilika gefunden; die Darstellung der Legende
von der Teilung der Apostelleiber beschließt da6 Buch.

K. hat die nicht leichte Aufgabe, einen komplizierten Sachverhalt
verständlich darzulegen, in m. E. vortrefflicher Weise erfüllt
', und der Verlag hat das Buch glänzend ausstatten lassen,
so daß der Leser aus erster Hand Information empfängt und eine
anschauliche Vorstellung von den Grabungen gewinnt (um der
Lesbarkeit der Darstellung willen sind ein Teil der wissenschaftlichen
Auseinandersetzung und die Belege in einem Anmerkungsanhang
untergebracht). In dieser Hinsicht verdient das Werk
Bewunderung.

Zum Inhalt ist indessen zu sagen: K. bemüht sich in I b<*
IV vergeblich, für die strittigen Punkte die wesentliche Richti?
keit der Aufstellungen von E gegen die datregen erhobene Kritik
zu erweisen, unteT deren Vertretern eT A. von Gerkan UM

«) Dm Wort „Clivus" tollte schon auf S. 38 erklärt werden.