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Ausgabe:

1959

Spalte:

712

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Kaufmann, Arthur

Titel/Untertitel:

Naturrecht und Geschichtlichkeit 1959

Rezensent:

Liermann, Hans

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tragsbewußtsein her. Da er die Norm für die Behandlung im
Leidenden findet, will er sich als Werkzeug verstehen, „im Auftrag
dessen handelnd, was auch das Gemeintsein des Geschöpfes
bestimmt hat. .." (109). „Nicht der Weg des Therapeuten darf
von ausschlaggebender Bedeutung sein, sondern wichtig kann
allein sein, daß der Leidende seinen Weg findet" (9). Der
Theologe anerkennt diese Auffassung, muß jedoch darüber hinaus
zu bedenken geben, daß da6 Gemeintsein des Geschöpfes zuletzt
nur vom Schöpfer her verstanden werden kann. Er muß stets
die kritische Frage stellen, wieweit sich mit der ärztlichen Hilfe
zum individuellen Weg des Leidenden auch der zu seinem eigentlichen
„Heil" verbinden läßt, auf dem die auch einmalige
Bestimmung der Person erst zur Erfüllung gelangen kann. — Es
wird „in dem Symposion deutlich, wann und wo der Seelen-Heilkunde
Grenzen gesetzt sind und die Seelenheil-Kunde der entsprechenden
Theologen notwendig werden" (9). Gerade dadurch,
daß jeder Vertreter seines Faches und Glaubens im Rahmen des
ihm Aussagbaren bleibt, wird die Begegnung fruchtbar. Das Anliegen
des Symposions, einen Beitrag zu einer vielseitigen „dialogischen
Therapie" (9) zu leisten, kann als gelungen bezeichnet
werden.

Leipzig Adelheid Rensch

Glaser, Martha: Das Menschenbild der Psychologie und der christliche
Glaube.

Zeitwende XXX, 1959 S. 324-332.

KIRCHENRECHT

rundfragen einer lutherischen Kirclienverfas-
sung. Berlin: Luth. Verlagshaus [1958]. 45 S. 8° = Colloquium
t>C theologicum. Blätter des Theologischen Konvents der Bekenntnisgemeinschaft
der Evangelisch - Lutherischen Landeskirche Hannovers
H. 1/1958. DM 2.25.

Der Theologische Konvent der Bekenntnisgemeinschaft der
Evangelisch - Lutherischen Landeskirche Hannovers plant die
Herausgabe vgji Heften^_die_in..Jzwangloser Reihenfolge über
wichtige, in derTärideskirche diskutierte Fragen berichten sollen.
Das hier vorliegende Heft 1 behandelt „Grundfragen einer
lutherischen Kirchenverfassung" mit zwei Arbeiten von Kurt
Schmidt-Clausen „Erwägungen zur Reform der Hannoverschen
Kirchenverfassung" und von Paul Fleisch „Vom Sinn des Ver-
fassungsaufbaus unserer Landeskirche". Zwar steht, wie schon
aus den Überschriften der beiden Arbeiten hervorgeht, die Reform
der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Hannovers im Mittelpunkt der Darstellung. Aber es sind doch
zugleich darin manche Gedanken enthalten, die über das besondere
hannoversche landeskirchliche Interesse hinausgehen und
dem kirchenrechtlich interessierten Leser Anregungen allgemeiner
Art geben. Das gilt in dem Aufsatz von Schmidt-Clausen vor
allem von der Art der historischen Darstellung, die in großen
Zügen die Entwicklung von der frühen Kirche bis zum heutigen
Landeskirchentum darstellt. Dabei wird die Kontinuität, auch die
Kontinuität des kanonischen Rechts durch seine Rezeption seit
der Reformationszeit, hervorgehoben. Parochie und Diözese werden
in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet. Dabei kann historische
Kritik am Landeskirchenrum nicht ausbleiben. Nicht seine
Auflösung, aber seine „Entflechtung" zu leistungsfähigeren kirchlichen
Körperschaften, die nicht nur Verwaltungseinheiten, sondern
zugleich Kirche sind, wird in der Form vorsichtig und
zurückhaltend, in der Sache jedoch mit einigen das bisherige
landeskirchliche Recht revolutionierenden Gedankengängen erörtert
. Dabei wird auf der einen Seite die Stärkung der Stellung
der Gemeinde und der in ihr Arbeitenden, also nicht des Pastors
allein, befürwortet, auf der anderen Seite ein stärkeres Hineinwachsen
der Landeskirche in die Evangelisch-Lutherische Kirche
Deutschlands. Beides läuft auf eine langsame Umgestaltung des
in vielen Beziehungen nicht mehr als zeitgemäß empfundenen
Landeskirchenrums hinaus. Das hat in seiner Grundkonzeption
über Hannover hinaus auch Bedeutung für das gesamte deutsche
Landeskirchentum.

Der Aufsatz von Fleisch enthält gleichfalls Reformvorschläge.
die aber nicht so weit gehen wie diejenigen von Schmidt-Clausen.
Er ist mehr retrospektiv eingestellt, zeigt, wie es zu der verhältnismäßig
sehr komplizierten hannoverschen Kirchenverfassung
gekommen ist, und bringt auf dieser wohlabgewogenen Grundlage
Erneuerungsvorschläge. Paul Fleisch, der erfahrene Kenner
des Rechts der hannoverschen Landeskirche, gibt hier ein Stück
neuerer kirchlicher Rechtsgeschichte, die er zum größten Teil
unmittelbar selbst miterlebt hat. So kann er wie kein anderer
auch das feine Gefüge der kirchlichen verfassungsrechtlichen
Organisation im Zusammenspiel der einzelnen Kräfte und Institutionen
darstellen. Auf diese Weise wird den Reformvorschlägen
ein gesicherter verfassungsrechtlicher Boden geschaffen. Fleischs
von der gegebenen Rechtslage ausgehende Methode kann,
wiederum über den hannoverschen Interessenkreis hinaus, als
beispielhaft für die Behandlung kirchlicher Verfassungsreformen
angesehen werden.

Erlangen Hans Liermann

Kaufmann, Arthur, Dr. jur.: Naturrecht und Geschichtlichkeit. Ein
Vortrag. Tübingen: Mohr 1957. 31 S. gr. 8° = Recht und Staat in
Geschichte und Gegenwart. Eine Sammlung von Vorträgen und
Schriften aus dem Gebiet der gesamten Staatswissenschaften, 197.
DM 1.90.

Das Heft gibt einen durch Anmerkungen und Literaturhinweise
ausgebauten Vortrag des Verfassers aus dem jähre 1956
wieder. Es ist, obwohl es rein rechtsphilosophischen Fragen gewidmet
ist, insofern auch für den Theologen von Interesse, als
der Verfasser von einem christlich fundierten Naturrecht ausgeht.
Zugleich wird dabei ein gut orientierender Querschnitt durch das
rechtsphilosophische Denken der Gegenwart gebracht. Wie immer
in der Rechts- und Geistesgeschichte ringen auch zur Zeit
Naturrecht und Rechtspositivismus miteinander. Dazu treten
Strömungen, die, ohne naturrechtlich eingestellt zu sein, mindestens
dem krassen Rechtspositivismus entgegentreten wollen. In
diesem Ringen spielt die Frage nach der Geschichtlichkeit des
Rechts eine ausschlaggebende Rolle. Die geschichtliche Betrachtung
des Rechts hat seit den Tagen der historischen Rechtsschule der
naturrechtlichen Idee Abbruch getan. Denn sie sieht, historisch
eingestellt, allzuleicht das Recht ausschließlich als Produkt seiner
Zeit und seiner Umwelt und relativiert es auf diese Weise. Schon
bei Thomas von Aquino tritt der Widerstreit zwischen geschichtlichem
, das heißt gegebenem positiven Recht, und Naturrecht
auf. Es läßt sich nicht leugnen, daß das Recht im positiven Recht
Realität ist. Aber mit der positiven Norm, die gleichsam den Lcit*
des Rechts darstellt, ist das Recht in seinem Wesen noch nid^
voll erfaßt. Die positive Norm muß auch, wie sich der Verfa#er
ausdrückt, „Rechtswesenheit" enthalten. Denn es kann positiVeS
Unrecht nicht positiviert werden. Wenn das versucht wird, fallcn
Wesen und Existenz des Rechtes auseinander. Auf diese Weis*
sucht der Verfasser einen Brückenschlag zwischen Naturrecht ur>«
Geschichtlichkeit des Rechts. Sie sind sich grundsätzlich ni^
feind, wie es oft den Anschein hat. Das geschichtliche Recht kann
durchaus den naturrechtlichen Maximen offen sein. Es wird au'
diese Weise zum „zeitgerechten Recht".

Erlangen Hans Li c r m a n n

Beintker, Horst: Die Christenheit und das Recht bei Ado'*
Schlatter unter besond. Berücksichtigung des Kirchenrechts. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [1957]. 236 S 8° = Theol. Arbeiten, hrsg-
v. H. Urner, Bd. IV. Hlw. DM 8.80.

B.s Arbeit ist eine theologiegeschichtliche Studie, die „den
evangeliumsgemäßen Realismus Schlattcrs" für die kirchliche und
theologische Situation nutzbar machen „und seine dogmatische,
ethische, praktisch-theologische und kirchenrcchtliche und besonders
rechtssystematische Bedeutung" herausstellen will. Wenn so
die Darstellung im Vordergrund steht, «o ist doch au die Auseinandersetzung
nicht verzichtet. Sie findet sich jeweils an den
betreffenden Stellen, und das letzte Kapitel bringt außerdem CO*
„grundsätzliche Stellungnahme zu Schlatter sowie zum Redi»-
denken der Gegenwart und eine eigene Darlegung des Anliegen
der Theologie bei der Rechtsbildung (speziell im kirchliche
Raum)" (6).