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1959 Nr. 9

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Naturwissenschaft und Theologie

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

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zweiter Linie nennen noch weitere wichtige neu entdeckte Gesetze
: das Isotopengesetz (Soddy) und Kernumwandlungsgesetz
(Rutherford), das Kernspaltungsgesetz von Hahn und das Kernfusionsgesetz
der englischen Forscher, die Quantenmechanik von
Heisenberg und Born und die Wellenmechanik von Schrödinger
sowie die Materiewellen von de Broglie. Das waren ganz ungeheuer
neue Gesetze, vor denen die Entdecker wie Planck zuerst
selbst erschraken. Man 6ollte hier auch nicht mehr von
,Theorien" sprechen, von „Quantentheorie", „Relativitätstheorie
" usw., sondern zum Ausdruck Gesetz übergehen, weil sie
alle unbestritten feststehen und die Physiker nur noch damit zu
tun haben, sie einzuordnen und miteinander in Einklang zu
bringen (z. B. den Indeterminismus Heisenbergs und Borns mit
dem älteren Determinismus, zu dem noch Planck und Einstein
neigten). Im System unsres Verfassers kommt der Zeitfaktor
nicht zu seinem Recht. Charakteristisch dafür ist, daß er ein besonderes
Kapitel dem Raumproblem widmet: „L'Espage." Der
aequivalente Begriff Zeit ist da nur beiläufig erwähnt. Ein moderner
Physiker würde ein Kapitel geschrieben haben: Raum und
Zeit. Man kann also jedenfalls nicht die heutige Physik und
Naturwissenschaft überhaupt so ohne weiteres in Beziehung
setzen zu einem veralteten Weltsystem, das auf überholten
Voraussetzungen beruht. Die Wissenschaft ist weiter gekommen
und hat ein ganz neues Weltbild geschaffen. Aber ich wiederhole
, daß ich die besprochene 6chöne Schrift in ihrer Klarheit und
Geschlossenheit mit Respekt und Freude gelesen habe.

Dresden Arthur Neuberg

Howe, Günter: Das Göttinger Gespräch zwischen Physikern und
Theologen.

Kirche in der Zeit XIII, 1958 S. 411—415.
Neuberg, Arthur: ,,Dic Naturwissenschaft ist mit jeder Religion

vereinbar." Zum 100. Geburtstag Max Plancks.

Die Zeichen der Zeit, 1958 S. 178—179.
Ziener, Georg: Die Welt im Blick des Alten Testaments und der

Wissenschaft.

Trierer Theologische Zeitschrift 1959 S. 46—55.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Cullberg, John: Glaube und Wirklichkeit. Eine Studie zum existentiellen
Glaubensverständnis. Aus d. Schwedischen übers, von Ernst
D e t e r t. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1958]. 108 S. 8°. Lw.
DM 6.80.

In der Vorlesung „Glaube und Wirklichkeit" anläßlich
seiner Ehrenpromotion 1956 durch die Greifswalder Theologische
Fakultät hat der schwedische Bischof seine theologisch-dogmatische
und religionsphilosophische Tätigkeit als Universitätslehrer
, seinen früheren Arbeiten „Religion och vetenskap"
(Religion und Wissenschaft) (1930), „Das Du und die Wirklichkeit
(1933), „Das Problem der religiösen Erkenntnis" (1934)
entsprechend, fortzusetzen gewußt. In der vorliegenden Gestalt
haben wir die weiterausgeführte und von E. Derert ins Deutsche
übertragene Vorlesung vor uns. Als Buch ist es der Theologischen
Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Univcrsität in Greifswald gewidmet
.

Es ist erstaunlich, wie Cullberg es versteht, in knapper Form
und dennoch sehr speziell eindringend, das Zentralproblem der
Theologie wie der Religionsphilosophie als Ganzes zu entfalten:
Das I. Kapitel „Die religiöse Wahrheitsfrage" setzt mit der Frage
„1. Was heißt Religion?", religionsphiiosophisch an Tiele-SödeT-
blom anschließend, ein: „Religion ist die von Glaube und Abhängigkeitsgefühl
bestimmte Beziehung des Menschen zu der
übersinnlichen Macht im Dasein" (10). Bereits hier, wie in den

°'gendcn Abschnitten „Religiöse Haupttypen"; „Der Wahrheits-
|'i"f?rudl d« christlichen Glaubens"; „Der Glaube und die Wirk-

cnK.eitsfrage", ist cs dort''* der Dogmatiker, der mit Hilfe der
igionsphilosophischen und -phänomenologischen Fragestellung
a.e.Gewißheit des christlichen Glaubens gegenüber der Welt der
Keiigionen aufzuweisen vermag. Dazu hernach.

,,,D'^ we'teren Kapitel führen nun „II. Das Problem der Wirklichkeit
; „III. Die Wirklichkeit Gottes"; „IV. Die Wirklichkeit
des Bösen" aus: Für die „Ich-Du"-Struktur wirklichen Glaubens
stellt sich sowohl die Problematik von Subjekt und Objekt
in der Erkenntnis von „transsubjektiver Existenz" (33) (= Wirklichkeit
der Außenwelt), als auch die Problematik der Wirklichkeit
Gottes, in der Gott als ein Du hervortritt (60). Für beide ist
der Gemeinschaftsbegriff konstitutiv. Auch der wissenschaftliche
Wirklichkeitsbegriff kommt an der Ich-Du-Beziehung als „grundlegendem
Faktor" in unserer Wirklichkeitserkenntnis nicht vorbei
(56). „Um den totalen Charakter menschlichen Daseins zu
verstehen, muß man mit zwei Wirklichkeitsaspekten rechnen",
dem der dritten Person, Betrachtung der Sinnenwelt, auch eines
Menschen, als sachlich gegebenes Objekt, und dem der zweiten
Person, der persönlichen Gemeinschaft (57). „Auch das Du-Be-
wußtsein gibt Wirklichkeitserkenntnis" (58). Dieser zweite, sehr
wichtige Aspekt ist der Ausgangspunkt für die Erörterung der
religiösen Wirklichkeitsfrage. Der Glaube ist eine charakteristische
Ich-Du-Beziehung (60). Cullberg untersucht, wie bzw. inwieweit
eine „prinzipielle Linie von dem menschlichen zu dem göttlichen
Du gezogen werden kann" (ebd). Das „Niemand hat Gott je gesehen
" (Joh. 1,18) bezeugt ja die Grenze zu Gott als jenseits
von Raum und Zeit. Aber darin liegt die Besonderheit der Offenbarung
als Inkarnation. Das „gedankenmäßig unlösliche Problem
(ist) schon durch ein faktisches Eingreifen Gottes gelöst" (66).
Bedenklicher stimmt die hieran angeschlossene These von der
„Weiterführung der Bauarbeiten". — Gewiß ist die Einmaligkeit
der Inkarnation dadurch nicht angetastet, wenn Cullberg fortfährt
: „Die Fortsetzung der Offenbarung ist der im Wort und in
der Kirche durch alle Zeiten lebendige Christus" (ebd.); aber
gegenüber der Einmaligkeit der Offenbarung Gottes in Christus
w,rd besser nicht von weitergehendem Offenbarungsgeschehen
gesprochen. Das Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch herstellende
„Gott ward Fleisch" (Joh. 1, 1. 14) sprengt ja Raum
und Zeit und ist insofern immer bei seiner Welt auch als ein Du,
worauf es Cullberg entscheidend ankommt.

Die Welt erfährt mit Christus „Gott als Du" (68). Das ergibt
, wie Cullberg in recht anschaulichen Diagrammen zeigt, für
das menschliche Ich auch die Möglichkeit, „seinem Mitmenschen
als einem Du zu begegnen" (68). - Freilich schließt das an Gegenwartsgedanken
in der Theologie an - denken wir an die Theologie
Barths zum Thema „Mitmenschlichkeit"! Aber Cullberg,
der mit seinem Ansatz ja keine Nähe zu Barth sucht, müßte hier
deutlich machen, inwiefern sich für anderes Menschentum die
Kategorie des „Du" nicht anwenden lassen soll. „Die Kirche als
die Gemeinschaft der Heiligen (die .unsichtbare' Kirche) ist nichts
anderes als die durch Christus-Agape (den Heiligen Geist) inspirierte
Ich-Du-Beziehung inmitten der selbstsüchtigen Menschenwelt
" (ebd.): das klingt im Blick auf erfahrbare Wirklichkeit von
Du-Begcgnungen in der Welt zu exklusiv. Deutlicher kommt das
Anliegen in dem Kapitel über die Wirklichkeit des Bösen heraus.
Man vollzieht es auch leichter mit, insofern die „die Ich-Du-Beziehung
zerstörende Sünde" (99) der „dramatische Hintergrund"
allen geschichtlichen Geschehens genannt wird.

Cullbergs recht anschaulich abgefaßte Arbeit ist ein Beitrag
zum Thema der Offenbarung gegenüber der Welt der Religion.
Das Thema dürfte in Zukunft noch aktueller durch die zunehmende
Begegnung mit anderen Religionen werden, und cs
wird sich die religionsphilosophische Klärung empfehlen. Wertvoll
ist vor allem auch, daß die verschiedenen religiösen Typen,
die aufgezeigt werden, „nicht ohne weiteres mit den historisch
vorliegenden Religionsformen zusammenfallen". Es handle sich
vielmehr um Strukturen, die sehr wohl in einer und derselben
Religion auftreten können, ja, auch bei ein und demselben Menschen
(16). Die Religion der dritten Person (Bindung an ein geheimnisvolles
Etwas), wie die Religion der ersten Person, die in
der Kontemplation und Ekstase gipfelt (Unio Mystica), beide
verfehlen die Wirklichkeit der „Anredbarkcit Gottes" (Buber).
Die personale Beziehung zu Gott und ihre Konsequenzen für den
„Wahrheitsbegriff der Lehre (der Dogmen)" (68 ff.) und für die
„Auffassung vom Kultus" (78 ff.) hat Cullberg treffend dargelegt
. Man begrüßt es, die Zusammenhänge vom offenbaren und
verborgenen Gott in der Perspektive von Glaube und Wirklichkeit
erläutert zu finden: Nicht der Deus absconditus als „die