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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

694-695

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Die Bibel im deutschen Gedicht des 20. Jahrhunderts 1959

Rezensent:

Zimmermann, Jutta

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

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trachten anregen. Das Bildmaterial entstammt dem bekannten
Ikonenmuseum in Recklinghausen. Die Einführungen und Erklärungen
der einzelnen Verfasser zu den Ikonen sind angenehm
sachlich und entbehren jeglicher Emotion. Kritisches vermag ich
insofern kaum etwas zu sagen, da die Verf. durch den Umfang
der Bändchen eingeschränkt waren, was sie aber wiederum zwang,
den Leser nur mit dem Notwendigsten vertraut zu machen. Daß
dabei oft die Problematik von Legende, Vita und Historie etwas
zu kurz kommt, möchte ich nur am Rande vermerken. Hier einige
wenige Bemerkungen: Bd. 1, S. 3 der Einleitung: Mit Ps 45
wird eine Nebenform des Deisus, „Car Carem", näher gekennzeichnet
, s. auch Einleitung Bd. 2/ S. 10. Bd. 7, S. 9 muß es statt
,,Präfektionsgebet" wohl „Präfationsgebet" heißen. Des Pseudo-
Dionysios „Mystizismus", S. 10, halte ich eher für einen starken
Intellektualismus. Aber diese und vielleicht noch andere Bemerkungen
wollen in keiner Weise das Dankenswerte des ganzen
Unternehmens beeinträchtigen. Nur die Schärfe und Wiedergabe
der Ikonen läßt noch sehr zu wünschen übrig.

Halle/Saale Konrad Onasch

Kehnscherper, Günther: Michael. Geist und Gestalt. Ein Zeugnis
christlicher Frömmigkeit aus 15 Jh. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1957]. 75 S., 41 Abb., 1 Kte. 8°. DM 3.20.

Das vorliegende Büchlein besteht aus 2 Teilen: einem grundsätzlichen
(im Umfang von 30 Seiten), und einem illustrativen (mit 42 ganzseitigen
Darstellungen des Erzengels Michael bzw. verschiedener Michaelskirchen
). Die Einleitung ist stark mit profan- bzw. kirchengeschichtlichen
Darlegungen belastet, die für eine sachliche Beschäftigung mit dem an
sidi ebenso wichtigen wie interessanten Thema verhältnismäßig unergiebig
sind. Dadurch geht sehr viel von dem schon knapp bemessenen
Raum für grundsätzliche Ausführungen verloren. Es ist sehr zu bedauern,
daß die „Diskussion über Engel und Teufel" (S. 7) überhaupt gar nicht
in Erscheinung tritt, wo wir doch ohne eine neue grundsätzliche und
biblisch orientierte Besinnung über die Glaubwürdigkeit der Engel
keinen Schritt weiter kommen. Die Frage (S. 7) „welche Wirklichkeiten
und Mächte stehen hinter dieser biblischen Botschaft?", wird gerade
noch gestellt, aber mehr nicht. — Der Verfasser spricht zum Schluß der
Einleitung (S. 31) von der „großen Wandlung im Michaelsgeist seit der
Reformation", geht aber auf dieses Problem nicht näher ein. Das Büchlein
kann den oder jenen Leser zu einer neuen, dann aber ganz anders
zu vertiefenden Beschäftigung mit der Gestalt des Erzengels Michael
veranlassen, wozu der an sich wohlgelungcne zweite, bildliche Teil das
«einige beitragen wird. Hier sind einige, sachlich aufschlußreiche und
kunstgeschichtlich bemerkenswerte, auch selten zu findende Darstellungen
Michaels von nicht zu unterschätzendem Werte. — Das Büchlein ist
buchtechnisch hervorragend gut ausgestattet.

Berlin Roland Buhre

LITERATURGESCHICHTE
UND CHRISTLICHE DICHTUNG

Büse, Kunigunde, Dr.: Das Marienbild in der deutschen Barockdichtung
. Dusseldorf: Triltsch 1956. 21 1 S. 8°. DM 8.50

Wenn es der Verfasserin, wie der Titel der Arbeit sagt,
um das Marienbild in der deutschen Barockdichtung geht,
so bedeutet das hier, daß eine inhaltliche Frage den Ansatz der
Untersuchung bildet. Es muß dies betont werden, weil in der
modernen Literaturwissenschaft „Bild" in verschiedenem Sinn
verwendet wird; das „dichterische Bild" - oft einfach nur als
»das Bild" bezeichnet - unterscheidet sich von der unmittelbaren
Wiedergabc eines Tatbestandes, für die im deutschen
Sprachgebrauch gleichfalls das Wort Bild erscheint. K. Büse
v«wcndet das Wort, wie heute allgemein üblich, in mehrerlei
binn.

, Recr|t betrachtet K. Büse die barocke Mariendichtung

st d °gischc Dichtung. Der überlieferte mariologische Stoff
und 'Ir uUndlage ihrer sprachlich-künstlerischen Gestaltung
una g Dt ,hr zugleich Sinn und Ziel; sie dient im Geiste Marias

Vli A 1,46) der Ehre und Verherrlichung Gottes. Ihre
Vollendung erreicht sie dort, wo sie aus einer Marienvcrehrung

erwächst und wo in der künstlerischen Gestalt der theologische
Gehalt unmittelbar lebt. Höhepunkte solcher Art stellt
die Mariendichtung Schettlers, Gryphius', Opitz', Klajs und die
neulateinische Mariendichtung Baldes dar: Form, Stoff und geistige
Substanz, Anliegen des Dichters und objektive Lehre verbinden
sich zu in sich verschmolzener Einheit.

Der von Büse gewählte, der Sache angemessene Standpunkt
ermöglicht eine Aufgliederung des Materials, bei der sich
gattungsmäßige wie inhaltliche Maßstäbe entsprechen, denn die
Stilgattungen der Mariendichtung erwachsen aus bestimmten
weltanschaulich bedingten Sehweisen. Den süddeutschen katholischen
Lieddichtern wird das Marienbild der Virgo saneta zum
Ziel ihrer Verehrung wie ihres Tugendstrebens. Mit den Mitteln
der überkommenen Marienembleme machen sie es gleichnishaft
sichtbar und lassen es seelsorgerlichen Zwecken dienen. Die
Kunstdichrung der Protestanten betrachtet das Marienbild der
Mater Dei in seiner Heilsbedcutung und als Gegenstand subjektiven
Heilsverlangens, während die neulateinische Jesuitendichtung
das Marienbild der Regina coeli verherrlicht. Eine
Sonderstellung nimmt die Mariendichtung Schettlers ein, indem
sie vom Einfluß der Mystik geprägt ist und sich zugleich den
Formen der neulateinischen Jesuitendichtung anpaßt. In allen
Fällen ist das Marienbild Gegenbild zum Irdischen, zur Nichtigkeit
und Verlorenheit der Welt und bedeutet Hilfe auf dem
Wege des Menschen zu Rettung und Heil.

Verschiedenartigkeit und Reichtum der Mariendichtung im
!7. Jahrhundert veranschaulicht die Textsammlung im Anhang
der Untersuchung, die zum Teil sehr seltene Marienlicder bringt.
Die vielfach ausgezeichneten Interpretationen innerhalb der Darstellung
sind sowohl für das besondere Thema der Mariendichtung
, das bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung
wurde, aufschlußreich und wertvoll wie im Hinblick auf
die gesamte religiöse Barockdichtung.

Greifswald Hildegard Em mel

Die Bibel im deutschen Gedicht des 20. Jahrhunderts. Auswahl und
Nachwort von Hermann Hakel. Basel-Stuttgart: Benno Schwabe
[1958]. 163 S. 8° = Sammlung Klosterberg N. F., hrsg. v. Julius
Schwabe. Kart. sfr. 5.25.

Der in Lanzendorf bei Wien lebende Dichter Hermann Hakel
legt eine Auswahl von 120 Gedichten vor, die biblische Stoffe
gestalten. Genau die Hälfte von ihnen nimmt alttestamentliche
Themen auf, die andere neutestamentliche. Die Ordnung der Gedichte
entspricht der biblischen heilsgeschichtlichen Linie. „Wie
einfach und sinnfällig ist es . .., mit ,Am Anfang .. .' zu beginnen
und mit ,Amen' zu enden. Zwischen Anfang und Amen
der Bibel geschieht alles, was Menschen geschehen kann," sagt
Hakel in seinem Nachwort (S. 147).

In dem Sammelband kommen 69 Dichter zu Wort, von denen
etwa die Hälfte zur lebenden Generation gehört. Von keinem
Dichter hat der Herausgeber allerdings so viele Gedichte
ausgewählt wie von Rilke (Der Tod Moses, Josuas Landtag, Saul
unter den Propheten, Samuels Erscheinung vor Saul; Auferwek-
kung des Lazarus, Kreuzigung, Clrristi Höllenfahrt). Hier liegt
zugleich ein Hinweis auf die sehr verschiedenartigen Dichter,
denen der Leser begegnet. Neben Rilke und George trifft er
Hesse und Benn; Brecht ist ebenso vertreten wie Buber und Wer-
fel, und die einem solchen Band in besonderer Weise zugehörenden
Dichter wie Huch, Schröder, Stehmann, Bergengruen findet
der Leser — natürlich - auch. Aus ihrem Werk bietet Hakel eine
zum Teil sehr weise abgewogene Wahl. Im ganzen ist der Kreis
der genuin christlichen Dichter wohl zu eng gehalten, z. B. fehlen
Hausmann, Klepper, Pötzsch. Ausgeglichen wird dieser
Mangel durch Dichterstimmen, die bisher wenig bekannt geworden
sind wie die von Peter Hüchel, Wilhelm Klemm, Gertrud
Kolmar. Mit diesen Veröffentlichungen hat sich Hakel ein großes
Verdienst erworben. Vielleicht hätte dieser Chor noch mehr Verstärkung
erfahren können, und wenn es auf Kosten der schon
mehrfach publizierten Gedichte von Rilke, George u. a. hätte
geschehen müssen. Aber — eine Auswahl wird immer Wünsche
offen lassen, auch wenn sich der Herausgeber so sehr um Objektivität
bemüht wie Hakel (vgl. S. 147 f.).