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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

683-684

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Heintze, Gerhard

Titel/Untertitel:

Luthers Predigt von Gesetz und Evangelium 1959

Rezensent:

Ivarsson, Henrik

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683

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

684

Toner, N.: The doctrine of justification according to Augustine of

Rome (Favaroni) (f 1443) (continuation and end).

Augustiniana VIII, 1958 S. 497—515.
Trapp, D.: Gregory of Rimini Manuscripts, Editions and Addition6.

Augustiniana VIII, 1958 S. 425-443.
Wenskus, R.: Zu einigen päpstlichen Legationen nach Böhmen und

Mähren im 12. Jahrhundert.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXX, 1959 S. 141—146.
Ypma, E.: L'acquisition du couvent parisien de6 Sachets par les Augu-
stins.

Augustiniana IX, 1959 S. 105-117.
Zumkeller, A.: Zur Frühgeschichte der Augustiner in Deutschland.
Augustiniana IX, 1959 S. 93-104.

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATION UND GEGENREFORMATION

H e i n t z c, Gerhard: Luthers Predigt von Gesetz und Evangelium.

München: Kaiser 1958. 291 S. gr. 8° = Forschungen zur Geschichte
und Lehre des Protestantismus, hrsg. v. Ernst Wolf, 10. Reihe, Bd. XI.
DM 13.50; Lw. DM 15.80.

Die Wahl des Thema6 dieser Untersuchung ist vor allem
bedingt durch die lebhafte Erörterung der Reihenfolge von Gesetz
und Evangelium, aktualisiert in erster Linie durch die Theologie
Karl Barths. Dabei interessiert sich Heintze vorwiegend für
die Predigt Luthers. Die entscheidende Frage ist ihm nicht,
wa6 Luther in dieser Sache gelehrt hat, sondern, wie er rein
praktisch Gesetz und Evangelium gepredigt hat. Ohne
Zweifel kann dies eine berechtigte Fragestellung sein. Die
Praxis hat oft die Neigung, die Theorien zu korrigieren.

Der Verfasser beginnt mit einer Übersicht über die verschiedenen
Standpunkte zu der Reihenfolge von Gesetz und
Evangelium. Er gibt auch eine — nicht ganz aktuelle — Übersicht
über die Behandlung dieses Problems in der Literatur zu Luthers
Predigt. Darauf folgt eine Erörterung von Luthers prinzipiellen
Äußerungen über die Predigt von Gesetz und Evangelium. Der
Verfasser stößt dabei auf zwei Thesen Luthers, l. Die Predigt
des Evangeliums schließt eine Offenbarung der Sünde in sich.
2. Die Verkündigung des Gesetzes muß um jeden Preis beibehalten
werden, und zwar zur Erhaltung des äußeren Friedens wie zur
Weckung der Sündenerkenntnis. Insonderheit der „ältere" Luther
bietet ein Übermaß von Belegen für die Notwendigkeit der
zweiten These. Die Predigt des Gesetzes muß der des Evangeliums
vorausgehen.

Nach dieser Übersicht geht der Verfasser auf Luthers praktisches
Verhalten in der Verkündigung ein: in der Predigt über
den Dekalog, über die Bergpredigt, über das Liebesgebot und über
die Passionsgeschichte. Auch hier findet er prinzipielle Äußerungen
, die die Reihenfolge Gesetz-Evangelium stützen. Aber in
der Praxis richtet sich Luther nicht nach diesen Prinzipien.
Das Evangelium ist bei der Verkündigung der Gebote ständig
vorausgesetzt. Das erste Gebot gibt das Evangelium in der Form
des Gesetzes. Von diesem Gebot her werden die übrigen Gebote
ausgelegt. Die Bergpredigt hat in der Lutherechen Verkündigung
größtenteils paränetischen Charakter. Die Predigt über die
Leidensgeschichte zeigt deutlich, daß die Tiefe der Sünde durch
das Evangelium offenbart wird. In diesem Zusammenhang spricht
Luther überhaupt kaum vom Gesetz.

Heintze kann daher seine Untersuchung folgendermaßen
zusammenfassen: Der Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium
spielt in der Predigt Luthers keine größere Rolle. Wir begegnen
hier einem Ineinander von Gesetz und Evangelium. In
erster Linie kommt die Sündenerkenntnis aus der Verkündigung
des Evangeliums. Es bleibt eine Spannung zwischen Luthers praktischem
Vorgehen und seinen Theorien. Die letzteren gibt er bei
der Konfrontation mit den konkreten Texten glücklicherweise
auf. Nach Heintze ist die Intention, die hinter Luthers prinzipiellen
Aussagen (über die geistliche Aufgabe des Gesetzes)
steckt, die, dem dialektischen Handeln Gottes gerecht zu werden:
durch Tod zum Leben, durch Gericht zur Gnade. Daher hat man
Anlaß, denjenigen Theologen bis zu einem gewissen Grade teilweise
recht zu geben, die an Karl Barth wegen seiner Tendenz
zur Auflösung dieser Spannung Kritik geübt haben. Aber das
dialektische Handeln ist allein Gott vorbehalten und darf nicht
zu einer Predigt m e t h o d e erniedrigt werden, die das Schema
Gesetz-Evangelium als Schablone behandelt.

Der Verfasser hat reichliches Material angeführt und deutlich
gezeigt, wie kompliziert und nuanciert das Verhältnis von
Gesetz und Evangelium sich in der Theologie Luthers darstellt.
Dennoch entzieht man sich kaum dem Eindruck, daß er etwas
einseitig gegen eine vereinfachte Auffassung de6 Verhältnisses
von Gesetz und Evangelium polemisiert. Ist es so erstaunlich,
wenn uns in Luthers Predigt das Gesetz nicht immer direkt begegnet
? Ist es nicht gleichwohl vorausgesetzt? Das Gesetz
wird nach Luther überall verkündigt: es ist jedem Menschen
ins Herz geschrieben, es ist verkörpert in den Berufen und Ständen
des weltlichen Regiments, außerdem ist der Mensch durch
die Wirksamkeit der falschen Prediger in Gesetzen und Forderungen
gefangen. Dies ist eine Voraussetzung, welche die prinzipiellen
Aussagen Luthers besser mit seiner faktischen Predigt in
Einklang bringt, als Heintze vermutet. Dieser scheint überhaupt
die Rolle de6 natürlichen Gesetzes als Voraussetzung der Luther-
schen Verkündigung allzusehr übersehen zu haben.

Dies hindert nicht, daß das Gesetz auch verkündigt
werden muß, um dem Evangelium den Weg zu bereiten. Daß dies
jedoch auch in Luthers Gemeindepredigt deutlich zum Ausdruck
kommt, wird in Heintzes Buch sicher zu wenig betont. Luthers
sehr merkbare Tendenz, die „Unbußfertigen und Harten" vom
Anteil an der Verkündigung des Evangeliums auszuschließen
— das, was Ebeling „die Einschränkung des Hörerkreises" genannt
hat —, tritt ebenfalls zu 6tark in den Hintergrund. Das
Evangelium soll vom Prediger an diejenigen adressiert werden,
die „vom Gesetz getroffen" worden sind, nicht an andere. Für
diesen Satz gibt es bei Luther reichliche Belege sowohl prinzipieller
wie praktischer Art. Er deutet auch hin auf die Aufgabe des
Gesetzes, das Werk des Evangeliums vorzubereiten.

Hat man dies zum Ausgangspunkt, so braucht es gleichwohl
nicht wunderzunehmen, daß erst das Evangelium dem Sündenbewußtsein
die rechte Tiefe gibt. Aber die Sünde bedarf der Aufdeckung
sowohl durch das Gesetz wie durch das Evangelium.
Wenn das eine auf Kosten des anderen getrieben wird, protestiert
Luther. Und es ist zu fragen, ob sich Heintze nicht gerade dessen
schuldig gemacht hat. In diesem Falle wäre der Grund in der geringen
Hervorhebung des dualistischen, antagonistischen Motive«
der Lutherschen Theologie und Predigt zu suchen. Wegen des
Widerstandes, auf den die Verkündigung stößt, bedarf es verschiedener
Mittel zum Zerbrechen der Selbstgerechtigkeit
. Ebenso muß das Evangelium durch verschiedene Mittel
verkündigt werden: — Predigt, Taufe, Abendmahl, Beichte —, um
Glauben zu schaffen. Auch zur Hervorbringung guter
Werke bedarf e6 einer Vielfalt von Mitteln: des Zwanges durch
das weltliche Regiment, der Gesetzespredigt und der paränetischen
Verkündigung kraft des Evangeliums.

Stockholm Henrik I t t r s so n

Thulin, Oskar: Martin Luther. Sein Leben in Bildern und Zeitdokumenten
. München-Berlin: Deutscher Kunstverlag [1958]. 115 S. mit
Abb., 70Taf., 1 färb. Taf. 4°. Lw. DM 17.-.

Der langjährige Direktor der Wittenberger Lutherhalle leg*
in der Reihe „Lebenswege in Bildern" einen Band vor, der
Martin Luther in Bildern und Zeitdokumenten behandelt. Zunächst
gibt Th. unter zusammenfassenden Überschriften, die di«
großen Abschnitte im Leben des Reformators kennzeichnen, Auszüge
aus seinen Briefen, denen seiner Freunde und Gegner, Zitate
aus ihren Schriften, aus päpstlichen Bullen, bischöflichen und
landesherrlichen Instruktionen und Erlassen, Auszüge aus Vorlesungen
, Predigten, Protokollen und Tagebüchern. Hierdurch
erhält der Leser einen guten Einblick in das dramatische Leben
Luthers, in seine Arbeit, seine Kämpfe und auch seine Hiius'ldlu
keit. Daß eine Auswahl in der hier gebotenen Kürze - noch daz
bei einem Mann wie Luther - immer fragmentarisch bleiben mu -