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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

677-678

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Seibel, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius 1959

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

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stantischen Quellen sehr sparsam verfährt, Calvin erscheint überhaupt
nur durch Anführung eines zustimmenden Briefes Melan-
chthons zur Verbrennung Servets. Die jüngste evangelische
Kirchengeschichte wird mit der Barmer Erklärung und dem Stuttgarter
Schuldbekenntnis belegt. Sonst ist der Aufbau des Ganzen
pädagogisch geschickt. Bei den Quellenbelegen hätte auf die
wissenschaftlichen Editionen stärker zurückgegriffen werden
können, z. B. sollte man Quellenstücke nicht nach populären
Darstellungen zitieren, wie nach Peter Bamms an sich entzückenden
Reisebericht über die „Frühen Stätten der Christenheit
", Abälard nicht nach Walter Niggs Buch über die Ketzer,
U6w. Manche Quellenorte sind auch unzulänglich zitiert, so etwa
die „Kanossa-Rede Bismarcks": hier fehlt die Angabe des Bandes
der Friedrichsruher Ausgabe, um die es sich offenbar handelt,
wenn „Die gesammelten Werke" angeführt werden.

Berlin Karl Kupisch

M u ra 11, Leonhard von: Die Landeskirche des Kantons Zürich im
Wandel der Zeiten.
Zwingliana XI, 1959 S. 47—56.

R o g g e, Joachim: Die Kirchengeschichte — eine Hilfe zur Verkündigung
?

Die Zeichen der Zeit 1959 S. 170—177.
Walt her, Christian: Zur Struktur der Dogmenkritik in der neueren
protestantischen Dogmengeschichtsschreibung, ihrer inneren Begründung
und Absicht.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXX, 1959 S. 89— Iii.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Seibel, Wolfgang, S. J.: Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius.
München: Karl Zink in Komm. 1958. XIV, 206 S. gr. 8° = Münchener
Theologische Studien, i. Auftr. der Theologischen Fakultät
hrsg. v. J. Pascher, K. Mörsdorf, H. Tüchle. II. Systematische Abt.
14. Bd. DM 18.-.

Diese solide, von Otto F a 11 e r angeregte Arbeit bringt
eine systematisch ordnende Übersicht über den gesamten anthropologischen
Vorstellungskreis des Ambrosius. Die klare und übersichtliche
Wiedergabe vermeidet die naheliegende Gefahr einer
Überschätzung oder Überinterpretation. Die Disparatheit der bei
Ambrosius zusammenlaufenden Traditionen wird richtig gesehen
und hervorgehoben, ihre Vorgeschichte jeweils in dankenswerter
Weise geklärt. Ambrosius ist als Abendländer gerade an der
Anthropologie persönlich interessiert; die Art, wie er die Probleme
aufgreift und — nicht immer einheitlich — zu lösen sucht,
ist darum keineswegs uninteressant. Da die Untersuchung heilsgeschichtlich
angelegt ist, das Verhältnis von Fleisch und Geist
für den Urständ, nach dem Fall und für die Christen also getrennt
behandelt ist, wird man auch mit einem gut Teil der ambrosia-
nischen Erlösungslehre bekannt gemacht.

Aufs Ganze gesehen bestätigt sich erneut die durchgehende
starke Abhängigkeit von Origenes und noch mehr von Philo von
Alexandrien. Die gnostisierende Betonung der „Seele" als der
eigentlich bestimmenden, personbildenden Größe, der starke Gegensatz
, in dem sie durch ihr höheres, geistiges Wesen zum Leib
und seinen Trieben steht, wird bei Ambrosius durch eine gewisse
antimanichäische, auch den Leib bejahende Tendenz immer wieder
durchkreuzt. In seinen psychologischen Begriffen, in der Vorstellung
von den „Teilen" der Seele usw. folgt er im allgemeinen
der stoischen Tradition; doch finden sich gelegentlich auch platoni-
6ierende Abweichungen. Theologisch ist die Tendenz zur „ganzheitlichen
" Beurteilung beachtenswert: der Mensch erscheint je
"ach seiner religiösen Grundhaltung ganz als fleischlich oder als
geistlich. Die durch Courcelles Arbeiten nahegelegte Frage,
wieweit hier neben dem offenkundigen Einfluß der Bibel und
speziell des Paulus auch neuplatonische Wirkungen im Spiel sein
konnten, wird nicht gestellt.

Auf Einzelheiten wie die Übernahme und Umbildung der
philonischen Vorstellung von den zwei Urmenschen, die eigentümliche
Bewertung des „natürlichen" Todes und dergleichen soll
nicht eingegangen werden. Der Verf. verhört Ambrosius auch auf
das Verhältnis der sogenannten natürlichen zur übernatürlichen

Gottebenbildlichkeit. Er bemerkt richtig, daß Ambrosius diese
scholastische Unterscheidung im Grunde nicht kennt, sondern
natürliche und übernatürliche Gottebenbildlichkeit vielmehr „in
einem" sieht, aber Folgerungen allgemeiner Art werden daraus
nicht gezogen.

Nur dort, wo marianische Fragen ins Spiel kommen, verliert der
referierende Bericht seine wohltuende Exaktheit. Bs ist irreführend, die
von Ambrosius stets äußerst massiv betonte Jungfräulichkeit Mariens
in einer Weise zu umschreiben, als wäre Maria für ihn überhaupt „von
irdischen Fehlern und Makeln unberührt" geblieben (nur expos.
Luc. io, 42 könnte etwas Derartiges anklingen). Was vollends auf
S. 193 über die Beziehung der Einzelseele zum „Schöße Mariens" und
über „das Geheimnis des inneren Menschen" als „das Geheimnis der
rnarianischen Innerlichkeit" gesagt wird, ist eine willkürliche Modernisierung
, die durch allegorische Verknüpfungen, wie sie Ambrosius
u l' 6cn'ccftterdings nicht gerechtfertigt wird. Übrigens ist auch das
Harnack-Zitat auf S. 149 in inkorrekter Weise verändert.

Man kann das vorliegende Buch als eine spezielle Fortführung
von Heinrich K a r p p s bekannten Studien zur alt-
chnstlichen Anthropologie des 3. Jahrhunderts betrachten. Vom
Standpunkt der allgemeinen Lehrentwicklung beurteilt, sind die
lombrosianischen Äußerungen über den Menschen nicht besonders
folgenreich gewesen: es fehlte ihnen an Geschlossenheit und
systematischer Energie. Aber für seine persönliche Denk- und
Predigtwei6e sind sie aufschlußreich; wer sich mit Ambrosius
beschäftigt, wird diese neue Untersuchung gern und dankbar
heranziehen.

Heidelberg H. t. Campenhausen

[Augustinus:] Des Heiligen Augustinus Bekenntnisse. Lateinisch-
Deutsch. Übertragen und eingeleit. v. Hubert Schiel. 6. Aufl. Freiburg
: Herder [1959]. XLVII, je 401 S. Lat. u. Deutsch, S. 403-411:
Nachwort. 8°. Lw. DM 28.-.

Die vorliegende zweisprachige Ausgabe war vom Verf., wie
er im Nachwort betont, bereits 1947 geplant, konnte aber erst
jetzt herauskommen. Die Übersetzung allein hat jedoch schon
5 Auflagen erlebt, was gewiß für sich spricht. Es ist um so erfreulicher
, daß jetzt das Ganze, zumal in einer so hübschen Ausstattung
, vorgelegt wird.

Der Text folgt im wesentlichen der von Pius Knöll besorgten
CSEL-Ausgabe, ist jedoch teilweise nach der Ausgabe von Labriolle
revidiert. In der Übersetzung folgt Sch., soweit ich durch Nachprüfung
feststellen kann, im allgemeinen den sehr beachtenswerten
Grundsätzen, die er im Nachwort innerhalb einer Auseinandersetzung
mit den verschiedensten früheren Übersetzungen
und Übersetzern der „Bekenntnisse" entwickelt. Sch. erstrebt die
-Treue im Kleinen', er versucht, den Wortlaut Augiostins möglichst
unter .Wahrung des Satzbaues, des Rhythmus und der
Wortstellung' wiederzugeben, und ich kann nur sagen, daß das
Vorliegende ihm recht gibt. Er bemüht sich so insbesondere,
Augustin bis in die oft widerspruchsvollen Bilder und Vorstellungen
hinein wiederzugeben und verständlich zu machen; freilich
setzt dies schon anspruchsvolle Leser voraus, die neben der
Gedankenfülle und -tiefe auch den Sprachgeist des Kirchenvaters
verfolgen wollen, denen es also nicht im Sinne einer schnellen
Aneignung um eine flüssige Übersetzung geht.

Auch die Einführung ist recht lesenswert, wenngleich sie
manche Willkürlichkeiten enthält und den Verf. nicht immer auf
dem letzten Stand der Forschung zeigt. Woher will er z. B. wissen
, daß Augustins Mutter Monnica (er schreibt noch Monika)
Punierin (XXIV) war? Besonders nach den Ermittlungen von
Frend (The Donatist Church, Oxford 1952, S. 230) wird man
jetzt viel mehr an eine berberische Herkunft des Kirchenvaters,
besonders von der Mutter her, denken müssen. Wieso erscheint
Augustinus einmal als zweitgeborener (XXIV) und ein anderes
Mal als erstgeborener (XLIV) Sohn? Im Hinblick auf den Bildungsgang
Augustins und seiner Zeitgenossen hat Marrou manches
Neue sagen können, was hier hätte berücksichtigt werden
sollen (XXIV ff.). Die Ausführungen zu Augustins Sündenbewußtsein
und seiner oder 6eine Mutter .Heiligkeit' sind interessant
, regen aber auch sehr zum Widerspruch an; hier übersteigert
6ich m. E. oft die katholische Sichtweise des Verfs. (Frage
des Entwicklungsganges und des .Geheimnisses der Heiligkeit'