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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

676-677

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Läpple, Alfred

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte in Dokumenten 1959

Rezensent:

Kupisch, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

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Beide Bände ergänzen sich durch ständige Verweise gegenseitig.
Eine Anzahl Register bieten eine weitere praktische Hilfe. Natürlich
könnte man bei einem Werke dieser Art mancherlei Wünsche
anmelden, was fehlt oder was, nach Meinung des Rezensenten,
entbehrlich gewesen wäre. Aber das mag ebenso unterbleiben
wie Hinweise auf kleinere Versehen oder Druckfehler, die, aufs
Ganze gesehen, unerheblich sind. Verständnis wird man auch dafür
haben, daß die Literaturangaben jeweils nur knapp gehalten
sind, und da die Bände in über einen längeren Zeitraum verteilten
Einzellieferungen erschienen sind, mußten auch endredaktionelle
Nachträge der inzwischen erschienenen Literatur unterbleiben
. Wenig nützlich denke ich mir für Leser, an die vornehmlich
gedacht ist, Hinweise auf die von G. Franz herausgegebene
(vortreffliche) „Bücherkunde zur deutschen Geschichte" oder gar
auf den Dahlmann-Waitz. —

Die einzelnen Artikel erstrecken sich vornehmlich auf den
Bereich der politischen Geschichte, doch ist die Zahl der Artikel,
die sich auf das Kulturleben im weitesten Sinne erstrecken, groß
genug, um einer Verengung des Blickfeldes vorzubeugen. Für
eine Reihe von Spezialartikeln sind besondere Sachkenner herangezogen
worden, sonst haben die Herausgeber alle Artikel selbst
verfaßt (und entsprchend signiert), was einem gewissen einheitlichen
Duktus zugute gekommen ist, natürlich bei aller erstrebten
und auch weithin erreichten Sachlichkeit in Akzentsetzung und
Tongebung eine politische Konzeption erkennen läßt. Grundsätzlich
ist beim Jahre 1933 Halt gemacht worden, was man bei
aller Anerkennung der berühmten historischen Distanz doch bedauern
möchte. Andererseits haben die Verfasser ihren Grundsatz
an etlichen Stellen direkt oder indirekt durchbrochen. Kann man
etwa einen Artikel über Hitler von zwei Spalten schreiben, der
plötzlich abbricht, wo der Parteiführer zum Reichskanzler ernannt
wird? Zumal wenn dann noch ein Satz folgt, der die Vereinigung
von Reichskanzleramt mit Präsidentenamt nach Hindenburgs
Tode mit dem Bemerken erwähnt, daß damit „die Weimarer Republik
in eine Diktatur verwandelt" worden sei. Nimmt man
dazu den Artikel „Nationalsozialismus" (in dem die Zeitgrenze
193 3 überhaupt nicht spürbar wird), so steigen einem doch ernste
Bedenken auf, ob in einem wissenschaftlichen Werk, das seinem
Charakter nach immerhin auch pädagogische Verpflichtungen hat,
so klanglos über eine Erscheinung geschrieben werden kann, die
über die deutsche Geschichte das größte Unglück gebracht hat,
zumal auf den inneren Umschlag6eiten der einzelnen Lieferungen
betont wird, daß die einzelnen Artikel „über eine bloße Mitteilung
von Fakten weit hinausgehen und durch Wertungen
und Verweise das Ganze der Geschichte
sichtbar werden lassen". In dem Artikel
„Nationalsozialismus" hätte ich bei jedem Unterabschnitt
Einwände zu erheben, besonders bei dem Abschnitt IV über die
Ideologie. Merkwürdigerweise wird in diesem Artikel wohl der
Ausdruck Judentum verwendet, aber nicht auf den Artikel „Antisemitismus
" verwiesen, der wiederum nur in sachlicher Aufzählung
die antisemitischen Strömungen vor 1914 bringt, aber kein
Wort von den antisemitischen Auswüchsen des Nationalsozialismus
. Von den Ursachen des Antisemitismus ist nicht die
Rede. Noch größer sind meine Bedenken gegen den (überhaupt
entbehrlich gewesenen) Artikel über Goebbels, der als einziger
von den braunen Parteigrößen, neben Hitler, eine Darstellung
erfährt, die mit der Ernennung Goebbels' zum Propagandaminister
abbricht. Im Sprung über alle nun erst einsetzenden Untaten
dieses intellektuellen Vergifters der öffentlichen Meinung
Deutschlands, folgt nur noch der lakonische Satz, daß G. am
1. Mai 1945 „von eigener Hand starb". Hinzugefügt wird, daß
seine Jugendentwicklung der Roman „Michael" (1929) schildert.
Auch die Artikel „Schacht" und „v. Papen" machen vor der Zeitgrenze
1933 nicht Halt und sind, vor allem die 2 Spalten umfassende
Abhandlung über Papen, im ganzen unbefriedigend. Ich
bedauere sehr, diese Einwände erheben zu müssen. Aber angesichts
dessen, was heute in einem großen Teil unseres Vaterlandes
an offener Sympathie für das 1945 zusammengebrochene Regime
und teilweiser Rechtfertigung seiner Handlungen schon wieder
möglich ist und auch von den Kathedern her offenbar nur eine
sehr unzulängliche Zügelung und fast gar keine Verurteilung erfährt
, erhält die politische Erziehung auf dem Wege der geschichtlichen
Bildung ihr besonderes Gewicht, und gerade ein an 6ich
so bedeutsames und pädagogisch wertvolles Wörterbuch hat hier
eine besondere Aufgabe.

Für unzulänglich halte ich auch die Artikel über Karl Marx und
Friedrich Engels (in Zusammenhang damit den über „Materialistische
Geschichtsauffassung"). Die Beiträge enthalten eigentlich
nichts, was über frühere, längst veraltete, bürgerliche Darstellungen
hinausgeht. Die gesamte, namentlich von protestantischer
Seite in Gang gebrachte Forschung über den jungen Marx,
sein Ringen mit der Anthropologie Hegels, bleibt ganz unerwähnt
, obwohl sie, wie wir heute wissen, für die Entwicklung
von Marx entscheidend gewesen ist. Ebenso wird Engels' im harten
seelischen Kampf vollzogene Lösung vom pietistischen Erbe
nicht berührt, obwohl die angeführte Quellenliteratur dazu
hätte nötigen müssen. In beiden Fällen hat das populäre Evangelische
Soziallexikon weitere Horizonte eröffnet, unter denen die
Kenntnis des Marxismus und die Auseinandersetzung mit ihm
heute allein sinnvoll ist.

Es wären noch etliche Anmerkungen zu den z. T. recht umfangreichen
Artikeln über Luther, Luthertum, Calvin, Calvinismus
zu machen, die sich unter zuverlässiger Aufzählung der Fakten
ganz in den konventionellen Bahnen bewegen. Angesichts
der heute noch in vollem Gang befindlichen Diskussion über die
beiden Reformatoren, namentlich übeT ihre politische Ethik, beschränke
ich mich auf wenige Bemerkungen. Bei der Anführung
der Gründe von Luthers Klostereintritt vermisse ich den Hinweis
auf das Erlebnis des Gewitters bei Stotternheim. Luthers konservative
Hinwendung zur Obrigkeit, seine Gehorsamsethik und
polternde Verurteilung des „Herrn Omnes" hätten doch zumindest
einige kritische Bremsen verdient, wie nun auch hätte erwähnt
werden müssen, daß die theologische Auseinandersetzung
mit den Täufern und „Schwärmern", zum Nachteil für
die gesamte Entwicklung des Luthertums, von Luther eben
nicht geführt worden i6t. Ob die Fragestellungen von Troeltsch
wirklich erledigt sind, ist doch sehr zu bezweifeln. In dem Artikel
über „Luthertum" ist zum Schluß auch vom Kirchenkampf die
Rede. Die Sätze werden dem, um das im Kern gerungen wurde,
nicht gerecht. Von der Sonderstellung des konfessionellen Luthertums
in diesem Kampf wird nicht gesprochen. Daß es auch der
Bekennenden Kirche nicht gelungen sei, die entfremdeten Arbeitermassen
zurückzugewinnen, kann man doch nur sagen, wenn
man völlig übersieht, gegen welche Verführungen sich die
BK hatte wehren müssen.

Mit diesen kritischen Einwänden ist nicht das letzte Wort
über das Gesamtwerk gesprochen. Der konservative Grundzug
ist gewiß nicht zu verkennen, er hindert aber nicht, die wissenschaftliche
Leistung anzuerkennen, und führt zu keiner Minderung
des Dankes, den das Werk, wie eingangs ausgesprochen, int
ganzen verdient.

Berlin KarlKupisch

Läpple, Alfred: Kirchengeschichte in Dokumenten. Sammlung kirchengeschichtlicher
Quellen für Schule und Studium. Düsseldorf: Patmos-
Verlag [1958]. 478 S. 8°. Lw. DM 19.80.

Wollte man aus der Zahl der z. Zt. erscheinenden geschichtlichen
Quellenbücher für den Unterricht auf ein vertieftes Interesse
für die Geschichte schließen, so brauchte man um den
wünschenswerten Anstieg der historischen Bildung und damit
auch des historischen Verständnisses nicht bange zu sein. Aber die
Existenz dieser Bücher - auch auf dem Felde der Kirchengeschidite
— genügt noch nicht. Um Musik zu machen, muß man
auf den bereitgestellten Instrumenten spielen können. Und da
wird man eine gewisse Skepsis — sowohl im Blick auf Lernende
wie Lehrende — nicht ganz unterdrücken können. Die vorliegende,
für katholische Schüler und Studierende gedachte Sammlung
weicht von Büchern gleicher Richtung insofern ab, als sie ähnlich
wie der bekannte „Ploetz" (Auszug aus der Geschichte) nur stark
auswählend, eine tabellarische Aufzählung kirchengeschichtlicher
Vorgänge gibt, - die Daten erscheinen ausgeworfen am Rande -
und nur zu einzelnen Ereignissen einen mehr oder weniger ausführlichen
Auszug aus den Quellen bietet. Man wird es dem
Herausgeber nachsehen, wenn er mit der Zitierung von prote-