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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

671-672

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Gerhardsson, Birger

Titel/Untertitel:

The good Samaritan - the good shepherd? 1959

Rezensent:

Betz, Hans Dieter

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

672

Vielleicht sollte man wünschen, daß das Schlußkapitel die Form
einer eingehenden Exegese der in diesem Zusammenhang wichtigsten
nt.-lichen Stellen bekommen hätte. Die lehrreiche Untersuchung
hätte in diesem Falle ein nuancierteres Bild davon geben
können, wie sich die junge Kirche in den verschiedenen Formen
ihrer Wirksamkeit den Grundsatz der zwei oder drei Zeugen aneignete
.

Uppsala Birger Gerhardsson



Archer, Gleason L. jr.: The Epistle to the Hebrews. A Study Manual.
Grand Rapids/Mich.: Baker Book House 1957. V, 108 S. 8° - Shield
Bible Study Serie«. $ 1.50.

In diesem knappen Handbuch, das auf praktische Zielsetzungen
ausgerichtet ist, wird die Überlegenheit Jesu Christi,
des Neuen Bundes und des mit ihm gesetzten sieghaften Glaubens
herausgearbeitet. Jesus Christus übertrifft die Propheten, die
Engel, Moses und das aaronitische Priestertum (cap. 1—7), der
neue Bund ganz entsprechend den Kultus des alten (cap. 8 ff.).
Dasselbe gilt für die Quellen, aus denen der Glaube gespeist
wird (cap. 10,19 — 13,25). Einerseits ist die alttestamentliche
Offenbarung als Gesetz und Kultus nicht mehr verpflichtend,
anderseits weist sie auf eine neue Ordnung und Bindung an Gott
hin. Der Brief ist an eine judenchristliche Gruppe gerichtet, die
nicht nur ein exegetisches, sondern auch ein religiöses Interesse
an Tempel und Kultus des Alten Bundes hatte. Es ist wahrscheinlich
, daß diese judenchristliche Gruppe in Italien, vielleicht in
Rom, zu suchen ist. Die Abfassung des Briefes liegt zwischen 64
und 67 n. Chr., also vor dem Ausbruch des Jüdischen Krieges.
Das Besondere dieses Büchleins liegt einerseits in dem Versuch,
einen zentralen Grundgedanken exegetisch herauszuarbeiten,
anderseits in dem Hinweis, wie eng alttestamentliche und neu-
testamentliche Motive miteinander verbunden sind. Ausgesprochen
wissenschaftliche Ansprüche macht dies Büchlein nicht. Die
benutzte Literatur, die auf S. 1 erwähnt wird, ist nicht sehr reichhaltig
. Die Beachtung, die man sonst in den USA der Wissenschaft
des Judentums und der Qumränfonschung schenkt, hat in
dieser exegetischen Studie keine Spur hinterlassen. Es kann aber
keinen ernsthaften Biblizismus geben, der nicht diese historischen
Aufgaben mit innerer Leidenschaft und Freude anfaßt.

Tübingen Otto Michel

Gerhardsson, Birger- The good Samaritan — the good Shephcrd?

Lund: Gleerup; Kopenhagen: Munksgaard 1958. 31 S. gr. 8° =
Coniectanea Neotestamentica XVI. Sdiw. Kr. 5.—.

Der Verf. unternimmt einen neuen Versuch, das Problem des
Zusammenhanges zwischen dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter
(Lk 10, 30—37) und seinem Kontext (v. 25—29) zu lösen.

Im 1. Abschnitt (S. 1-9), überschrieben "Two Problems",
weist der Verf. in einem vorzüglichen Überblick über die Auslegungsgeschichte
auf die Tatsache hin, daß das Gleichnis seit der
Alten Kirche mit Hilfe der allegorischen Methode christologisch
interpretiert worden ist, und stellt die Frage, ob nicht sogar Jesus
selbst diese christologische Interpretation gemeint hat. Das andere
Problem besteht darin, ob das Gleichnis mit dem Kontext ursprünglich
zusammengehörte oder ob der Evangelist zwei voneinander
unabhängige Traditionen verbunden hat. Die Deutung des
Gleichnisses erfolgt dann im 2. Abschnitt ("The Meaning of the
Parable", S. 9-22), und zwar so, daß es nicht als „Beispielcrzäh-
lung" für das rechte Verhalten gegenüber dem Nächsten aufgefaßt
wird, sondern daß es allegorisch eines der Geheimnisse des Gottesreiches
offenbart: Wahre Führer Israels sind nicht die religiösen
Führer des Volkes, sondern wahrer Führer Israels ist der unerkannte
Menschensohn, der sich in seinem Handeln als der „wahre
Hirtc Israels" erweist. Der Verf. begründet seine Deutung mit
folgenden Argumenten: a) er hält das Hirtenmotiv für ein zentrales
Motiv in der Verkündigung Jesu; Jesus verkündigt sich
selbst als den guten Hirten, b) er weist darauf hin, daß das Wort
„aauaQkrjq " ( ^saj ) ,n <jer Alten Kirche etymologisch gedeutet
wurde als ,,custos", und sieht so das Gleichnis selbst schon
auf dem Hirtenmotiv aufgebaut, c) Öl und Wein stehen vielleicht
mit dem Schlüsselwort „"löti" in Verbindung (Z^'?9<

ähnlich *nTJJ) als „messianic Symbols", d) ausgehend von
dem unklaren Gebrauch von ,jilr]o(ov" stellt der Verf. eine
interessante Hypothese auf: „jiXrjaiov" mag „?n (™H)" entsprochen
haben. „?*!" („Nächster") ist aber sehr ähnlich dem
Worte „ fTy'1" („Hüte"). Ursprünglich, so ist der Schluß, habe
das Gleichnis nicht von der Frage gehandelt, wer der rechte
Nächste 6ei, sondern wer der wahre Hirte sei, und habe Jesus als
diesen wahren Hirten verkündigt. In der palästinensischen Ur-
gemeinde aber war die Frage nach dem wahren Hirten gelöst; was
man brauchte, war eine Antwort auf die Frage nach dem Nächsten.
So wurde das Gleichnis paränetisch umgedeutet, „?"?" („Nächster
") kam in festen Gebrauch und wurde ins Griechische übertragen
. Gegenüber der späteren Allegorese ist die ursprüngliche
noch sehr sparsam.

Hat nun das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, bzw. vom
Wahren Hirten eine Beziehung zur Debatte zwischen Jesu6 und
dem Gesetzesgelehrten? Dieser Frage gilt der 3. Abschnitt "The
Parable and its Context including some remarks on the hermc-
neutic of Jesus" (S. 22—31). Nach einem Exkurs übeT die rabbi-
nische Exegese zur Zeit Jesu kommt der Verf. zu dem Ergebnis,
daß Jesus eben nach diesen exegetischen Methoden verfahren sei.
Es handelt sich in Lk 10, 25—37 um die abgekürzte Form einer
exegetischen Debatte. Jesus beantwortet die Frage nach dem ewigen
Leben mit zwei Schriftstellen, deren zweite nicht nur den
traditionellen Sinn („ ... deinen Nächsten") hat, sondern in der
gegenwärtigen messianischen Zeit eine tiefere Bedeutung ausspricht
: Du sollst deinen Hirten lieben wie dich selbst. Jesus benutzt
also das Gleichnis, um mit einem Wortspiel zu zeigen, daß
er selbst der gute Hirte Israels ist.

So kann der Verf. zu dem Urteil kommen, daß Lk 10, 2 5-37
von Anfang an eine Einheit bildete; er selbst räumt aber ein
(S. 31), daß seine Auslegung auf weitergreifenden theologischen
Voraussetzungen beruht. Selbst wenn man hier anders denkt,
liest man die sehr sorgfältige, auch formal einwandfreie Studie
mit großem Gewinn.

Bad Meinberg (Lippe) Hans Dieter Bet«

Richardson, Donald W., Prof. D. D.: The Revelation of Jesai
Christ. An Interpretation. 4_tn Ed. Richmond/Virginia: lohn Knox
Press 1957. 195 S. 8°. $ 1.507""

Das Buch ist aus einer Vorlesung über die Offenbarung
Johannis entstanden und will nicht als historisch-kritische Auslegung
gelesen sein, sondern will zur Würdigung der religiösen
Werte der Apokalypse anleiten. Sie ist eine TTOstschrift in Ver-
folgungszeiten, deren Auslegung durch den reichen Gebrauch
doppeldeutiger Symbole und Rcdefiguren erschwert ist. Der Autor
sieht in der Offenbarung weder ein Buch mit antiquarischem
Wert, weil es Ereignisse des 1. christlichen Jahrhunderts beschreibt
, noch einen Entwurf einer fernen Endzeit, noch auch eine
Vorwegnahme der Kirchengeschichte mit ihren verschiedenen
Krisen, sondern eine Botschaft Gottes an die Kirche aller Zeiten.
So lehnt es der Verf. auch ab, in den sieben Gemeinden im Eingang
der Offenbarung die Perioden der Kirchengeschichte vorgebildet
zu finden, wie dies in der Auslegungsgeschichte gelegentlich
schon geschehen ist. Kapitel 4 zeigt die Macht Gottes des
Schöpfers, Kapitel 5 die Liebe Gottes des Erlösers. - Im einzelnen
macht die Auslegung einen zuverlässigen und sachgemäßen Eindruck
. Es leuchtet ein, wenn der Verf. uns klar macht, daß mit
der Zahl 666 keine bestimmte Person gemeint sei, sondern ejjjj*
Potenzierung der Zahl 6, die in der Zahlensymbolik für das »ose
steht. Nicht ebenso einleuchtend erscheint mir allerdings die Auslegung
von 14, 13, wo das Nachfolgen der Werke verstanden
wird als Andeutung dafür, daß auch das Leben im Himmel noen
ein Leben in Aktivität sei. Vorbildlich an dieser Art der Auslegung
erscheint, daß sie sich freihält sowohl von einer zu starren
Fixierung der Aussagen auf bestimmte geschichtliche Vorgange
der Entstehungszeit, als von einer allzu unmittelbaren Beziehung
auf die heutige Gegenwart im Sinne einer Identifizierung de
apokalyptischen Symbolismus mit Vorgängen der Jetztzeit. W«
sich der Verf. aber um eine theologische Auslegung bemüht, wir-
der exegetische Befund doch immer transparent für die Kircn